Halle. Es war eine Geschichte voll aus dem Leben des Jahres 2020, die sich Montagmorgen vor dem Haller Amtsgericht abspielte. Zwei Ehepaare hatten sich in den ersten Tagen des Lockdowns im April zu einem Waldspaziergang verabredet und wurden dabei von einem Team des Haller Ordnungsamtes auf Streife überrascht. Alle vier Teilnehmer kassierten einen Bußgeldbescheid über je 221 Euro wegen Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz. Dagegen war eines der Paare, das aus Halle kommt, angegangen. Es erreichte am Montag eine Einstellung des Verfahrens, während die Bielefelder Freunde gezahlt haben.
Corona war auch am Verhandlungstag präsent und fuhr dem Richter in die Parade. Er schickte die beiden Mitarbeiter und Anzeigenführer des städtischen Ordnungsamtes nach Hause, weil sie zuvor nach eigenem Bekunden einen Kontakt mit einem Corona-Erkrankten gehabt hatten. Dies regelte er mit genügend Sicherheitsabstand vor dem Gerichtsgebäude.
Bei offenem Fenster begann pünktlich um 9 Uhr die Verhandlung im Saal 121. Zunächst war die 45-jähriger Hallerin an der Reihe. Sie berichtete, sie habe sich mit ihrer 43-jährigen Freundin und deren Mann aus Bielefeld zu einem Spaziergang verabredet. Vereinbart worden sei, dass die beiden Frauen und die Männer jeweils in Zweiergruppen mit ausreichend Abstand unterwegs sein wollten. Das sei auch so praktiziert worden. Man habe in Höhe der Apothekerstraße die Bundesstraße überquert. Die Männer hätten sich in dem dortigen Fahrradladen noch die Auslagen im Schaufenster angesehen, dadurch habe sich der Abstand zwischen den zwei Gruppen noch vergrößert. Im Bereich der Berliner Straße habe sich das Ordnungsamtsteam mit seinem Elektroauto lautlos genähert. Beide Mitarbeiter hätten dabei das Auto verlassen und sich soweit genähert, dass man die Vergrößerung des Abstandes eingefordert habe.
Juristische Formulierungen für Laien schwer zu verstehen
Alle Beteiligten schilderten die Vorgänge an diesem Tag in ähnlicher Weise und unterstrichen, stets auf den Abstand geachtet zu haben. Der Richter stellte fest, dass es sich um vier Menschen aus zwei Haushalte handele, deren Kontakt ein geringes Infektionsrisiko darstelle. Allerdings seien in der damaligen Verordnung Ansammlungen von mehr als drei Personen verboten gewesen. Abgesprochene Treffen seien auch bei genügend Abstand untersagt gewesen. Aber für einen juristischen Laien seien die Formulierungen schwer zu verstehen. Deshalb werde er das Verfahren einstellen. In den heutigen Verordnungen sei einiges präziser formuliert worden.
Die Auslagen für das Verfahren muss die Hallerin allerdings selbst tragen. Knapp eine Stunde später entschied der Richter für den Ehemann ebenso.
Die je 221 Euro gezahlt haben dagegen die Eheleute aus Bielefeld. Sie fühlen sich ebenso überzogen behandelt, aber „wir haben keinen Rechtsschutz, und ich habe keine Lust und keine Zeit, mich über Monate mit diesem Thema auseinanderzusetzen" begründete der Fliesenleger seine Entscheidung.