Von
Rolf Birkholz
02.03.2017 | 02.03.2017, 15:33
Gütersloh
BE-Lesen: Stephan R. Meier präsentierte im ausverkauften Bambi seinen Zukunftsroman „NOW“, in dem Super-Algorithmen das Leben der Menschen regeln. Der Autor vermisst ethische Leitplanken zur fortschreitenden Digitalisierung – und wird rege befragt
Gütersloh. Wann wird uns ein Super-Algorithmus steuern? Wann werden Maschinen das Zusammenleben auf der Erde ordnen, weil Menschen es nicht mehr geregelt bekommen? Stephan R. Meier meint, das könne schon in absehbarer Zeit geschehen.
Die dazu nötigen Datenverknüpfungen würden längst vorbereitet. In seinem Roman „NOW", jetzt im ersten deutschen Programm des Penguin Verlags bei Random House erschienen, erzählt Meier davon. In der Reihe BE-Lesen stellte er das Buch im Bambikino vor.
NOW ist die „Bezeichnung der ersten autopoetischen, künstlichen Intelligenz als Meta-Algorithmen-Struktur", entwickelt im Auftrag des US-Innenministeriums und mit Geldern des Pentagons, wie es im Glossar heißt. Entstanden ist das körperlose Superhirn aus einer Riesenfusion von „Big Data" etwa zehn Jahre nach der Gegenwart, irgendwo in Oregon.
Meier begann seine Lesung im voll besetzten Kinosaal damit, wie weitere 30 Jahre später Spark, der Sohn eines der Entwickler, in seinem vollautomatischen Luftgleiter auf Eden zu schwebt. Das neue Eden liegt in Kalifornien, es ist eine Stadt, die ohne Belastung der Natur erbaut wurde und funktioniert. Es ist die wichtigste Stadt der NOW-Gebiete auf einem erdumspannenden Gürtel im Südteil der nördlichen Hemisphäre mit 100 Millionen Einwohnern. Dem Rest der Welt hat NOW einfach Strom und Daten abgeschaltet, dort leben eine Milliarde Menschen unter erschwerten Bedingungen. Die heutigen Weltverhältnisse im Kleinformat.
Der Autor schilderte vorlesend, wie Spark mit seiner persönlichen Assistentin, in luftiger Gestalt eines lebensgroßen Hologramms, interagiert. Dann trifft er einen älteren Mann aus München, Wolf, der in der Wildnis außerhalb der NOW-Bereiche überlebt hat.
In diesen Zonen radikalisierte sich das Dasein ohne Strom und Daten zusehends: Verrat, Angst, Misstrauen, Gewalt. „Es ging rasend schnell nur noch ums Überleben." Hatte nicht unlängst erst der Innenminister geraten, für zwei Wochen Lebensmittel vorrätig zu halten? Das ist eines der Realitätsmomente die dieser „Thriller unserer Zeit" berührt.
Meier geht vom Alltag aus. Ein seiner Tochter gekauftes iPod veranlasste den Mann, der weltweit in der Tourismusbranche tätig war und zwei Sachbücher geschrieben hat, sich mit der zunehmenden Digitalisierung zu beschäftigen, die Strategien der Technologie-Konzerne zu recherchieren.
Die Verbindung zwischen Smartphone und selbst fahrendem Auto sieht er direkt vor uns: Bald brauche keiner mehr einen Führerschein, nur eine passende App. Da werde man tendenziell zugleich auf eine „Datenmonopol-Diktatur" zu gesteuert. Doch gebe es derzeit „keine ethischen Leitplanken", wisse niemand, wie „ethisch programmiert" werde.
Zweifellos könne Digitalisierung viel Gutes bewirken, wir müssten sie nur richtig einzusetzen lernen, gab sich Stephan R. Meier nicht als Maschinenstürmer, aber umso leidenschaftlicher in Sachen Bewusstseinsbildung. Digitalkunde müsse Schulfach werden. An knapp anderthalb Stunden Lesung schloss sich eine Stunde Publikumsgespräch an: So rege wird selten nachgefragt. NOW scheint im Kern mehr Science als Fiction zu sein.
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