Von
Heiko Kaiser
05.04.2019 | 05.04.2019, 18:20
Halle
Die V.A.T.A.N. Sünnet GmbH startet am 25. Mai in den Räumen einer ehemaligen Kinderarztpraxis in Halle - viele heimische Mediziner reagieren skeptisch
Halle. Noch deutet lediglich ein Schild an der ehemaligen Kinderarztpraxis Müller daraufhin, dass sich hier bald ein neues Unternehmen ansiedeln wird. V.A.T.A.N. Sünnet Praxis GmbH steht in großen orangefarbenen und schwarzen Lettern auf dem Schild. „Wir haben in Holland bereits zwölf Standorte. Unsere Zentrale ist in Herne. Nach Köln sind es in südwestliche Richtung rund 100 Kilometer. Nach Halle in nordöstliche etwa 130. Die Praxis hätte auch in Gütersloh oder Bielefeld eröffnet werden können. Doch in Halle haben wir bereits fertige Praxisräume vorgefunden. Das hat den Ausschlag gegeben", sagt Geschäftsführer Malik Gözegir.
Am 25. Mai will die Praxis den Betrieb aufnehmen. „Wir haben Patienten aus allen Kulturen und allen Regionen", erklärt der Geschäftsführer. Auf der Internetseite nennt das Unternehmen hygienische, sexuelle und ästhetische Motive, aus denen Menschen eine Beschneidung vornehmen lassen. Und natürlich auch medizinische Indikationen, wie Vorhautverengungen. „Allerdings", so Gözegir, „müssen auch medizinisch notwendige Beschneidungen privat bezahlt werden, da wir keine Krankenkassenzulassung haben."
289 Euro kostet ein Eingriff bei Jungen, 389 Euro für Erwachsene und Jugendliche ab 13 Jahren. „Die Beschneidungen sind schmerzlos", sagt Malik Gözegir. Bei Jungen werde zunächst ein lokales Betäubungsmittel in Form einer Salbe aufgebracht und anschließend der Bereich mit einer Injektion komplett gefühllos gemacht. Lediglich fünf bis zehn Minuten dauere anschließend der eigentliche Eingriff, bei dem man unter anderem auf eine eigene patentierte Methode zurückgreife.
„Bei der Genco-Clamp-Beschneidung wird ähnlich wie bei der Nabelschnurdurchtrennung verfahren. Dadurch muss nicht genäht werden und die Gefahr einer Infektion wird minimiert", sagt Gözegir. Insgesamt sind fünf Ärzte für das Unternehmen tätig. Sie werden wechselweise nach Terminvereinbarung die Eingriffe in der Haller Praxis vornehmen.
Mit einer gewissen Skepsis reagieren heimische Mediziner auf die geplante Eröffnung. Der Steinhagener Urologe Dr. Andreas Rieks sieht beispielsweise in dem von Gözegir ins Feld geführten geringerem Infektionsrisiko keinen entscheidenden Vorteil dieser Beschneidungsmethode. „Ich nehme seit 22 Jahren Beschneidungen aus medizinischen Gründen vor und habe noch nie erlebt, dass es anschließend zu einer Infektion gekommen ist", sagt Rieks. Vor allem bei Jungen hält er es, anders als Gözegir, für notwendig, die Beschneidung unter Vollnarkose durchzuführen. „Aus Erfahrung weiß ich, dass eine Manipulation an der Vorhaut für Kinder und Jugendliche nicht unproblematisch ist, weil sie darauf noch empfindlicher reagieren als Erwachsene", erklärt er.
Sein Haller Kollege, der Facharzt für Urologie Dr. Eduard Quindt, sieht es ähnlich: „Wir nehmen Beschneidungen so vor, wie es der aktuelle medizinische Standard vorgibt." Auch er operiert Jungen deshalb nur unter Vollnarkose. „Jeder Eingriff bedeutet ein körperliches und seelisches Trauma für das Kind. Anders als Erwachsene haben sie noch nicht die geistige Fähigkeit, die vermittelten Beruhigungen auch in der körperlichen Reaktion zu übernehmen", sagt der Haller Mediziner.
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