„Ton wird deutlich rauer“: Gewalt an Krankenhäusern in Gütersloh nimmt zu

Gütersloh. Der Vorfall ist wenige Wochen her: Am 2. März ist im Sankt-Elisabeth-Hospital in Gütersloh ein nach Polizeiangaben 25-jähriger Mann vom Rettungsdienst mit Vergiftungserscheinungen eingeliefert worden. &bdquo;Anfangs war der Patient ruhig“, schildert Krankenhaus-Sprecherin Nadine Mense, &bdquo;doch dann kam es zu verbalen Beleidigungen, die in einem Gewaltausbruch endeten.“ Der Patient randalierte, zerstörte die komplette Ausstattung des Behandlungszimmers. Ärzte und Pflegekräfte brachten sich in Sicherheit, indem sie flüchteten. Die Polizei kam. Solch eine Eskalation ist in Gütersloh sicher nicht an der Tagesordnung – aber es passiert immer wieder. Auch Angriffe auf medizinisches Personal kommen vor. Die beiden Gütersloher Krankenhäuser und die Polizei geben einen Einblick. So dramatisch wie im Ruhrgebiet, wo eine Dortmunder Klinik jüngst den Sicherheitsdienst aufstocken musste, um ihre Ärzte, Schwestern und Pfleger vor Angriffen zu schützen, ist die Lage in der Dalkestadt sicher nicht. Denn zum Glück bleibt es hier meistens bei verbaler Gewalt. Doch auch solche Fälle nehmen zu. &bdquo;Das hat sich in den vergangenen Jahren, insbesondere während der Corona-Pandemie, gesteigert. Der Ton wird deutlich rauer“, weiß Nadine Mense vom Sankt-Elisabeth-Hospital zu berichten. Insbesondere an der Rezeption und in der Zentralen Notaufnahme werden Vorfälle von Aggressionen und Gewalt registriert, gelegentlich auch im Stationsbereich. &bdquo;In den meisten Fällen kommt es zu verbalen Beleidigungen und Bedrohungen, da sich Patienten und Angehörige in der Notaufnahme nicht schnell genug behandelt fühlen“, schildert die Sprecherin. So viele Angriffe auf das Krankenhaus-Personal gab es seit 2019 In ganz Deutschland steigt die Zahl von Gewalttaten in Krankenhäusern. Demnach registrierten die Landeskriminalämter (LKA) seit 2019 einen Anstieg um etwa 18 Prozent auf insgesamt 6.190 Taten im Jahr 2022. In Nordrhein-Westfalen wurden 1.571 sogenannte Rohheitsdelikte gezählt, zu denen Drohung, Körperverletzung, Raub und Nötigung gehören. Beleidigungen und Tätlichkeiten scheinen allenthalben zuzunehmen. Oder doch nicht? &bdquo;Auch wenn bundesweit die Zahl von Gewalttaten in deutschen Krankenhäusern gestiegen ist, haben wir im Klinikum Gütersloh bisher keine Probleme mit körperlicher Gewalt“, sagt Sprecherin Ann-Katrin Johannsmann. Vereinzelt käme es zu verbalen Angriffen, bei denen häufig Alkohol oder Drogeneinfluss, aber auch psychische Erkrankungen eine Rolle spielen würden. &bdquo;Da werden Ärzte und Rettungskräfte in der Notaufnahme als Pseudo-Mediziner beschimpft oder es wird sich über Wartezeiten beschwert.“ Auch sexuelle Anspielungen kämen im Alltag vereinzelt vor. Betroffen seien davon männliche wie weibliche Mitarbeitende, so Johannsmann. Die Kreispolizeibehörde Gütersloh hat für die &bdquo;Neue Westfälische“ eine Auswertung im Bezug auf Übergriffe gegen Klinikpersonal an den Gütersloher Krankenhäusern vom 1. Mai 2019 bis zum 1. Mai 2024 vorgenommen. Das Ergebnis: &bdquo;Unterm Strich haben wir in den ganzen fünf Jahren neun Verfahren gehabt, in denen es tatsächlich zu Angriffen oder versuchten Körperverletzungen gekommen ist“, erläutert Polizeisprecher Mark Kohnert. Ein einziger Fall ereignete sich am Sankt-Elisabeth-Hospital, acht waren es am Klinikum. Angriff mit Absperrpfosten oder Arzt mit der Faust ins Gesicht geschlagen Im April 2022 sollte ein Mann im Klinikum an der Reckenberger Straße entlassen werden und den Heimweg zu Fuß antreten. Darüber war er offenbar so erbost, dass es zu einem Angriff mit einem Absperrpfosten kam. In einem anderen Fall war ein Patient nach einem internistischen Notfall aufgewacht. Der Mann schlug um sich und traf einen Arzt mit der Faust im Gesicht. Ein Trend lässt sich aus den Zahlen der Gütersloher Polizei nicht ablesen: Auf zwei Fälle im Jahr 2019 folgte ein Jahr später kein einziger. 2021 (2), 2022 (3) und 2023 (2) blieb die Anzahl der Vorkommnisse nahezu gleich. Für dieses Jahr hat die Polizei noch keine Gewalttat auf Klinikpersonal in Gütersloh registriert. Im Fall, der sich Anfang März im Sankt-Elisabeth-Hospital ereignete, wurde nämlich niemand verletzt. Ein Strafverfahren wegen Sachbeschädigung und Beleidigung ist gegen den zuvor bewusstlos aufgefundenen, intoxikierten 25-Jährigen eingeleitet worden, nachdem er das Mobiliar im Behandlungszimmer komplett zerstört hatte. Der materielle Schaden ist nur eine Seite, denn solche Vorfälle haben noch ganz andere Folgen: &bdquo;Eine solche Gewalteskalation verunsichert nicht nur unsere Mitarbeiter, sondern verängstigt auch andere Patienten in den angrenzenden Räumen“, weiß Nadine Mense. Am Sankt-Elisabeth-Hospital behält man sich vor, die Behandlung zu unterbrechen oder gar zu beenden, sofern es die Situation erfordert. &bdquo;Notfalls unter Zuhilfenahme der Polizei“, sagt die Krankenhaus-Sprecherin. In besonders schwerwiegenden Fällen wird ein Hausverbot erteilt. Die Notwendigkeit für einen Sicherheitsdienst sieht man am Stadtring Kattenstroth aktuell nicht. &bdquo;Durch ein umfassendes internes Sicherheitskonzept mit entsprechender Notruffunktion und regelmäßige Deeskalationstrainings sehen wir uns gut aufstellt.“ Prävention und Hilfe für das Personal: Das tun die Gütersloher Krankenhäuser Das gilt auch für Präventivmaßnahmen: Den Mitarbeitern am Sankt-Elisabeth-Hospital werden regelmäßige Workshops angeboten, in denen Handlungsmöglichkeiten vermittelt werden und interventive Methoden, die im Falle eines physischen Angriffs Sicherheit bieten sollen. Fälle erheblicher Bedrohungen oder körperlicher Übergriffe werden der Berufsgenossenschaft anonymisiert gemeldet, falls sich aus dem Erlebten eine Berufskrankheit entwickeln würde. Darüber hinaus bietet das Sankt-Elisabeth-Hospital Gütersloh im Fall der Fälle psychologische Beratungen durch eine externe Beraterin an, die über die Betriebsärztin koordiniert werden. &bdquo;So wollen wir mögliche Traumatisierungen professionell begleiten und mildern“, erläutert Nadine Mense. Die Inhalte dieser Sitzungen seien streng vertraulich und würden nicht an den Dienstgeber weiter gegeben. Ann-Katrin Johannsmann findet: &bdquo;Der Umgang mit körperlichen und verbalen Übergriffen sollte in jedem Unternehmen Thema sein.“ Deshalb hat das Klinikum Gütersloh seine Führungskräfte beispielsweise im Umgang mit sexueller Belästigung und Deeskalation geschult. Außerdem gebe es eine Gleichstellungsbeauftragte, den Betriebsrat und eine externe Supervisorin, die Betroffene beraten und unterstützen.

Meistgelesen