Mann aus Kreis Gütersloh baut 18-Tonner-Bus in 2.000 Stunden zum Reisetraum um

Halle. Der Reiz am Campen liegt im Minimalismus: Nur zwei T-Shirts, Ravioli auf dem klapprigen Gaskocher und den alten Schlafsack im feuchten Gras ausrollen - es mag Menschen geben, die so ticken. Jürgen und Silke Steinhanses aus Hörste gehören ganz, ganz sicher nicht dazu. "Besser haben als brauchen", lautet ihre Maxime. Und wer so unterwegs ist, gibt sich nicht mit einem Polo mit Dachzelt zufrieden. Der braucht Platz. Zum Verstauen, zum Relaxen, zum Leben. Und den haben die beiden Hörster. Rund 20 Quadratmeter Wohnfläche bietet ihr vollständig selbst umgebauter Setra-Reisebus 411 HD, plus neun Quadratmeter Dachterrasse. Für echte Minimalisten sicher ein Maximum an Dekadenz, für langjährige Wohnmobilisten ein wahrgewordener Traum. Als gelernter Landmaschinen-Mechaniker war Jürgen Steinhanses prädestiniert dafür, so einen 18-Tonner komplett zu überarbeiten. "Es ist das totale Hobby schlechthin", sagt der 54-Jährige, der sich sein Traum-Womo in nur einem Jahr von Grund auf selbst gebaut hat. "Da stecken sicher 2.000 Stunden Arbeit drin." Mann aus Kreis Gütersloh: "Hatte Lust, noch einen umzubauen" Anfang vergangenen Jahres hatten die Hörster den Bus aus dem Jahr 2012 entdeckt und gekauft. Tatsächlich ist es bereits ihr dritter. Der erste brannte mit einer Halle des Landmaschinen-Unternehmens 2015 ab. Den zweiten verkauften sie an Bekannte. "Da habe ich mich überreden lassen. Aber ich hatte auch Lust, noch einen umzubauen", erzählt der ehemalige Feuerwehr-Chef. Und wer sich schon mal mit solchen Bauprojekten beschäftigt hat, weiß, der dritte wird der Beste. "Man lernt ja immer dazu!" Preislich sei so ein TopClass-Reisebus gar nicht so schlimm, sagt Jürgen Steinhanses. "Das kostet etwa so viel wie ein Standardwohnmobil", weiß der Handwerker, ohne den konkreten Preis nenen zu wollen. Wenn er auf einem Platz mit Fahrzeugen von der Stange stehe, sage er schon mal: "Das ist das günstigste Wohnmobil hier im Kreis." - Immer vorausgesetzt, die eigene Arbeitszeit zählt nicht. Ein fertiges Wohnmobil war für das Paar keine echte Alternative. "Weißware", nennt Silke Steinhanses die große Flotte der Alkoven-Mobile und Teilintegrierten. Tatsächlich hätten sie auch solche Gefährte in den vergangenen Jahrzehnten ausprobiert, die Qualität habe aber nicht wirklich überzeugt. "Ich bin total allergisch gegen Knarzen und Klappern", sagt Jürgen Steinhanses. Dann doch lieber selber machen, findet er. "Ich liebe diesen Panoramablick" Das Ergebnis ist deutschlandweit ziemlich einmalig. Jürgen Steinhanses hat seinem Reisebus eine gemütliche Sitzecke samt selbst ausfahrendem Fernseher verpasst, weiter geht es in die Wohnküche - selbstverständlich mit Spülmaschine, großem Kühlschrank und Induktionsherd. Dahinter folgt das Badezimmer - Nasszelle wäre eine Untertreibung - mit Dusche, Toilette und Keramik-Waschbecken. Den Abschluss über dem im Heck verbauten Motor macht das Ehebett. Nicht nur wegen der Höhe und dem großzügigen Platzangebot bietet sich ein Reisebus als Wohnmobil an. "Ich liebe diesen Panoramablick", sagt Silke Steinhanses. "Wir können überall rausschauen, aber keiner kann reinschauen." Ebenfalls von Vorteil: die hohe Zuladung des Busses. Obwohl Steinhanses ganz normale Möbel aus dem Fachhandel verbaut hat, ist der Setra mehrere Tonnen leichter als die rund 18 Tonnen, die er in seinem ersten Leben wiegen durfte. Etwas mehr als 400 PS und rund zwölf Liter Hubraum sorgen dafür, dass der Reisebus auf der Autobahn gut zu fahren ist, einziges Manko: der Verbrauch von rund 20 Litern auf 100 Kilometer. Dank AdBlue gab's aber trotzdem die grüne Plakette. "1.700 Watt Solar auf dem Dach" Was die Technik angeht, durfte sich der frühere Firmenchef natürlich auslassen. "Wir haben 1.700 Watt Solar auf dem Dach. Wir sind vollkommen autark", sagt der 54-Jährige. Praktischerweise läuft alles was Strom braucht nicht auf 12 Volt, wie in einem Auto, sondern auf 230 Volt, wie in einem Haus. "Unsere Lithium-Ionen-Batterie hat 15 Kilowattstunden, da können wir auch ohne Sonne drei bis vier Tage aus der Batterie leben", sagt der Hörster. Nun aber genug von der Technik und zum wirklich Wichtigen: Wohin geht die Reise? "Wir waren gerade an der Mosel", berichtet Silke Steinhanses und ihr Ehemann ergänzt: "Bald wollen wir zwei Monate nach Frankreich in die Bretagne und Anfang kommenden Jahres geht es nach Spanien." Campingplätze versuchen die Busfahrer allerdings zu meiden. Das ist auch der Grund, warum der Setra auf den ersten Blick von einem normalen Reisebus nicht zu unterscheiden ist. Die Lackierung des Busunternehmens wurde zum Großteil beibehalten. "Wir sind gerne inkognito unterwegs. Wenn wir mal frei stehen, fallen wir so nicht als Wohnmobil auf."

Meistgelesen