Von
                                                
                            Rolf Birkholz
                        
                                            
                    
            16.05.2017 | 16.05.2017, 13:06
    
                Gütersloh
In der Bühnenfassung von Timur Vermes Roman glänzt Kristian Bader als Adolf Hitler. Doch die Vorstellung hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck
Gütersloh. A. H.? Haha! Da ist das Lachen ja schon in den Initialen eingeschrieben. Rückwärts gelesen, so einfach ist es also nicht. Die markante Oberlippenbürste aufgeklebt, den "Deutschen Gruß" in die Luft gestochen, ein paar Satzfetzen heiser heraus gestoßen - geschenkt. Und so billig lässt es Axel Schneider in seiner Bühnenfassung von Timur Vermes' Roman "Er ist wieder da" seinen glänzenden Hauptdarsteller Kristian Bader eben nicht machen. Genau da liegt das Problem in der Produktion des Altonaer Theaters in Kooperation mit dem Theater am Kurfürstendamm.
Und damit spielt die Aufführung ganz gezielt, wie jetzt im Theatersaal zu beobachten war. Denn Bader weiß in der Hauptrolle vom ersten Moment an für seine Figur einzunehmen. Was auch sonst? Ein schon etwas älterer Mann in verstaubter Uniform rappelt sich auf, ist verwirrt, aus der Zeit gefallen. Lars Peters Reichskanzleiarchitektur mag ihm bestätigen, immerhin im richtigen Land zu sein. Aber die Kluft zwischen 1945 und 2011 muss erst einmal überbrückt werden. Da rührt sich der Helferinstinkt.
        
                    Und so geht es weiter. Man versteht, dass Bader für seine Rolle für den Theaterpreis "Der Faust" nominiert war. Er gibt den "Führer" nicht als Knallcharge, sondern geradezu dezent. Wie Hitler sich langsam in der neuen Zeit orientiert, wird der Zuschauer unwillkürlich warm mit ihm. Das will Timur Vermes ja auch. Er will nicht den Verbrecher vorführen, sondern Hitlers freundliche und charmante Seiten zeigen. Erstens kann man sich das selber denken, zweitens ist das auf dem Theater etwas heikel.
Autor und Regisseur wissen das natürlich. Deshalb bieten sie dem womöglich zutraulich werdenden Publikum des Mannes, der für einen genial mit seiner Rolle verwachsenen Nazi-Komiker gehalten wird und bald eine eigene Talkshow erhält, die eine oder andere "Ohrfeige" (Vermes) an. Wenn Hitler angesichts einer Frau mit Hundekottütchen an ein neues Euthanasieprogramm denkt oder den Judenmord mit dem Waldsterben vergleicht, werden die Geschmacksnerven allerdings überstrapaziert.
In sich stimmig wirkt, dass Bader seine Mitakteure planmäßig fast zu Statisten degradiert. Während Medien und Fernsehproduzenten dem Hitler-Hype erliegen, können ausgerechnet einige Schlaffis von der NPD nichts anfangen mit dem Typ. Junge Neo-Nazis wiederum halten Hitler für einen Juden, der ihr Idol verunglimpft, und schlagen ihn im Prinzip tot. Doch A. H. ist hart im Nehmen. Er wird weiter spuken, wir sind noch nicht fertig mit ihm, mit uns.
Der Roman endet damit, dass Hitler der Slogan einer neuen Propagandaoffensive vorgestellt wird: "Es war nicht alles schlecht." Direkt darauf den Schlussbeifall folgen zu lassen, wollte man offenbar nicht riskieren. So dürfte der rhythmische Applaus am Samstag vor allem dem Hauptdarsteller gegolten haben, also Kristian Bader, nehmen wir mal an. Es bleibt ein zwiespältiger Eindruck.
Ein Webabo bietet Zugriff auf alle Artikel. 
                    Mit NW+-Updates per Mail - jederzeit kündbar.