Wichtige Einrichtungen vor dem Aus: Weitere Aufschreie in Gütersloh werden folgen

Gütersloh. Vielleicht ist Konsolidierung einfach ein schwieriges Wort. Es klingt zu fern, zu distanziert, zu lateinisch. Was, so denkt der Bürger, habe ich mit Konsolidierung zu tun? Wieso sollte mich das interessieren? Nun, seit ein paar Tagen weiß er, warum. Denn jetzt wird es konkret. Jetzt liegen Themen auf dem Tisch, mit denen der Bürger was anfangen kann. Wie bitte, es kann passieren, dass ich in der Kita keine 45-Stunden-Betreuung für mein Kind bekomme? Meinem schwierigen Junior geht der Streetworker verloren, derjenige, der noch am ehesten einen Draht zu ihm hat? Die Schulsozialarbeiterin kommt nur noch sporadisch in die Klasse meiner Tochter, weil sie in ihrer Arbeitszeit nicht mehr für 300, sondern für 350 oder gar 400 ein Ohr frei haben muss? Der Jugendtreff bei uns im Stadtteil macht zu? Der Übergangscoach, der uns doch beraten sollte, wie es nach der Schule weitergehen soll, hat keine Termine mehr frei, weil ihm sein Kollege abhandengekommen ist? Und so weiter. Es schmerzt, diese Liste mit Sparvorschlägen zu lesen. Kein einziges der Angebote, die darauf stehen, ist überflüssig. Stadt Gütersloh grübelt über Sparmaßnahmen Im Gegenteil, versichert die Stadt. Sie garantierten vielmehr einen Standard an Betreuung, der fachlich zwingend geboten sei – heute mehr als noch vor Jahren, morgen mehr als heute. Und ausgerechnet hier sollen unsere Ratspolitiker als Erstes den Rotstift ansetzen? Seit Monaten sitzen die Spitzen der Fraktionen mit Fachleuten der Verwaltung in Klausuren. Sie haben sich manches Wochenende um die Ohren geschlagen, haben in einer Runde verhandelt, die sich Arbeitskreis Haushaltskonsolidierung, kurz: AKHHK nennt. Die Öffentlichkeit verfolgte das nur mit mäßigem Interesse – zumal diese Klausuren hinter verschlossenen Türen tagen. Nur einmal, Mitte Oktober, drang etwas nach außen. Die &bdquo;NW“-Redaktion erreichte eine Liste, auf der 287 Vorschläge standen. Höhere Hundesteuer, höhere Kursgebühren bei der VHS, Ausbau der Geschwindigkeitsmessung (&bdquo;Blitzen“), Abschalten der Wasserspiele in der Innenstadt, weniger Ersatzpflanzungen in Parks, höhere Parkgebühren, Kürzen der Mittel für Gebäudesanierung, etc. Aufregung über Einschnitte in Gütersloh ist groß Die &bdquo;NW“ berichtete einmal, sie berichtete zweimal. Reaktionen? Mau. Vielleicht lag es am frühen Zeitpunkt, vielleicht am sperrigen Namen. Wen schert schon, was ein AKHHK so im Sinn hat? Öffentliche Aufregung, so scheint es, schwillt immer erst dann, wenn die Angelegenheit so konkret wird, dass sie zu entscheiden ist – wenn sie in den Ratssaal gelangt, wenn dazu Sitzungsunterlagen vorliegen, auf denen zum Beispiel steht, dass das Parken auf dem Marktplatz fortan vier statt einen Euro kosten soll. Dann aber bricht der Sturm der Empörung umso lauter los. Aktuell sind es die drohenden Einschnitte in der Jugend- und Sozialarbeit, die aufregen. Nachvollziehbar. Wenn ein erfahrener und Sparrunden-gestählter Fachbereichsleiter sagt, derlei habe er in mehr als 20 Jahren Arbeitsjahren nicht erlebt, diesmal gehe es um es eine Dimension, die das Potenzial habe, mühsam aufgebaute Hilfsstrukturen unwiederbringlich zu zerstören, dann ist das ernst zu nehmen. Kaum hatte er das gesagt, kam am Freitagmorgen der nächste Rückschlag: Auch die Schulmediotheken sollen gefleddert werden, desgleichen die Schulbudgets. Von außen entsteht der Eindruck: Vor allem der Jugend wollen sie an den Kragen. Wie können sie nur? Als sei die Jugend nicht schon unter Corona um wertvolle Jahre gebracht worden, als hätten sie es nicht schwer genug, dereinst gesicherte Familienexistenzen aufzubauen! In Gütersloh werden weitere Aufschreie folgen Doch das täuscht. Der Eindruck ist in diesem Fall der Beratungsfolge geschuldet: Der Jugendhilfeausschuss war der erste, der nach der Winterpause tagte, der erste nach Einbringung des Haushaltsentwurfes kurz vor Weihnachten. Wenn demnächst der Ausschuss für Ausschuss für Familie und Senioren tagt, der für Kultur und Weiterbildung und der für Umwelt und Grünflächen, wird es weitere Aufschreie geben. Auch sie berechtigt. Politiker zu sein, ist nie einfach, in diesen Tagen schon gar nicht. Was ist wichtiger, der vollständige Erhalt der Schulsozialarbeit oder der Verzicht auf Ersatzbäume entlang der Straßen? Dem einen mag dieses näher am Herzen liegen, dem anderen das andere. So oder so regt sich Protest. Was die Politiker und die Bürger dieser Tage einholt, sind nicht nur die stotternde Konjunktur und eine mäßig sprudelnde Gewerbesteuer. Es sind auch die Sünden der Vergangenheit. Lange, zu lange hat die Stadt über ihre Verhältnisse gelebt. Sie hat Geld ausgegeben, das sie nicht hatte, sie hat Standards erreicht, die sie sich nun nicht mehr leisten kann. Das zurückzudrehen, fällt naturgemäß schwer. Ungemütliche Zeiten für Gütersloher Fraktionen Vor einigen Jahren, 2007 bis 2009, durchlief die Stadt eine ähnlich schmerzhafte Prozedur. Es war die Zeit, in der sie sich ein Beratungsbüro an die Seite holte, Rödl & Partner. Gnadenlose Haushaltssanierer, die es sich leisten können, missliebige Vorschläge zu unterbreiten, weil sie sich um den Scherbenhaufen nicht kümmern müssen, wenn sie danach weiterziehen. Lesen Sie auch: Gütersloh muss dringend sparen – wen es jetzt besonders hart treffen wird Rödl & Partner, das war in Gütersloh die Zeit der Benutzungsgebühr für Sporthallen, der Lücken in den Baumreihen, der Schließung von Spielplätzen, der Streichung von Stellen. Es hagelte Proteste, nicht nur vom Stadtsportverband. Diesmal haben es sich die Fraktionen vorgenommen, ohne Agentur auszukommen. Sie wollen das Steuer in der Hand behalten und das Abrutschen in eine Haushaltssicherung, die ihnen dieses Steuer aus der Hand risse, partout vermeiden. Dafür stellen sie sich in den Wind. Gemütlich ist das für niemanden.

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