Gütersloher Ausnahmetalent: Diese 17-Jährige hat eine seltene Begabung

Gütersloh. Aufgeregt? &bdquo;Nein, eigentlich nicht“, entgegnet Charlotte Neuhaus mit einem Lächeln. &bdquo;Die Nervosität kommt meistens kurz vor dem Auftritt.“ Am Sonntag wird es so weit sein. Die 17-jährige Gütersloherin macht ihre Abschlussprüfung an der Musikhochschule Detmold. Sie hat Geige studiert und wird beweisen, wie gut sie darin ist. Ihr Vorspiel findet im Rahmen eines Konzertes statt und ist öffentlich. Im Mai folgen Prüfungen in Klavier und Musiktheorie. Noch bevor die Gütersloher Schülerin ihr Abitur im Sommer in der Tasche hat, steuert sie ihr erstes Hochschulexamen an. Dass sie es schafft, daran besteht kein Zweifel. Charlotte Neuhaus ist eine Ausnahmeschülerin am Evangelisch Stiftischen Gymnasium (ESG) in Gütersloh. Nur einige wenige wagen das Experiment, schon während der Schulzeit ein Juniorstudium aufzunehmen. Eine Mitschülerin studiert Gesang, eine andere Chemie - die Zahl derjenigen, die ein solches Unterrichtspensum schaffen, ist überschaubar. Gütersloherin übt zwei bis drei Stunden pro Tag Uni und Abi gleichzeitig? &bdquo;Ja, das ist schon viel“, stellt Charlotte Neuhaus fest. Mittwochs fährt sie nach der Schule mit dem Zug nach Detmold und wird von Professorin Maria-Elisabeth Lott unterrichtet. &bdquo;Alle zwei Wochen findet samstags Musiktheorie statt“, dazu kommen etwa alle sechs Wochen ein komplettes Probenwochenende und wöchentliche Klavierstunde mit Professor Peter Kreutz. Weil der auch in Gütersloh wohnt, spart das die Fahrt nach Detmold. Wenn Charlotte keinen Unterricht hat, übt sie. &bdquo;Zwei bis drei Stunden pro Tag.“ Weil die Schultage am ESG oft lang sind, mitunter erst nach der 9. Stunde um 16 Uhr enden, hat sie längere Tage als so mancher erwachsener Arbeitnehmer. Schulaufgaben kommen schließlich noch dazu. Und den Führerscheint macht die 17-Jährige gerade auch noch nebenbei. Wie das zu schaffen ist? Charlotte zuckt die Schultern, blickt freundlich mit ihren hellblauen Augen und sagt schlicht: &bdquo;Es geht irgendwie.“ Drei Wochen auf Konzerttournee in Deutschland und Großbritannien Charlotte Neuhaus spielt im Bundesjugendorchester, die Konzerttournee ist gerade frisch beendet. &bdquo;Im Januar waren wir drei Wochen unterwegs“, los ging es in Wien, drei Konzerte quer durch Deutschland und anschließend mehrere Auftritte in Großbritannien. Von der Schulpflicht ist sie in solchen Phasen befreit. Den verpassten Unterrichtsstoff muss sie nachholen. Auch das, sagt Charlotte, geht irgendwie. Das Lernen falle ihr leicht. So richtig viel büffeln müsse sie nicht für die Schule. &bdquo;Da habe ich echt Glück“, sie kenne andere Juniorstudenten, bei denen es in der Schule nicht gut laufe. 13 Jungstudenten kommen an der Musikhochschule Detmold zusammen, teils von weit her. &bdquo;Es macht total viel Spaß. Wir sind alle etwa gleich alt.“ Familie Neuhaus macht ordentlich Krach. Alle vier Kinder spielen Musikinstrumente: Cello, Trompete, Schlagzeug, Posaune - und Charlotte mit der Geige. &bdquo;Meine Mutter spielt Klavier und ist Musiklehrerin an einer Schule.“ Der große Traum der Gütersloherin: Die Berliner Philharmoniker Mit fünf Jahren begleitet Charlotte einen Kumpel aus dem Kindergarten zum Geigenunterricht. Reine Neugierde, wie sie sagt. Oder doch Schicksal? &bdquo;Dass das eine so gute Entscheidung war, konnte damals noch keiner wissen.“ Sie erhält Unterricht bei der Kreismusikschule Gütersloh. Ihre Lehrerin vermittelt sie schon mit elf Jahren nach Detmold zu Professorin Lott. 2023 schafft Charlotte Neuhaus die Aufnahmeprüfung fürs Juniorstudium. &bdquo;Seit ich 14 bin, steht für mich fest, dass ich Musik zu meinem Beruf machen werde.“ Ihr Ziel? &bdquo;Geige in einem großen Orchester zu spielen.“ Auf Tournee gehen, durch alle Herren Länder ziehen, der Gedanke gefällt der Schülerin. Ihr Traum? &bdquo;Berliner Philharmoniker oder vielleicht auch die Wiener“, diese beiden Namen auszusprechen fällt ihr schwer, &bdquo;denn wer kommt da schon rein?“ Studienplatz schon vor dem Abitur sicher Ihr Abitur wackelt nicht, das wird klappen - und zwar ohne das Fach Musik als Leistungskurs. &bdquo;Den Musikunterricht in der Schule kann man wirklich nicht vergleichen mit dem was wir an der Uni machen.“ Letzteres sei um ein Vielfaches spannender. Sie ist froh, wenn nach den Osterferien die unterrichtsfreie Zeit für sie beginnt, damit sie sich auf die Abiturprüfung vorbereiten kann. Endlich keine Schule mehr - die ist in Wahrheit ohnehin schon in den Hintergrund gerückt. Ihr Blick richtet sich nach vorn: &bdquo;Dass ich meinen Studienplatz schon vor dem Abi sicher habe, weiß ich zu schätzen.“ Lesen Sie auch: Die Abschlussjahrgänge 2024 im Kreis Gütersloh: Alle Namen und Fotos im großen Überblick Sie hat ihn sich verdient. Fleiß, Disziplin und eine unverkennbare innere Haltung zeichnen die Schülerin aus Gütersloh-Isselhorst aus. Ob sie glaubt, dass sie Talent hat? &bdquo;Ja, ein bisschen schon“, Charlotte Neuhaus erklärt: &bdquo;Ich habe ein absolutes Gehör.“ Sie könne Tönhöhen ohne jegliche Hilfsmittel exakt bestimmen. Eine Begabung, die statistisch gesehen nicht einmal 0,01 Prozent der Menschheit besitzt. Stargeigerin Hilary Hahn als Vorbild &bdquo;Es ist Luxus, dass ich das alles erleben darf“, Meisterkurse, Unterricht, Instrumente, Probenfahrten seien in ihrer Wahrnehmung&bdquo;unfassbar teuer“, und ohne die Unterstützung ihrer Eltern sei das alles nicht möglich. &bdquo;Ich finde es nicht richtig, dass nur Leute mit entsprechenden finanziellen Möglichkeiten die Chance haben, ihre Talente auszuleben. Bestimmt gäbe es viel mehr wie mich“, sagt Charlotte Neuhaus und schiebt nach: &bdquo;Die Teilnehmer des Bundesjugendorchesters stammen alle aus Akademikerhaushalten.“ Nach ihrem Idol befragt, muss sie nicht lange überlegen: &bdquo;Hillary Hahn!“ Im vergangenen Jahr hat sie die Stargeigerin im Dortmunder Konzerthaus live erlebt. Ein Geburtstagsgeschenk. &bdquo;Bei Hilary Hahn merkt man, dass sie als Kind nicht zum Geigeüben gezwungen wurde.“ Es gebe, so Charlotte, viele gute Techniker auf dem Instrument, &bdquo;die können super Geige spielen, aber da kommt nichts rüber.“ Sollte die Aufregung am Sonntag bei Charlotte Neuhaus doch noch zuschlagen, wird sie die Tricks anwenden, die ihr in Detmold beigebracht wurden: &bdquo;Man sollte etwas essen, auch wenn man vor lauter Aufregung das Gefühl hat, dass einem schlecht ist.“ Und dann die Geige für einen kurzen Moment aus der Hand legen und tief durchatmen. Dann kann’s losgehen.

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