Gütersloher Traditionsgeschäft muss nach 70 Jahren aufgeben – es hat das Stadtbild geprägt

Gütersloh. Eigentlich bietet das 70-jährige Bestehen eines Geschäfts einen guten Grund zu feiern. Doch beim alteingesessenen Gütersloher Malerbetrieb von Siegfried Seidel an der Kronenstraße im Stadtteil Pavenstädt herrscht aktuell eher Endzeitstimmung. &bdquo;Wir zählen die Tage, denn im Oktober drehen wir den Schlüssel um“, sagt der 69 Jahre alte Malermeister. Aus Altersgründen und mangels Nachwuchs gibt er sein kleines, aber traditionsreiches Geschäft auf. Es ist der traurige Abschied von einem Betrieb, der über lange Jahre auch ein wenig das Stadtbild von Gütersloh mitgestaltet hat. Denn Siegfried Seidel und sein Geselle Ralf Sobisch, der schon seit 37 Jahren im Betrieb mitarbeitet, haben nicht nur die Wünsche ihrer Privatkunden erfüllt, sondern oft auch im offiziellen Auftrag der Stadtverwaltung gearbeitet. 69-Jähriger &bdquo;möchte noch etwas haben vom Ruhestand“ &bdquo;Ich hätte auch gerne noch zwei bis drei Jahre weiter gemacht, aber irgendwann ist es mal genug. Man wird ja nicht jünger“, erklärt Seidel. Seit einer Hüftoperation vor einigen Jahren ist er nicht mehr im operativen Geschäft tätig. Er habe &bdquo;die weiße Hose beiseitegelegt“ und sich fortan vermehrt um Kalkulation und Rechnungen gekümmert. Aufgrund eines stillen Herzinfarktes vor einigen Monaten muss sich der Malermeister im September einem weiteren Eingriff unterziehen. &bdquo;Ich werde nächstes Jahr 70 Jahre alt und möchte noch etwas haben von meinem Ruhestand“, begründet der passionierte Motorradfahrer die Entscheidung zur Geschäftsaufgabe. Lesen Sie auch: Erfolgreiches Gütersloher Geschäft schließt nach mehr als 30 Jahren - Nachfolger gesucht Nach einem Nachfolger hat Siegfried Seidel vergeblich Ausschau gehalten. Somit bliebe ihm nur, den Betrieb einzustellen. Das könne er ruhigen Gewissens tun, sagt er, zumal sein Mitarbeiter eine andere Stelle bei einem Betrieb in Rheda-Wiedenbrück gefunden hat. 1976 trat der Sohn unverhofft in die Fußstapfen des Vaters In wenigen Wochen endet nun ein Stück Gütersloher Handwerksgeschichte. Siegfried Seidels Vater Gerhard hob das kleine Malergeschäft im Jahr 1955 aus der Taufe. &bdquo;In den Anfängen transportierte er die Leiter, Farben und sonstige Utensilien auf einem Motorrad mit Anhänger“, erinnert sich der Sohn, der 1976 unverhofft von jetzt auf gleich in die Fußstapfen seines Vaters treten musste. Nach dem Tod von Gerhard Seidel führte der Sohn gemeinsam mit Mutter Margarete den Betrieb weiter. Schwierige Zeiten: &bdquo;Normalweise darf nur ein Meister einen Betrieb führen, aber aufgrund des sogenannten Witwenprivilegs, nach dem eine Frau das Geschäft ihres verstorbenen Mannes ein Jahr leiten durfte, konnten wir weiter machen“, erinnert sich Siegfried Seidel. Dass sein Leben von Farbe und Pinsel bestimmt werde, sei ohnehin so vorgesehen gewesen. &bdquo;Das war von Anfang an klar, denn schon als kleiner Junge habe ich meinem Vater immer geholfen.“ Als 15-Jähriger beginnt der Gütersloher 1970 eine dreijährige Lehre. Später muss er zum Militär. Er ist eine Zeit lang als Leopard-Panzerfahrer für die Bundeswehr in England tätig. Siegfried Seidels Dank gilt seinen langjährigen Kunden Dann die Rückkehr. &bdquo;Mit 23 Jahren habe ich meinen Meister gemacht“, erzählt Siegfried Seidel. Die Prüfung darf er seinerzeit aufgrund des Todes seines Vaters mit einer Sondergenehmigung ablegen, um die Geschäfte fortführen zu können. Als 1995 auch seine Mutter stirbt, übernimmt er als alleiniger Betriebsleiter die Geschicke. Mehr als ein halbes Jahrhundert hat sich der Gütersloher mit dem Traditionsbetrieb nun um Malerarbeiten aller Art, Fassadenbeschichtungen und Fußbodenbeläge gekümmert. Dabei hat er etliche Kunden gewonnen, die ihm über Jahre treu geblieben sind. &bdquo;Aber auch diese werden weniger. Bei ihnen möchte ich mich natürlich bedanken“, sagt der 69-Jährige. Noch mehr Veränderungen in der Stadt: Modediscounter NKD in Gütersloh zieht um: Das wird der neue Standort Vieles an seinem Berufsleben habe ihm Spaß und Freude bereitet. Doch nun ist es für Siegfried Seidel an der Zeit, den Pinsel endgültig an den Nagel zu hängen.

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