Unternehmen aus dem Kreis Gütersloh hilft Mitarbeiter beim Kampf zurück ins Leben

Kreis Gütersloh. &bdquo;Eine meiner letzten Erinnerungen ist, wie ich am Heck eines Kreuzfahrtschiffes stehe. Und kurze Zeit später liege ich auf der Intensivstation in Bethel“, erzählt Matthias Poltrock. Die Diagnose: schwerer Schlaganfall. Den 28. Januar 2024 wird der im Kreis bekannte Künstler aus Borgholzhausen wohl nie mehr vergessen. Der Welt-Schlaganfalltag am 29. Oktober ist für ihn eine Gelegenheit, seine bewegende Geschichte zu erzählen. &bdquo;Ich war gerade von einem Urlaub mit meinen Freunden von Gran Canaria zurückgeflogen. Abends habe ich noch für meine Frau Martina gekocht, morgens Frühstück gemacht. Im Schlafzimmer habe er sich noch mit ihr über ein neues Abrollsystem für den Gartenschlauch unterhalten, das sie sich anschaffen wollten. &bdquo;Sie zeigte mir Bilder auf dem Handy. Dann wurde mir plötzlich schwindelig“, erzählt er. Vielleicht lag es an den US-Arztserien, die sie so gerne schaut, aber seine Frau wählte den amerikanischen Notruf 911. Aber auch dieser wird auf die deutsche 112 umgeleitet. Zehn Minuten später ist der Notarzt da, bringt ihn ins Klinikum Bethel, wo ihm mithilfe von Kathetern zwei Thromben aus dem Kopf entfernt werden. &bdquo;Ich habe großes Glück gehabt“, ist Matthias Poltrock dankbar, dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen zu sein. &bdquo;Das Leuchten in den Augen ist wieder da“, sagt Anja Lübbering Während er seine Geschichte erzählt, sitzt er an einem langen Tisch mit seinem Arbeitgeber – Achim Lübbering in Herzebrock-Clarholz. Hier im Familienunternehmen, das Hochpräzisionswerkzeuge für die Schraub- und Bohrtechnik in der Automobil- und Luftfahrtindustrie herstellt, ist Poltrock seit 2017 für die Pflege von Haus und Hof zuständig, hilft, wo Not am Mann ist. &bdquo;Vor meinem Kunststudium habe ich eine Schreinerlehre gemacht“, erzählt er. Seit dem 1. Mai dieses Jahres arbeitet er wieder vier Tage die Woche acht Stunden voll. &bdquo;Der Freitag ist immer für die Kunst reserviert“, erzählt er. Und auch bei Achim und Anja Lübbering hat die Kunst im Unternehmen einen festen Platz. Das erste Bild, das Matthias Poltrock in seinem Atelier in Dauntown – einer ehemaligen Daunenfabrik in Borgholzhausen – gemalt hat, hängt in den Geschäftsräumen. Lesen Sie auch: Firma Lübbering stellt zwei schwer Vermittelbare als Auszubildende ein &bdquo;Es strotzt vor Lebensfreude“, sagt Anja Lübbering und zeigt auf das bunte Kunstwerk. Sie hat miterlebt, wie sich ihr inzwischen 63-jähriger Mitarbeiter langsam zurück ins Leben kämpfte, bereits in der ersten Reha in Bad Salzuflen regelmäßig mit ihm telefoniert. &bdquo;Das Leuchten in den Augen ist wieder da“, sagt sie. Ein Viertel der Patienten entwickelt eine Post-Stroke-Depression Sie bewundert, mit welcher Energie Matthias Poltrock übt, Stunde um Stunde mit der linken Hand, die immer noch eingeschränkt ist, kleine Metallplättchen umdreht, um die Feinmotorik zu schulen. &bdquo;Sie sollten mich mal im Atelier fluchen hören, wenn mir beim Öffnen der Ölfarben-Tuben wieder die ganze Farbe über die linke Hand läuft, weil mir dort das nötige Gefühl fehlt!“ Laut Mario Leisle, Sprecher der Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe, hat das Ehepaar einen großen Anteil an der Genesung des Schlaganfall-Patienten. &bdquo;Für Matthias Poltrock ist das zusätzliche Motivation auf dem Weg zurück ins Leben, der noch immer hart und steinig ist.“ Der Künstler erzählt, wie er anfangs überlegt habe, seinem Leben ein Ende zu setzen. Ein Viertel der Patienten entwickle eine Post-Stroke-Depression, weiß er heute. &bdquo;Die Industrie ist ja auch nicht gerade auf der Suche nach 63-jährigen Schlaganfall-Patienten“, sagt Achim Lübbering. &bdquo;Und den Staat interessiert so ein Schicksal nicht“, stellt er nüchtern fest. Spezielle Unterstützung für Arbeitgeber gebe es da nicht. Vier der 260 Mitarbeiter hatten bereits einen Schlaganfall erlitten Aber irgendwie kriegt man es in Herzebrock-Clarholz gemeinsam hin. Da Poltrock wegen linksseitiger Einschränkungen im Sichtfeld noch nicht wieder Auto fährt, bringt seine Frau ihn morgens zur Arbeit. Der Rückweg von Herzebrock-Clarholz mit öffentlichen Verkehrsmitteln – erst mit der Bahn nach Gütersloh, dann nach Brackwede, schließlich mit dem Haller Willem nach Borgholzhausen – ist eine kleine Odyssee und dauert anderthalb Stunden. Schreibtische kann Poltrock noch nicht tragen, aber da springen dann Kollegen ein. &bdquo;Abends bin ich dann rechtschaffen müde.“ Lesen Sie auch: Familienunternehmen im Kreis Gütersloh ist verkauft – das sind ab jetzt die neuen Chefs Von 260 Mitarbeitern bei Lübbering haben vier bereits einen Schlaganfall erlitten. &bdquo;Sie sind alle ein wertvoller Teil unseres Teams. Und dann werden halt manchmal mehr kleine gelbe Zettel geschrieben, wenn das Kurzzeitgedächtnis nicht mehr so mitspielt“, ist der Chef, der selbst vor einigen Jahren einen Herzinfarkt hatte, pragmatisch. Zum Welt-Schlaganfalltag ist es eine gute Gelegenheit, noch einmal daran zu erinnern, dass beim Schlaganfall jede Sekunde zählt. &bdquo;Wir bieten jetzt den bekannten FAST-Test auch als App an“, wirbt Mario Leisle. Dankbar für schnelle Reaktion seiner Frau und die medizinische Hilfe FAST, das steht für Face (Gesicht): Die Person wird aufgefordert, zu lächeln oder die Stirn zu runzeln, Arms (Arme): Die Person soll beide Arme ausstrecken und dann die Handflächen umdrehen, Speech (Sprache): Die Person soll einen einfachen Satz nachsprechen und Time (Zeit): Die Person oder Angehörige werden nach der Dauer der bestehenden Symptome gefragt. Matthias Poltrock ist froh, dass seine Frau damals so schnell reagiert hat und er sehr gute medizinische Hilfe erfahren hat. &bdquo;Ohne die vielen tollen Menschen wäre ich jetzt nicht da, wo ich jetzt bin – wieder in voller Arbeit“, sagt er. Sowohl an seinem Arbeitsplatz in Herzebrock-Clarholz als auch in seinem Atelier.

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