
Gütersloh. „All Stars“? Das klang als Bandname dann doch zu dick aufgetragen, als eine Gruppe befreundeter Gütersloher Profimusiker vor drei Jahrzehnten ein Benefizkonzert für die einmal mehr ins Schlingern geratene Weberei machen wollte. Daher nannte man sich in bescheidener Unbescheidenheit „smAllStars“.
Ganz so, als hätten Sie damals schon geahnt, dass sie in ihrer Heimatstadt zu einer Institution werden würden – fast so unverrückbar wie die besondere Zeit, in der sie traditionell auftreten – zwischen Weihnachten und Neujahr. Längst sind die „Small Stars“ Kult. Doch an diesem Silvesterabend treten sie ab. Das Ende einer Ära heimischer Musikgeschichte.
Es ist eine musikalische Ära, wie sie sich vielleicht nur in der Provinz ereignen kann. Weil nur in einer Stadt wie Gütersloh einerseits genügend Begabung und Kreativität vor Ort ist, anderseits aber auch wenig äußerer Druck herrscht, sodass genügend Zeit bleibt, um das eigene Potenzial zu entwickeln und auf immer neue Weise auszuschöpfen. Denn einen Kultstatus muss man sich erarbeiten, der wird einem nicht geschenkt. Und den haben sich die „Small Stars“ durch mehr als 100 Konzerte in den vergangenen 30 Jahren mehr als verdient.

Prominente Geburtstagsgrüße zum Revival
Der Impuls ging damals von Achim Meier aus. Der Keyboarder hatte sich irgendwann an seine Rockvergangenheit mit den Kollegen Gerry Spooner und Fred und Klaus Brachmann erinnert. Zwei Jahre lang, von 1980 bis 1982, hatten sie zusammen unter anderem Hits von Van Morrison, Santana oder Elton John gespielt. Dann brachte der Lauf der Dinge die musikalischen Weggefährten auseinander. Doch nicht für immer.
Wann genau das Revival stattfand? Lange stand das Jahr 1994 fest. Entsprechend war 2019 das Silberjubiläum gefeiert worden, zu dem per Video neben Landrat Adenauer und Bürgermeister Schulz sogar Udo Lindenberg (oder ein sehr gutes Double) und Otto Waalkes (zweifellos der echte) Geburtstagsgrüße sendeten. In Ottos Band spielte Mickey Meinert Gitarre. Auch er ein Mann der ersten Stunde. Und die soll, neueren eigenen Forschungen zufolge, bereits 1993 geschlagen haben.
Im besagten Jubiläumsvideo wurde auch schon das 50-jährige Bestehen 2044 angekündigt. Dazu soll es nun nicht kommen. Aufhören, wenn es am schönsten ist, lautet offenbar die Devise. So sieht es Achim Meier. Er und die anderen Bandmitglieder wissen um den Kultstatus der Veranstaltung und möchten auf dem Höhepunkt – mit einer Serie von sechs ausverkauften Konzerten – aufhören.
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Wegen ungenügender Leistungen ins Gefängnis?
Die Anfänge waren eher bescheiden – mit einem sehr improvisierten Auftritt in der Weberei-Kneipe. „Eher Session, denn Konzert“, wie Achim Meier das bis heutige gültige Konzept zu bezeichnen pflegt. Schon damals bildete sich das Repertoire heraus, auf das auch nach dem Wechsel in den großen Saal und der Ausweitung der Konzerttage nicht verzichtet werden sollte.
Nicht nur, weil es lange Proben ersparte, wozu die Zeit ohnehin nie reichte und weshalb sich die Band sich quasi von Jahr zu Jahr neu erfinden musste. Sondern auch, weil es die Fans so erwarteten. Kein Konzert seitdem ohne Bob Marleys „No Woman, No Cry,“ oder „A Whiter Shade of Pale“ von Procol Harum.
Das brachte den „Small Stars nicht nur Freunde, sondern 2010 auch eine gepfefferte Konzertkritik ein. Auf die die Band 2011 mit viel Selbstironie reagierte: Mit einem Kurzfilm in Tatort-Manier. Der Kern der Truppe, so die unrealistische Story des Films, wandert wegen angeblich ungenügender musikalischer Leistungen ins Gefängnis, worauf sich in der „Alten Heuwaage“ ein Befreiungskommando bildet und die Jungs aus der Zelle holt, sodass sie pünktlich und noch „in gestreift“ auftreten können.

Bekannte Gastmusiker auf der Bühne
Ein Jahr später zeigen die „Small Stars“, dass sie nicht nur die Musik, sondern auch die Kritik dazu selbst am besten hinbekommen. Sie lassen die Muppet-Figuren Waldorf und Stetler, gespielt von Frank Salomon-Neumann und Mark Tecklenborg, das Bühnengeschehen witzig nörgelnd vom Rande aus kommentierten. Übrigens: Mit dem harten Kritiker von einst und seiner Band, Max Oestersötebier und „The Sazerac Swingers“, standen die „Small Stars“ 14 Jahre später gemeinsam und in Frieden auf der Bühne. Eines der wenigen Konzerte, das nicht zur angestammten Zeit stattfand.
Doch natürlich wussten auch die „Small Stars“ um die Herausforderung, jedes Jahr das Gleiche jeweils etwas anders präsentieren zu müssen. Also luden sie prominente Gastmusiker ein, um neue Klangfarben und Songs einzumischen. Klaus Lage war einer von ihnen, Purple Schulz ein weiterer.
Auch Ulla Meinecke und Ina Deter waren mal im Gespräch. Dazu wird es nun wohl leider nicht mehr kommen. Aber mit Mennana Ennaoui und Jasmine Sharifa geben seit ein paar Jahren zwei Sängerinnen dem Ganzen eine willkommene weibliche Note.

Nur Corona konnte die „Small Stars“ ausbremsen
Ansonsten zeichnet sich die Band über all die Jahre durch Beständigkeit in der Besetzung und Treue zum Auftrittsort aus. Ausflüge, etwa ins „Bermpohl“, blieben Ausnahmen. Nur Corona konnte die „Small Stars“ ausbremsen. Ebenso weilen feste Bandmitglieder wie Klaus und Fred Brachmann oder Gastmusiker wie Volker Wilmking nicht mehr unter den Lebenden. Sie sind unvergessen.
Und was werden die „Small Stars“ 2025 zwischen den Jahren machen? „Vielleicht sich langweilen“, sagt Achim Meier. Wenn nicht noch eine unverhoffte Rückkehr passiert, sind die „Small Stars“ am 1. Januar 2025 unwiederholbar Geschichte geworden. Dann sind sie wirklich Legenden.