Kreis Gütersloh

Das versunkene Freibad im Kreis Gütersloh

Die Bürger von Werther-Häger haben Anfang der 1930er Jahre in Eigenleistung ein Schwimmbad gebaut, das sich heute die Natur zurückerobert hat

01.10.2016 | 01.10.2016, 03:30
Verfallen: 83 Jahre nach der Eröffnung im Jahr 1933 hat sich die Natur das ehemalige Freibad in Häger zurückerobert. Der Mühlenbach fließt nicht mehr ständig hindurch und Bäume und Sträucher bewachsen die ehemaligen Beckenmauer und Startblöcke. - © Detlef Hans Serowy
Verfallen: 83 Jahre nach der Eröffnung im Jahr 1933 hat sich die Natur das ehemalige Freibad in Häger zurückerobert. Der Mühlenbach fließt nicht mehr ständig hindurch und Bäume und Sträucher bewachsen die ehemaligen Beckenmauer und Startblöcke. | © Detlef Hans Serowy

Kreis Gütersloh. Gemeinsinn und Engagement zeichneten die Menschen in Werther-Häger offenbar zu allen Zeiten aus. Was heute ein Projekt wie der Dorfladen ist, war in den 1930er Jahren das Naturbad der Gemeinschaft "Deutsche Turnerschaft Häger". Der Vorläufer des heutigen SV Häger hatte sich 1921 gegründet und 1922 das erste Stiftungsfest gefeiert. 1931 und 1932 errichteten die Mitglieder mit Hilfe der Bevölkerung ein Freibad. Es entstand auf dem Gelände des Landwirts August zu Bargholz und sollte eine der größten Leistungen des Vereins werden.

Die Maurer Wilhelm Kreft und Heinrich Ellerbrock, der Tiefbauer Gustav Mohrmann, der Maler August Walkenhorst, der Schleifer Julius Tubbesing und der Schlachter August Mohrmann führten die Bürgerinitiative aus Häger an. "Das Bad entstand vollständig in Eigenleistung von den Vorläufern der Dorfgemeinschaft", erklärt Uwe Gehring. Sein Vater Fritz Gehring hat ihm viel von dem Bad erzählt, das ein sehr beliebter Treffpunkt wurde. "Es wurden dort Feste gefeiert und die Menschen aus Häger waren stolz auf ihr Bad", weiß der 58-Jährige. Viele Jahrgänge hätten dort das Schwimmen gelernt und auch aus der Umgebung seien die Badegäste gern in das Mühlenbachtal gekommen.

Alte Ansichten: Diese alte Postkarte zeigt das Bad und seine Lage im Wald und im Tal des Mühlenbaches. - © NW
Alte Ansichten: Diese alte Postkarte zeigt das Bad und seine Lage im Wald und im Tal des Mühlenbaches. | © NW

Ob sie im Freibad Häger das Schwimmen gelernt hat, weiß Grete Weinhorst nicht mehr genau. Die 91-Jährige aus Häger erinnert sich aber sehr gut daran, dass sie oft im Bad gewesen ist. "Das war ein schöner Anlaufpunkt für uns als Kinder, wir haben dort unsere Zeit verbracht und auf der Wiese gelegen." Mit einer Legende räumt die Seniorin auf. "Das Bad lag auf Jöllenbecker Grund", stellt sie klar.

Landwirt August zu Bargholz hatte das Gelände für 25 Jahre kostenfrei zur Verfügung gestellt und die Hägeraner packten vor 85 Jahren an. Sie errichteten ein 50-Meter-Becken, einen Nichtschwimmerbereich, stellten Sprungbretter mit einem und zwei Metern Höhe auf und bauten Umkleidekabinen aus Holz. Eine große Liegewiese rundete die für ihre Zeit vorbildliche Einrichtung ab.

Ortstermin: Uwe Gehring an einem der alten Sprung-Blöcke. - © Detlef Hans Serowy
Ortstermin: Uwe Gehring an einem der alten Sprung-Blöcke. | © Detlef Hans Serowy

Der Verein benannte sich in "Schwimm- und Sportverein Häger" um und wollte sein modernes Bad am Sonntag, 11. Juni 1933, mit einem Fest eröffnen. Er hatte seine Rechnung ohne die damaligen Machthaber von der NSDAP gemacht. Eine Abordnung der SA löste das Fest auf und beschlagnahmte die Kasse. Die wohl vorgeschobene Begründung: Der verbotene Verein "Freie Schwimmer" habe einen Schwimmer-Sonntag aufziehen wollen. In Wahrheit ging es wohl darum, dass die Hägeraner kein Propagandamaterial der NSDAP verwendet und die Partei nicht beteiligt hatten. Am 18. Juni 1933 wurde das Bad dann in aus Sicht der Machthaber "angemessener Form" und mit einer Kapelle der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei eröffnet. Verdiente Mitglieder durften an dem Eröffnungsfest nicht teilnehmen.

Der Beliebtheit des Bades taten diese Schikanen keinen Abbruch. Das lag auch an seiner sehr pfiffigen Konstruktion. "Der Mühlenbach speiste das Bad, deshalb war das Wasser immer frisch", erläutert Uwe Gehring. Der Bach wurde in zwei Vorfluterteichen aufgestaut. Dort konnte die Sonne das Wasser erwärmen. Anschließend floss es in die Becken.

In den 1930er und 1940er Jahren war in dem Waldschwimmbad bei sommerlichen Temperaturen immer etwas los. "Die Leute kamen in Scharen, es war eine schöne Zeit", sagt Grete Weinhorst. "Liebe hat Dich erschaut, Gemeinsinn hat Dich erbaut" lautete das Motto der Bauarbeiten und stand auch als Motto auf den Postkarten, die damals vom Bad gedruckt wurden.

Der Krieg brachte den Sportbetrieb in Häger vollständig zum Erliegen und führte auch dazu, dass das Bad nach 1945 mehr und mehr sich selbst und der Natur überlassen wurde. Es gab keine Aufsicht durch den Schwimmverein mehr, notwendige Pflegearbeiten wurden nicht mehr ausgeführt.

Trotzdem suchten viele Bürger in heißen Sommern dort noch Erfrischung, wie sich der Hägeraner Ulrich Wefing erinnert. "Auf eigene Gefahr", wie er hinzufügt. Heute ist das Bad so sehr verfallen und von Bäumen und Sträuchern bewachsen, dass niemand mehr darin schwimmen sollte.