Gütersloher beklaut wegen Spielsucht seine eigene Familie: „Schäme mich jetzt dafür“

Gütersloh. Sie bleibt lange unentdeckt und zerstört dennoch Leben: die Glücksspielsucht. Laut dem Glückspielatlas 2023 sind in Deutschland etwa 1,3 Millionen Menschen betroffen – überwiegend Männer. Was als harmloser Zeitvertreib beginnt, kann schnell zum finanziellen Ruin und zum Zerfall ganzer Familien führen. Der bundesweite Aktionstag gegen Glücksspielsucht am 24. September 2025 will deshalb das Bewusstsein für diese unterschätzte Gefahr schärfen. Denn obwohl die Suchtmechanismen denen von Alkohol oder Drogen ähneln, werden die verheerenden Folgen der Glücksspielsucht oft verkannt. &bdquo;Die Glücksspielsucht hat die höchste Suizidrate aller Suchterkrankungen“, sagt Psychotherapeutin Svenja Frensemeier von der LWL Bernhard-Salzmann-Klinik. &bdquo;Ein entscheidendes Merkmal ist ein unwiderstehlicher Drang zu spielen“, erklärt Suchttherapeut Vedat Karasu, der ebenfalls in der LWL-Klinik tätig ist. Der Alltag der Betroffenen wird vollständig vom Glücksspiel überlagert. Sie fragen sich ständig, wann sie das nächste Mal spielen können und woher sie das Geld bekommen, falls sie gerade keines haben. &bdquo;Das Spielverhalten wird dabei meist verheimlicht, geleugnet oder verharmlost“, erläutert Karasu die Grundlagen der Glücksspielsucht. Wie bei stoffgebundenen Süchten, wie beispielsweise Alkohol, tritt auch hier eine Toleranzentwicklung ein: Die Einsätze müssen immer höher werden. Ein entscheidender Unterschied zu Alkohol- oder Drogensucht ist allerdings das fehlende Sättigungsgefühl. Der Rausch endet oft erst, wenn das gesamte Geld aufgebraucht ist. Lesen Sie auch: Drei Flaschen Schnaps pro Tag: Ex-Suchtpatient arbeitet jetzt als Koch in Gütersloh Digitalisierung verschärft das Problem Die moderne Technik hat die Glücksspielsucht noch gefährlicher gemacht. Live-Wetten im Sport ermöglichen es, bis zur letzten Sekunde zu setzen. Besonders tückisch: die Illusion, mit Fachwissen könne man leicht gewinnen. Dazu kommt die massive Präsenz von Wettanbietern als Hauptsponsoren großer Sportvereine. Namen wie BWIN und Tipico sind allgegenwärtig und normalisieren das Glücksspiel. &bdquo;Betroffene denken sich: Wenn die Vereine und Veranstalter dafür werben, kann das ja nicht so schlimm sein“, beobachtet Frensemeier. Karasu sieht ein gesellschaftliches Problem: &bdquo;Das Bewusstsein für die enormen Schäden, die Glücksspiel anrichtet, ist noch nicht richtig angekommen.“ Online-Casinos und Apps machen das Spielen rund um die Uhr möglich – bequem von zu Hause aus, ohne dass jemand etwas mitbekommt. Gütersloher wird wegen seiner Sucht kriminell Das, was die beiden Experten beschreiben, hat Dennis A. selbst erfahren. Seinen Namen hat die Redaktion auf seinen Wunsch hin geändert. Dennis selbst ist Patient in der Bernhard-Salzmann-Klinik und ist spielsüchtig. Angefangen habe das alles als eine &bdquo;harmlose“ Freizeitbeschäftigung mit Freunden. Immer wieder sei man in Bars, Kneipen oder Spielhallen unterwegs gewesen und habe hier und da mal eine Sportwette platziert. Doch mit der Zeit wurden die Wetten riskanter und die Zeit, die er an den Automaten in der Spielhalle verbrachte, länger. &bdquo;Das war ein schleichender Prozess, den ich so gar nicht wahrgenommen habe“, berichtet er. Nach einiger Zeit ging ihm dann das Geld aus. &bdquo;Ich habe sehr viel verloren und habe dann angefangen, mir das Geld auf andere Art und Weise zu besorgen“, sagt Dennis. Binnen kurzer Zeit beging er mehrere Straftaten und landete vor Gericht. 23 Betrugsfälle werden ihm damals zur Last gelegt. Die Konsequenz: eine Bewährungsstrafe. &bdquo;Das war ein Warnschuss, den ich zu der Zeit nicht verstanden habe“, sagt Dennis. Er machte weiter, bestahl sogar seinen eigenen Onkel. &bdquo;Ich schäme mich jetzt dafür, aber in dem Moment hat mich mein Onkel nicht interessiert.“ Die Konsequenzen waren drastisch: sechs Jahre Gefängnis. Erst in der Haft, ohne jegliche Ablenkung, musste er sich seiner Sucht stellen. Dennis beschreibt dies als einen &bdquo;krassen Prozess“, der ihn zwang, das Leben und seine Möglichkeiten völlig neu zu bewerten. Wie Warnsignale erkannt werden können Die Behandlung der Glücksspielsucht hat mit zahlreichen Problemen zu kämpfen. &bdquo;Im Vergleich zu Drogen- oder Alkoholsucht wird für die Glücksspielsucht eine viel kürzere Behandlungsdauer von oft nur zehn Wochen genehmigt, obwohl der Bedarf oft deutlich höher ist“, berichtet Frensemeier. Des Weiteren weist sie darauf hin, dass es im Gegensatz zu anderen Süchten keine vorherige Entgiftung gibt. Patienten müssen sich in der Therapie mit den Entzugserscheinungen wie Nervosität, Angst und Wut auseinandersetzen, während sie versuchen, sich auf die eigentliche Therapie einzulassen. Lesen Sie auch: Mutiger Ex-Alkoholiker im Kreis Gütersloh spricht offen über gefährliche Sucht Ein weiteres großes Problem sei die fehlende rechtliche Grundlage für eine Therapie anstelle einer Strafe. Während Drogensüchtige durch Paragraf 35 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) die Chance darauf haben, dass ihre Freiheitsstrafe zugunsten einer Suchttherapie zurückgestellt wird, bleibt Spielsüchtigen eine solche Möglichkeit verwehrt. Glücksspielsucht bleibt oft lange im Verborgenen. Für Angehörige ist es daher schwierig, die Anzeichen zu erkennen. Svenja Frensemeier nennt dazu einige Warnsignale: unerklärlicher Geldverlust, Lügen und Verheimlichung sowie eine Veränderung der Persönlichkeit. &bdquo;Die Sucht verändert die Wesenszüge“, fügt Karasu hinzu. Experten raten Angehörigen dringend, sich an spezialisierte Beratungsstellen zu wenden. &bdquo;Veränderung tritt nur ein, wenn der Betroffene selbst dazu bereit ist“, betont Karasu. In Gütersloh können sich Betroffene und Angehörige Hilfe bei der Suchtberatung des Kreises Gütersloh holen. Erreichbar ist die Suchtberatung per Mail oder telefonisch unter der 05241 851718.

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