Was muss sich im Kreis Gütersloh verbessern? Hagedorn und Co. sprechen über Visionen

Kreis Gütersloh. Am 1. November beginnt die neue Legislaturperiode in Nordrhein-Westfalen. Nur wenige Tage später nehmen auch die neu gewählten Stadträte in den Kommunen des Kreises Gütersloh ihre Arbeit auf. Der neue Kreistag kommt am 3. November zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Mit dem politischen Neustart stellen sich zentrale Fragen: Was muss geschehen, damit der Kreis Gütersloh zukunftsfähig bleibt? Wo besteht Verbesserungsbedarf – und was fehlt bislang? Wir haben Vertreterinnen und Vertreter der Stadtgesellschaft um ihre Einschätzungen gebeten. Thomas Hagedorn, Michel Gwosdek und Gabriele Conert präsentieren ihre Ideen, Lösungen und Visionen – auch als Impuls und Inspiration für die neuen Mandatsträger im Kreis Gütersloh. Und auch Sie sind gefragt: Was sind Ihre Vorschläge für einen zukunftsfähigen Kreis Gütersloh? Schreiben Sie uns an guetersloh@nw.de Thomas Hagedorn: &bdquo;Zeit, weniger zu debattieren - und einfach zu machen“ Mir ist wichtig, dass Gütersloh nicht nur Industriestandort bleibt, sondern auch ein Ort, an dem junge Menschen Perspektiven haben. Dabei spielt der Sport eine zentrale Rolle: Er bringt Kinder und Jugendliche zusammen, vermittelt Werte wie Teamgeist und Fairness und fördert Integration. Fußball ist dafür ein gutes Beispiel – aber am Ende geht es um den Jugendsport insgesamt. Hier kann Politik ganz konkret ansetzen: durch die Sanierung und den Ausbau von Sportstätten, durch mehr Unterstützung für Vereine, die Jugendarbeit und Integration leisten, oder durch eine engere Zusammenarbeit von Schulen und Vereinen. So wird Sport noch stärker zum Motor für Zusammenhalt, Integration und Gesundheit. Gleichzeitig müssen wir es schaffen, Lebensqualität und Arbeitsplätze gleichermaßen zu sichern – das hält unsere Stadt attraktiv für Fachkräfte, Familien und Investoren. Weniger Komplexität bedeute mehr Tempo, meint Hagedorn Was mir Sorgen macht, ist der massive Investitionsstau in der Infrastruktur. Viele Straßen und Brücken sind renovierungsbedürftig, Bauprojekte für dringend benötigten Wohnraum stocken, Schulen und Kitas warten auf Sanierung oder Neubau. Wenn wir hier schneller werden wollen, brauchen wir vor allem eines: weniger Bürokratie. Genehmigungen müssen einfacher und digitaler werden, Fördergelder verlässlicher und Verfahren planbarer. Dann würden Projekte endlich schneller sichtbar vorangehen. Dazu gehört auch, dass wir Vergabeverfahren vereinfachen. Weniger Komplexität bedeutet mehr Tempo – nur so schaffen wir es, dass die dringend nötigen Investitionen aus den aktuellen Infrastrukturpaketen genutzt und Bauprojekte zügig umgesetzt werden. Es braucht einen klaren Umsetzungswillen. Lesen Sie auch: Gütersloher Unternehmer Thomas Hagedorn gründet neue Stiftung - das steckt dahinter Gleichzeitig sollten wir vorhandene Flächen besser nutzen, statt immer neue auszuweisen. Ein gutes Beispiel sind alte Kasernenflächen: Daraus ließen sich moderne Gewerbegebiete, Wohnraum oder öffentliche Einrichtungen entwickeln. Das spart Fläche, macht die Stadt attraktiver und zeigt, wie wir aus Bestehendem etwas Neues schaffen können. Wirtschaft und Stadt sollten enger zusammenarbeiten, fordert er Mir ist außerdem wichtig, dass Wirtschaft und Stadt noch enger zusammenarbeiten. Die Unternehmen hier bringen viel Expertise und Erfahrung mit – das sollten wir nutzen. Aus Fehlern der Vergangenheit können wir lernen. Und wir brauchen mutige neue Anreize, die Arbeit und Leben attraktiver machen – auch wenn vieles auf Bundesebene entschieden wird, kann die Stadt solche Ideen aufgreifen und unterstützen. Mein Impuls für die Zukunft unserer Stadt: Es ist Zeit, weniger zu debattieren – und einfach zu machen. Wir müssen anpacken, schneller in die Umsetzung kommen und die Kräfte aus Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Gesellschaft enger bündeln. Dann kann Gütersloh nicht nur Industriestandort bleiben, sondern auch ein Ort werden, an dem die nächste Generation gut leben und groß werden kann. Zur Person: Thomas Hagedorn ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Hagedorn Unternehmensgruppe. Michel Gwosdek: &bdquo;Jede Bürgerin und jeder Bürger hat Anteil an der Stadt“ Ich bin überzeugt, dass wir uns in der Stadt als Kollektiv begreifen müssen. Jede Bürgerin und jeder Bürger hat einen Anteil an der Stadt. Wenn wir in allem unterschiedlich sind, sind, haben wir eines gemein: Wir sind alle Rheda-Wiedenbrücker. Ob wir das wollen oder nicht.Mein Wunsch ist, dass wir es schaffen, das eines Tages zu begreifen. Nicht als Heile-Welt-Gedanke, sondern als Selbstverständlichkeit. Dazu gehört logischerweise, dass Menschen dazukommen und Menschen gehen. Das ist völlig normal, passiert schon immer überall und wird auch immer überall so geschehen. Zu begreifen, dass auch Migration normal ist und wir uns darauf konzentrieren müssten, uns zu einigen gescheit damit umzugehen, anstatt Menschen nur irgendwie zu sortieren. Und dass eine Einigung niemals absolut oder gar perfekt sein kann, sondern sich alles jeden Tag verändern kann. Es benötigt mehr Begegnung und Austausch, konstatiert Gwosdek Das ist ein Ziel, von dem wir noch sehr, sehr weit entfernt sind. Und auch das ist normal. Allerdings ist die Ausgangslage in unserer Stadt verhältnismäßig optimal. In unserer Stadt kommen wir alle gut miteinander aus. Man verständigt sich, man geht einigermaßen anständig miteinander um. Wir haben alle Möglichkeiten. Eine Grundidee: Es gibt so viele Begegnungspunkte und Austauschformate. Dennoch sollten wir daran arbeiten. Wir brauchen mehr Begegnung. Mehr Austausch. Selbstverständliche Beteiligung derjenigen, über die gesprochen wird. Formate, in denen auch Probleme gemeinsam, am besten lösungsorientiert besprochen werden. Etwas konkreter: Ein zentral gelegenes Kulturzentrum wäre eine Bereicherung für die Stadt. Für ein gesünderes Miteinander. Für Lebenszeichen in der Innenstadt. Für zahlreiche ehrenamtlich Engagierte. Für die Entlastung anderer Räume. Was es dafür bräuchte? Einen Raum, der einfach möbliert werden kann, und eine Stelle, die den Raum verwaltet. Ideen und deren Umsetzung benötigen Öffentlichkeit, fordert er Das führt automatisch zu einer zweiten Idee, die auch schon einmal politisch beschlossen war, aus Spargründen aber leider wieder verworfen werden musste: Eine Ehrenamtskoordinationsstelle. Für einen echten Überblick über das lokale Angebot. Als Angelpunkt für Engagierte. Als Anlaufstelle für potenzielle Engagierte. Als Motivator und Ratgeber für die, die ihre Energie für den Ort geben (wollen). Was noch? Es gäbe noch Tausende weitere Ideen, die man sammeln kann (man denke an individuelle Sprachvermittlung und -nutzung, Betreuung, Pflege, Rassismusprävention, Kulturveranstaltungen, Wohnungsmarkt, Unternehmensgründungen, Unterstützung der Schulen, Schwimmkurse, Fahrradkurse, mehrsprachige Angebote, . . .). Einige davon werden bereits mal mehr, mal weniger erfolgreich angegangen. Die Gestaltung und Umsetzung hängt eben von Möglichkeit und Willen ab. Von jedem Menschen. Ideen und deren Umsetzung benötigen außerdem übrigens auch Öffentlichkeit. Mehr Leute müssen generell erfahren, wo und wie sie sich einbringen können. Vielen ist gar nicht bewusst, wie viel man positiv mitgestalten. Häufig sehr niedrigschwellig. Zur Person: Michel Gwosdek ist Vorsitzender des Rheda-Wiedenbrücker Integrationsrates und im Vorstand des Vereins Willkommen in Rheda-Wiedenbrück, einem Verein, der ankommende Geflüchtete unterstützt. Gabriele Conert: &bdquo;Wenn es hier gut werden soll, braucht’s Herz, Hirn und Humor“ Wenn ich durch Gütersloh laufe, fällt mir am meisten auf, dass die Stadt sehr schmuddelig geworden ist. Es wird gefegt, aber kärchern wäre sinnvoller. Wir hatten ja schon verschiedene &bdquo;Claims“: &bdquo;Industriestadt im Grünen“, &bdquo;Zentrum mit Herz“, &bdquo;Gütersloh. Viel besser als gar nicht so schlecht“. Im Moment erkenne ich nichts, wofür diese Stadt steht. Dass sie Kreisstadt eines doch eigentlich sehr schönen Kreises ist und dass das hier ein Ort ist, auf den die Menschen, die hier leben, stolz ?sind, das erkenne ich am wenigsten. Es fehlt einfach an Profil. Auch wenn die Gedanken aus der Zentrenanalyse? gut sind, nützt es wenig, wenn sie nicht in der Stadt erlebbar sind. Ich würde auch die Politiker gerne im normalen Alltag so oft in der Stadt sehen wie in Zeiten des Wahlkampfes. Dann würden sie auch mehr mitbekommen von Schaufenstern, die zugeklebt sind, Schmuddelecken, etc. Wenn man Menschen mitnehmen möchte, muss man sie auch treffen – nicht nur Samstag zwischen 11 und 14 Uhr. Es brauche Politiker, die sich mehr in der Stadt aufhalten würden Und wenn man die Strafen, die auf weggeschmissene Kippen, ausgespuckte Kaugummis und weggeworfene Dinge zulässig sind, wirklich mal eintreiben würde, hätte man einen ordentlichen Geldbetrag, den man für Stadtverschönerung ausgeben könnte. Lesen Sie auch: Sie ist seit 25 Jahren die McDonald’s Burger-Queen im Kreis Gütersloh Für den Angebotsmix in der Stadt ist Politik nicht verantwortlich, das regelt der Markt. Aber man könnte versuchen, Leerstände einem mit interessantem Mix zu beleben. Das klappt ja in der Kökerstraße schon wunderbar, aber innenstadtnäher wäre es sicher noch spannender. Das könnte auch mal ein Politiker-Herzensprojekt werden. Ich glaube wirklich, dass es einfach auch Politiker braucht, die sich eben mehr in der Stadt aufhalten würden als in Partei- und Rathauszimmern. Nicht das Beste der Bürger wollen, sondern das Beste für unsere Bürger und die Stadt, dem Menschen hier ehrlich zugewandt und wie sagt man so schön: der Lebensfreude verpflichtet. Landesgartenschau in Gütersloh als ein Herzenswunsch Wenn es gut werden soll hier in &bdquo;Chütsel“ brauchts &bdquo;Herz, Hirn und Humor“ und mehr Gespräche. Auch wenn es global sicher harte Zeiten sind, muss man es sich nicht gerade dann lokal so schön wie möglich machen. Und bei schön machen hätte ich noch einen Herzenswunsch: eine Landesgartenschau in Gütersloh. Nicht immer nur kommunizieren, was nicht geht, sondern fröhlich und partnerschaftlich daran arbeiten, dass es geht. Zur Person: Gabriele Conert ist Franchisenehmerin der McDonalds-Filialen in Gütersloh und Rheda-Wiedenbrück und im Vorstand des Vereins Klimaoase Gütersloh.

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