Zustände im Gütersloher Tierheim: „Menschen müssen sehen, was sich dort abspielt“

Gütersloh. Polizei, Feuerwehr und Behörden haben im Mai vergangenen Jahres aus einem Einfamilienhaus in Lippstadt insgesamt 167 verwahrloste Katzen befreit. Eigentlich waren es sogar 172 Tiere, denn eine Katze hat noch fünf Junge bekommen. Die Tiere sind auf die umliegenden Tierheime verteilt worden – auch die Gütersloher Einrichtung hat sieben Samtpfoten aufgenommen. Mit dem Bekanntwerden solch schwerer Fälle von &bdquo;Animal Hoarding“, dem krankhafte Horten von Tieren, schaffen es die Tierheime kurzzeitig in unser Bewusstsein. Auch &bdquo;Knut“ hat unser Herz erweicht. Weil sein früherer Besitzer seinen Nachbarn tötete, landete der elfjährige Deutsch-Drahthaar-Rüde letztes Jahr im Gütersloher Tierheim und verstand die Welt nicht mehr. Wären es nur diese herausragenden Tiere, um die sich das Gütersloher Tierheim kümmern müsste, es hätte wohl keine Probleme. Aber der Alltag sieht anders aus. Tierheime sind Auffangstationen menschlichen Fehlverhaltens Vermieter wollen keine Haustiere, also landen diese im Tierheim. Paare trennen sich, keiner hat Zeit fürs Tier, also landet es im Tierheim. Die Polizei findet bei Fahrzeugkontrollen Welpen aus illegalem Handel, also landen sie im Tierheim. Familien kaufen einen Hund aus dem Internet, mit dem sie nicht klarkommen, also landet er im Tierheim. Die Liste der Abgabegründe ist so lang wie die Storys, die das Gütersloher Tierheim dazu erlebt. Im Karton vor die Tür gestellt, mit Halsband über den Zaun geworfen – alles schon vorgekommen. Der Deutsche Tierschutzbund sieht die Tierheime aktuell durch eine regelrechte &bdquo;Kätzchenschwemme“ überlastet und forderte vor wenigen Tagen zum wiederholten Male eine bundesweite Kastrationspflicht für Freigängerkatzen. Gütersloh gehört tatsächlich zu den rund 13 Prozent der Städte und Gemeinden in Deutschland, die eine solche lokale Kastrationspflicht haben – nur weiß kaum ein Katzenbesitzer davon und kontrolliert wird sie auch nirgends. Und wo landen am Ende all die Katzenbabys? Tierheime sind die Auffangstationen menschlichen Fehlverhaltens. Lesen Sie auch: Trotz Warnung: Alarmierende Zustände im Gütersloher Tierheim bleiben unbehoben Wissen Sie, wo das Gütersloher Tierheim ist? Das Tierheim dümpelt in Gütersloh eher am Rande unseres Bewusstseins. Weil dort viel Wuff und Miau ist, hat man es so weit an den Stadtrand geschoben, dass vermutlich viele gar nicht wissen, wo überhaupt. Und genauso vergessen fühlen sich die Mitarbeiter des Tierheims inzwischen. Das Gebäude ist in die Jahre gekommen. Mit Ausnahme des Katzenhauses, das Anfang der Nullerjahre gebaut wurde, stammt der Rest aus den 60er und 70er Jahren. Die Räumlichkeiten gehören der Stadt. Der Tierschutzverein Gütersloh und Umgebung hat bereits 2021 eine umfangreiche Mängelliste geschrieben und der Stadt zur Verfügung gestellt. Getan hat sich seitdem nur wenig. Verrostete Heizkörper und Regenrinnen stehen auf der Mängelliste. Man könnte die Punkte einzeln aufzählen, aber es wird der Sache nicht gerecht. Es geht um den Gesamteindruck. Wer sich auf dem Gelände umschaut, stellt unweigerlich fest, dass das Gütersloher Tierheim eine Investitionsruine ist. Modern ist hier gar nichts. Die Stadtverwaltung wurde jetzt vom Stadtrat auf Initiative der FDP einstimmig dazu aufgefordert, eine Mängelliste zu erstellen. Es werden noch Monate vergehen, bis etwas passiert. Wenn überhaupt. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Tierheim Gütersloh (@tierheim_guetersloh) Tierschützer stoßen an ihre Grenzen – es eilt Aber es eilt! Viele Tierschützerinnen und Tierschützer stoßen an ihre Grenzen. Die steigenden Kosten und die zunehmende Arbeitsbelastung machen es vielen unmöglich, ihre Aufgabe fortzusetzen. Die laufenden Kosten, die für Personal, Futter und tierärztliche Behandlungen anfallen, werden nur knapp gedeckt. Tierschutz lebt von Sponsoren und Spendengeldern und viel, viel ehrenamtlichem Engagement. Was also hilft? Ein Auszug in andere Räumlichkeiten. Alles andere macht – nimmt man die Tierwohl-Debatten ernst – kaum Sinn. Ein Tierschutz-Pakt könnte eine Lösung bieten, um die finanzielle Basis des Tierschutzvereins zu stärken. Das setzt eine womöglich neue Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung und Verein voraus und die Diskussion über Tierschutz in allen Kommunen im Kreis Gütersloh. Vielleicht braucht es eine Neuordnung der Aufgabenverteilung, vielleicht muss die Kreisverwaltung dazu mit an den Tisch. Vielleicht ist die Zeit gekommen, um das ganze Konstrukt &bdquo;Tierheim“ auf größere Füße zu stellen. Menschen müssen sehen, was sich dort abspielt In jedem Fall aber braucht es Öffentlichkeit. Tier-Videos auf den sozialen Plattformen boomen – auch die aus den Tierheimen. Menschen müssen sehen, was sich dort abspielt. Die vielen goldigen Momente, das ganze Elend. Vielleicht kommen dann auch andere Lokalpolitiker außer Sascha Priebe (FDP) im Tierheim vorbei. Vielleicht meldet sich ein Heizungsklempner, der bereit ist, die ärgsten Mängel im Katzenhaus noch vor dem Winter kostenfrei zu beheben.

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