Wanderer ignorieren Verbot: Wildacker ist Ruhezone für Tiere und Pflanzen

Halle. &bdquo;Dort unten an der B 68 stehen noch ein paar Blumen zum Selbstpflücken – ansonsten blüht hier fast nichts mehr." Umgeben von abgeernteten Feldern steht Professor Diedrich vor dem Tor zu einer Fläche, die er seit 1989 gepachtet hat. &bdquo;Das nennt man Ernteschock. Für Insekten und Kleintiere gibt es kaum noch Nahrung und keine Deckung mehr." Lesen Sie auch: Wird Kirschlorbeer verboten? Erste Stadt im Kreis Gütersloh wagt Vorstoß Ein paar Schritte hinter dem Gatter sieht die Welt plötzlich ganz anders aus. Der dichte Bewuchs einer Wildhecke bietet ein wenig Schatten und die Luft ist erfüllt vom Schwirren der Insekten: Bienen, Hummeln, und die unterschiedlichsten Schmetterlinge suchen die Pflanzen nach Nektar ab. Auch Libellen gleiten scheinbar schwerelos durch die Luft. &bdquo;Ich hoffe, dass viele Pflanzen wiederkommen" Landwirt Hartmut Fischer hat die Fläche im Frühjahr vorbereitet und mit einer speziellen Blühmischung bepflanzt. &bdquo;Ich wollte eine Mischung mit heimischen Pflanzen", sagt Professor Diedrich: &bdquo;Die war nicht einfach zu bekommen." Rund 400 Euro hat der passionierte Jäger und Naturschützer in die Säcke mit dem Samen investiert. Weithin sichtbar ragen die Sonnenblumen aus dem Wildacker heraus. Darunter gedeihen Wilde Möhre, Buchweizen, Johanniskraut und Schafgarbe ebenso wie das Franzosenkraut und der große Sauerampfer. Die Mischung, die Professor Diedrich ausgesucht hat, beinhaltet rund 20 verschiedene Pflanzenarten, die speziell auf die Bedürfnisse der heimischen Fauna abgestimmt sind: &bdquo;Wir hoffen, dass hier bis in den Herbst hinein immer etwas blüht und dass möglichst viele Pflanzen im kommenden Jahr wiederkommen." Das Saatgut hat er aus eigener Tasche bezahlt und nicht auf die Förderung durch die EU zurückgegriffen: &bdquo;Dann muss man eine Mischung verwenden, die nicht nur aus heimischen Pflanzen besteht. Und das wollte ich nicht." Hasen und Rehe kommen gern vorbei Nach Beobachtungen des 84-Jährigen wird der Wildacker von Hasen und Rehen sehr gut angenommen, die dort Nahrung und Deckung suchen: &bdquo;Aus dem Hesseltal ziehen auch Wildschweine hier herüber." Exoten wie Marderhunde und Waschbären, die sich auch im Altkreis immer weiter ausbreiten, hat er in der näheren Umgebung bereits mit der Wildkamera aufgenommen. Nach Süden hin hat Hartmut Fischer einen Streifen Mais entlang der Blühwiese gepflanzt. Sie grenzt das rund 7.000 Quadratmeter große Areal ab und bietet Hasen, Rehen und anderen Tieren Schutz. Geerntet wird der Mais nicht, er bleibt als zusätzliche Nahrungsreserve für das Wild in den kargen Wintermonaten stehen. Der Haller Landwirt unterstützt nicht nur das Projekt von Professor Diedrich, sondern betreibt auch auf den Flächen, die er bewirtschaftet, aktiven Naturschutz: &bdquo;Wir beteiligen uns mit über 40 Blühstreifen an Umweltmaßnahmen." Zwar werde die Anlage solcher Bereiche von der EU gefördert, doch ganz unproblematisch sei es nicht: &bdquo;Die Flächen dürfen weder gedüngt und gespritzt, noch befahren und betreten werden." &bdquo;Die Ruhezone sollte von den Menschen respektiert werden" Spaziergänger würden sich aber oft nicht an das Betretungsverbot halten und durch die Blühstreifen trampeln. Teilweise werde dort auch Grünschnitt aus dem eigenen Garten abgelegt. Im Extremfall könne das dazu führen, dass dem Landwirt die Förderung ganz oder in Teilen gestrichen werde: &bdquo;Gut wäre es, wenn die Leute die Flächen nicht betreten und dort auch nicht ihre Hunde laufen lassen würden." Um seinen Wildacker vor unerwünschten Besuchern zu schützen, hat Professor Diedrich am Ende des Feldwegs ein Gatter aufgestellt. Dort endet der Weg. Fußspuren zeigen aber, dass Wanderer über den an die Wildhecke grenzenden Acker hinauf zum Waldrand gegangen sind. Dadurch wird nicht nur die Saat zertreten, sondern auch das Wild aufgescheucht. &bdquo;Das hier ist eine Ruhezone", sagt Professor Diedrich, &bdquo;und die sollte von den Menschen auch respektiert werden." Ökologische Ästhetik An der Fachhochschule in Bielefeld hat er gelehrt und mit seinen Studenten in Halle naturnahe Projekte unter dem Gesichtspunkt der ökologischen Ästhetik realisiert. Es wurden Hecken an den Ackerändern angelegt, die dem Wild Deckung bieten und hinauf zum Saum des Teutoburger Waldes führen. Auch ein Feuchtbiotop für heimische Amphibien hat er anlegen lassen: &bdquo;Dort oben am Mödsiek gibt es Quellen, durch die das Biotop gespeist wird." Unterhalb der Bundesstraße hat er einen Teich gerettet, der im Zuge von Bauarbeiten verfüllt worden wäre, wenn er ihn nicht frühzeitig hätte auskoffern lassen. Und so hat der Künstler, Jäger und Naturliebhaber viele Bereiche geschaffen, in denen sich die heimische Flora und Fauna entfalten kann. Landwirt Hartmut Fischer und Professor Diedrich realisieren Projekte, von denen nicht nur Insekten, Hasen und Rehe profitieren – und für die sich beide etwas mehr Achtsamkeit von Spaziergängern wünschen.

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