Gütersloh. „Der Krieg hat allen ukrainischen Kindern die Kindheit geraubt! Leider wurden viele von ihnen zu Flüchtlingen und auch zu Waisen!“, sagt Oksana Rakosy, Präsidentin des ukrainischen Kulturforums in Gütersloh.
Der zweite Jahrestag des Krieges hat in Deutschland am Samstag Tausende Menschen auf die Straße gebracht. Auch in Gütersloh hat es einen Demonstrationszug gegeben, bei dem die Teilnehmer ihre Solidarität bekundet und Zeichen für den Frieden gesetzt haben.
Zwischen 150 und 200 Personen nahmen nach Angaben eines Polizeisprechers an der Kundgebung teil, die als Gedenkmarsch zum Berliner Platz in der Innenstadt führte und „ohne Vorfälle“ verlief.
Etliche Autofahrer auf der B61 hupen

Bereits als die Gruppe zum Start um 16 Uhr von der Siedlung „Auf dem Knüll“ die Fußgängerbrücke über die B 61 überquerte, solidarisierten sich etliche Autofahrer und hupten.
Blau und Gelb waren die dominierenden Farben, die Teilnehmer zogen mit selbstgemalten Plakaten, Transparenten, Luftballons und Fahnen entlang der Dalke in Richtung Innenstadt. Auf dem Berliner Platz angekommen, wurde in einer Schweigeminute der zahlreichen Opfer und Gefallenen des Krieges gedacht.
„Der Krieg hat allen ukrainischen Kindern die Kindheit geraubt. Leider wurden viele zu Flüchtlingen und auch zu Waisen“, verdeutlichte Oksana Rakosy, Präsidentin des veranstaltenden Ukrainischen Kulturforums Gütersloh, die Auswirkungen des Kriegs.
Kinder und Jugendliche betreten die Bühne
Sie bat Olena Tkachenko ans Mikrofon. Die Kinder-, Jugend- und Familien-Psychologin aus dem so schwer umkämpften Charkiw arbeitet jetzt an einem Gymnasium und in der Diakonie mit ukrainischen Kindern. „Sie alle hatten Hoffnungen, Ziele und Träume vor ihren Augen“, so Tkachenko, „aber genau vor zwei Jahren hat sich ihr Leben ein für alle Mal geändert.“ Gerade die Jüngsten seien sehr früh gereift, hätten moralische und psychische Traumata erlitten.
Einige Kinder und Jugendliche betraten die Bühne und formulierten lauthals ihre Klagen. „Ich versuche sie zu motivieren, weiterzuleben und ihre Identität zu vertiefen“, erklärte Tkachenko.
Zuvor hatte der zehnjährige Jaroslawl auswendig die Ballade vom ermüdeten und verwundeten Engel aufgesagt, „der dringend eine Pause benötigt, bevor er den nächsten Soldaten in den Himmel geleitet“.
Der sechsjährige David, der auf seinem Roller-Scooter ebenfalls am Gedenkspaziergang teilgenommen hat, bringt die offensiven Kriegshandlungen dezidiert und laminiert auf den Punkt. Mehr als 1.500 Raketen und über 3.600 Drohnen sind laut Statistik bislang in der Ukraine eingeschlagen und haben viele Opfer gefordert und massive Schäden hinterlassen.
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„Dass ein Krieg mitten in unserem Europa passiert, hätte ich nicht für möglich gehalten“
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! - Nach diesem Bibelwort bin ich erzogen worden, und danach haben mein Mann und ich die Mitmenschen unterstützt, die vor dem grausamen Krieg Putins zu uns geflohen sind“, verkündete Lena Strothmann vom Lions-Club. „Dadurch haben wir viel erfahren, auch über den Drang der Menschen nach Freiheit. Wir bewundern diese Kraft, auch weil die Ukrainer schon zwei Jahre um ihre Freiheit kämpfen.“
Auch Tobias Wellerdiek, der die Flüchtlingshilfe in Rheda-Wiedenbrück unterstützt und die Onlinegruppe „Ukrainische Freunde“ gegründet hat, verurteilt Putins Angriffskrieg aufs Schärfste.
„Dass so etwas Schreckliches und Menschenverachtendes, ein Krieg mitten in unserem Europa passiert, hätte ich bis zum 24. Februar 2022 nicht für möglich gehalten“, echauffiert sich der Lektor der evangelischen Stadtkirche bei der Solidaritätsveranstaltung.
Ukrainische Nationalhymne zum Abschluss

Und die Gütersloherin Martina Wohlt zeigt sich von der Resonanz beeindruckt, wünscht sich aber mehr deutsche Unterstützung. „Uns ist es wichtig, dass die Aufmerksamkeit Europas und der ganzen Welt auf uns gelenkt wird. Vor uns steht ein weiteres, sehr schwieriges Jahr. Alle Ukrainer werden große Herausforderungen annehmen müssen.
Aus diesem Grund brauchen wir die entschlossene Unterstützung der Bundesrepublik, Europas und der ganzen Welt“, erklärt Oksana Bechka, die Vizepräsidentin des ukrainischen Kulturforums in Gütersloh, zum Abschluss der Veranstaltung, bei der die ukrainische Nationalhymne lautstark widerhallte.