Deutliche Worte an Norbert Morkes – „Hör auf Gütersloh zu spalten“

Frau Ziegele, in der vergangenen Woche haben die Grünen und die SPD ihre Bürgermeisterkandidaten für die Wahl im Herbst bekannt gegeben. Wird der Verein Bürger für Gütersloh eigentlich auch einen Kandidaten oder eine Kandidatin ins Rennen schicken? Das entscheidet der Verein, nicht ich. Deshalb ist es schwierig, darauf zu antworten. Ich persönlich kann es mir aber ehrlicherweise im Moment kaum vorstellen, dass wir jemanden aufstellen. Am 31. Juli soll Schluss sein mit der Politik. Sie beenden Ihre politische Arbeit und geben Ratsmandat und Fraktionsvorsitz ab. Werden Sie auch aus der BfGT ausscheiden? Aus der BfGT-Fraktion scheide ich aus, ich werde auch nicht als Sachkundige Bürgerin fungieren. Im Verein bleibe ich erst einmal Mitglied. Warum auch nicht? Den Mitgliedsbeitrag habe ich für 2024 entrichtet. Wir Schwaben sagen immer &bdquo;zahlt isch zahlt“. Es war Ihnen wichtig zu betonen, dass Ihr Weggang nichts mit der aktuellen Bürgermeisterdiskussion und dem BfGT-Vorstand Norbert Morkes zu tun hat. Tatsächlich hatten Sie schon einmal keine Lust mehr auf Politik – und haben sich dann doch wieder überreden lassen. Vor einem Jahr nun stand der Entschluss fest. Was war der ausschlaggebende Moment? Mein ursprünglicher Plan war, bei der Kommunalwahl 2020 nicht mehr anzutreten. Aber meine private Situation war im Umbruch. Unsere Tochter zog 2020 nach ihrem Abi nach Berlin, um dort ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Drogennothilfe zu machen. Kein Kind mehr zu Hause und keine Politik mehr – da hatte ich Sorge, dass das zu viele Veränderungen auf einmal wären. Als uns dann nach der Bürgermeister-Stichwahl unser Fraktionsvorsitzender abhandenkam, waren Jürgen Behnke und ich bereit, Verantwortung zu übernehmen. Wir haben gemeinsam den Fraktionsvorsitz übernommen, was gut geklappt hat. Lesen Sie auch: Güterslohs Bürgermeister abgewählt: Rückschlag für Morkes - Verfahren eingestellt Im Laufe der Zeit habe ich für mich jedoch festgestellt, dass der Co-Fraktionsvorsitz doch deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt als meine bisherige Funktion als Hinterbänklerin. In unserem ersten Jour fixe im Januar 2023 habe ich Jürgen Behnke darüber informiert, dass ich spätestens im Juli 2024 mein Ratsmandat zurückgeben werde. Über wie viele Stunden reden wir? Das sind mal 20 Stunden in der Woche, mal nur fünf. Wenn Sie auf zwei Jahrzehnte Gütersloher Kommunalpolitik zurückblicken, was hat sich verändert in dieser Zeit? Die politischen Themen sind schwieriger und vor allem komplexer geworden. Es hat sich verändert, dass ganz viele Arbeitsgemeinschaften und Arbeitskreise und andere Abstimmungsrunden nebenherlaufen. Man trifft sich immer wieder mit der Verwaltung und wird häufig auch ganz spontan zu Videokonferenzen eingeladen. Die Teilnahme an solchen Sitzungen ist Pflicht, wenn man mitreden möchte. Aber das fordert viel Engagement – vor allem, wenn man gut vorbereitet in die Sitzungen gehen will. So wurde zum Beispiel der Arbeitskreis Konsolidierung im Zuge der Haushaltseinsparungen ins Leben gerufen. So etwas ist wahnsinnig zeitintensiv, nervenaufreibend mit null Spaßfaktor. Wenn man nebenbei noch einen anderen Job hat, ist das schon manchmal recht viel. Wird Fraktionsvorsitzender Jürgen Behnke zukünftig alleine weitermachen müssen oder findet sich wieder eine Doppelspitze? In die Entscheidungsprozesse, wer welche meiner Ämter übernimmt, bin ich grundsätzlich nicht involviert, was auch völlig okay ist. Ich gehe davon aus, dass – sobald die Fraktion hier Entscheidungen getroffen hat – diese dann entsprechend kommuniziert werden. Christiane Godt übernimmt das Amt der bildungspolitischen Sprecherin für die BfGT. Das freut mich sehr, Christiane und ich ticken bei der Bildungspolitik sehr ähnlich. Sie machen seit 20 Jahren Kommunalpolitik. Was genau hat Sie motiviert? Ich bin ein Mensch, der mit offenen aber auch kritischen Augen durchs Leben geht. Grundsätzlich mische ich mich gerne ein, gebe gerne meinen Senf dazu. Das sind hinsichtlich Kommunalpolitik schon mal gute Grundvoraussetzungen. Die Frage müsste aber eigentlich lauten: Wer hat mich motiviert? Und das war eindeutig Nobby Morkes. Lesen Sie auch: Nach 15 Jahren: BfGT-Vorsitzende legt alle Ämter im Gütersloher Rathaus nieder Unsere Söhne sind gleich alt und wir haben uns 1998 über die Jungs kennengelernt. Er fragte mich zur Kommunalwahl 1999, ob ich den Wahlkreis Isselhorst für die BfGT übernehmen wollte. Damals war ich aber nach meiner dreijährigen Elternzeit wieder auf dem Weg zurück in den Job. Ich meinte, er solle mich in fünf Jahren wieder fragen. Und das hat er gemacht. Er hat wieder angerufen. Ich habe mir das Wahlprogramm durchgelesen und fand es unterstützenswert und dann nahm die Sache ihren Lauf. Macht es auch ein bisschen Spaß, sich zu rangeln und durchzusetzen auf der politischen Bühne, und gesehen zu werden? Wenn es bei leichten Rangeleien geblieben ist, war es okay. Was Spaß macht ist der Austausch von Argumenten und die inhaltliche Kontroverse. Die Belohnung war für mich immer das inhaltliche Ergebnis und nicht das Stehen in der ersten Reihe. Ich schreibe auch lieber das Konzept als es zu präsentieren. Mein Ding waren niemals taktische Spielchen, es ging mir immer nur um die Sache. Überwiegt in der Rückschau der politische Erfolg oder der Frust über das, was Sie nicht erreicht haben? Die rosarote Brille rutscht schon langsam auf die Nase. In der Rückschau überwiegt ganz klar der politische Erfolg. Wenn man nicht die größte Fraktion im Rat ist, ist es aber nicht immer einfach Mehrheiten zu finden. Ein tolles Erlebnis war zum Besispiel die Eröffnung der Gesamtschule an der Ahornallee im letzten Herbst. Zu sehen, dass mein jahrelanger Einsatz für diese Schule sich gelohnt hat, das hat sich gut angefühlt. Kommunalpolitik hat auch richtige Glücksmomente parat – und das war so einer. Welche Tiefschläge sind Ihnen in Erinnerung geblieben? Ein Tiefschlag war die gesamte Thematik rund um Gütersloh Marketing (gtm) vor eineinhalb Jahren. Die beiden großen Fraktionen sind mit der BfGT in dieser Sache nicht gut umgegangen. Schulpolitik ist Ihr Steckenpferd. Hier galt es in den vergangenen Jahren richtig dicke Bretter zu bohren. Sind Sie zufrieden mit der Entwicklung der Gütersloher Schullandschaft? Sehr vieles , was ich mir vorgenommen hatte, ist auch wirklich passiert. Allerdings hätten wir das meiste früher in Angriff nehmen müssen. Wir sind mit vielen Maßnahmen zu spät dran. Mit dem Grundschulausbau hätten wir – wäre es nach mir und den Grundschulleitungen gegangen – schon vor zwölf Jahren beginnen müssen. &bdquo;Was lange währt wird endlich gut“, habe ich gesagt, als 2020 Henning Schulz die Modulare Bauweise für den Grundschulausbau vorschlug, um an vielen Grundschulstandorten schnell die Erweiterung umzusetzen. Dafür bin ich ihm noch heute dankbar. Lesen Sie auch: Morddrohung gegen Familie: Attacken auf Gütersloher Politiker nehmen zu Mit der Renovierung des Ev. Stift. Gymnasiums sind wir 10 bis 15 Jahre zu spät, aber aktuell passiert dort ganz viel Gutes – rein schulpolitisch betrachtet. Finanzpolitisch ist die Absage des Landes hinsichtlich der finanziellen Beteiligung allerdings eine echte Katastrophe für die Stadt. Womit wir definitiv nicht zufrieden sein können ist die Nicht-Entwicklung bei der Janusz-Korczak-Gesamtschule. In der vierzügig ausgebauten JKG werden seit vielen Jahren Kinder in sechszügigen Jahrgängen beschult. Die Folge ist, dass das Konzept dieser Schule nicht richtig gelebt werden kann. Hier müssen dringend Beschlüsse her, die diese Nicht-Entwicklung heilen. Das politische Profil der BfGT ist mitunter nicht ganz klar. Ist Bürger für Gütersloh eigentlich eine klassische Protestpartei für Gütersloh? Ich wehre mich sehr dagegen, dass die BfGT als Protestpartei bezeichnet wird. Eine Protestpartei ist immer nur dagegen und bietet selbst keine Lösungen an. Unser ganz klares Profil ist und bleibt die Bürgernähe. Wir arbeiten an den Lösungen vor Ort mit den Bürgerinnen und Bürgern zusammen. Wir haben in den vergangenen dreieinhalb Jahren ganz konstruktiv gearbeitet. Ein Beispiel: Die BfGT hat einen Vorschlag in den Haushaltsplangesprächen gemacht bezüglich der Steuererhöhung, die im Endeffekt die Basis war für den Haushaltskompromiss. Dass wir das geschafft haben, macht uns auch ein bisschen stolz. Über die Grundsteuer B werden alle Bürgerinnen und Bürger in Gütersloh deutlich weniger belastet als ursprünglich geplant. Norbert Morkes hat die BfGT vor 25 Jahren gegründet und er hat sie mit seinem Benehmen zuletzt vor die Zerreißprobe gestellt. Welchen Schaden hat die Partei genommen? Ist Morkes als Vereinsvorstand noch aktiv? In der Fraktion gab es nie eine Zerreißprobe, wir waren uns immer einig. Wie es mit der BfGT weitergeht, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten entscheiden. Aus der BfGT-Ratsfraktion hatte in den letzten sechs Monaten niemand mehr Kontakt mit ihm. Wir haben ihn zu jeder Fraktionssitzung eingeladen, auf der Tagesordnung stand immer Punkt 4 &bdquo;Bericht des BM“, im Protokoll stand im letzten halben Jahr immer: &bdquo;Der BM fehlt unentschuldigt.“ Der Vereinsvorstand hat nun erneut versucht, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Gütersloh hat am 9. Juni die Bürgerinnen und Bürger über die Zukunft von Bürgermeister Norbert Morkes abstimmen lassen. Er wurde abgewählt. Wie war das für die BfGT? Es gab für uns nichts zu feiern am Abend des 9. Juni. Egal, wie das Ergebnis gekommen wäre. Wir haben uns auch nicht getroffen. Ich selbst war mit meinem Mann im Städtischen Gymnasium als Wahlhelfer für die Briefwahl. Die ganze Entwicklung der Situation ist einfach nur traurig. Wie ist es Ihnen persönlich in den Turbulenzen der vergangenen Monate rund um den Bürgermeister gegangen? Womit hadern Sie? Persönlich ist es mir damit schlecht gegangen. Es hat mich viele schlaflose Nächte gekostet. Die BfGT-Stellungnahme Mitte Dezember, mit der wir öffentlich gemacht haben, dass wir Nobby drei Tage zuvor geraten hatten, vom Amt des Bürgermeisters zurückzutreten, ist uns nicht leichtgefallen, aber es war notwendig. Ich hätte mir so sehr gewünscht, er hätte unseren Rat angenommen. Es wäre gut gewesen für ihn persönlich, für die BfGT, aber auch für die Stadtgesellschaft. Er selbst hat unsere Stellungnahme vermutlich fälschlich als Verrat an seiner Person gewertet. Ich hadere sehr damit, dass Nobby meinem Rat zu dem Brief der Beigeordneten erstmalig Anfang Mai 2023 nicht gefolgt ist, sich bei den Frauen wegen anzüglicher Bemerkungen zu entschuldigen. Ich kenne ihn seit über 25 Jahren und ich weiß, dass die Aussagen der Frauen wahr sind. Er hätte einfach nur deutlich machen müssen, dass es ihm leid tut, falls er jemanden damit verletzt hat. Und dass er jetzt verstanden hätte, dass die Zeiten sich geändert hätten. Ich hatte mit ihm bis November mehrfach darüber gesprochen, aber er beharrte immer darauf, dass es keine Beweise gäbe. Ich hadere damit, dass er den Ersten Beigeordneten, Henning Matthes, sowie einen Journalisten wegen übler Nachrede und Verleumdung angezeigt hat. Ich hadere sehr damit, dass Nobby jetzt nach der Abwahl seine Community nicht pro-aktiv auffordert, die Abwahl zu akzeptieren. Vielmehr zweifelt er öffentlich das Ergebnis an, weil das Strafverfahren gegen ihn erst eingestellt wurde, nachdem die Briefwahl schon begonnen hatte. Dabei macht er nicht deutlich, dass er eben keinen lupenreinen Freispruch erhalten hat, sondern dass das Strafverfahren gegen eine Zahlung von 8.000 Euro eingestellt wurde. Außerdem macht Nobby gegenüber seiner Community nicht deutlich, dass die Staatsanwaltschaft seine Sprüche gegenüber den Frauen als &bdquo;unangemessen“ wertet. Keine Reaktion von ihm in den sozialen Medien, als seine Anzeigen gegen Henning Matthes und den Journalisten nach dem 9. Juni mit einem lupenreinen Freispruch ohne jegliche Geldzahlungen eingestellt wurden. Hat er da vielleicht mehr Stimmen erhalten, weil dieses Ergebnis am Wahltag ja noch nicht feststand? An dieser Stelle möchte ich einen Aufruf an ihn richten: Bitte Nobby, wenn du das hier liest: Hör auf, die Stadtgesellschaft zu spalten und der Demokratie zu schaden. Ab Juli dürfte nun Platz sein in Ihrem Terminkalender. Darf der Heimatverein Isselhorst sich über einen Neuzugang freuen oder wo werden Sie sich zukünftig engagieren? Tatsächlich war die am häufigsten gestellte Frage in den letzten Wochen: &bdquo;Was machen Sie denn jetzt mit Ihrer vielen Freizeit?“ Hin und wieder war sie verbunden mit der Frage: &bdquo;Hast du vielleicht Lust, bei uns mitzumachen?“ Zur letzten Frage habe ich meistens gesagt, man möge mich im Herbst noch einmal fragen. Jetzt genieße ich erstmal meine Freizeit. Mein Mann und ich haben uns vorgenommen, an verlängerten Wochenenden Deutschland zu erkunden. Außerdem geht es meiner in Stuttgart lebenden Mutter sehr schlecht und ich möchte noch möglichst viele Tage mit ihr verbringen. Und zum Dorf- und Heimatverein Isselhorst: Wir sind schon seit einigen Jahren Fördermitglied. Seit einem Jahr arbeite ich ehrenamtlich im Lektoratsteam des &bdquo;Isselhorster“ mit. Ich habe also keine Sorge, dass mir langweilig wird. Nur Politik dürfen jetzt die anderen machen. Immer nur rummeckern nützt nämlich nichts. Liebe Gütersloher, engagiert euch in der Kommunalpolitik für unsere Stadt, es lohnt sich!

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