
Gütersloh. Im und um das Gütersloher Stadtgebiet herum fährt derzeit ein rot-weißes Notarzteinsatzfahrzeug zu Einsätzen, das optisch so gar nicht im klassischen Design der städtischen Feuerwehr daherkommt. Auch das Emsländer Kennzeichen fällt schnell ins Auge. Einer seiner Fahrer ist der Gütersloher Peter Wartmann (38), eigentlich Notfallsanitäter, in diesem Fall aber auch Testpilot. Denn seit Monatsbeginn und bis zum 1. März wird bei der Feuerwehr Gütersloh ein Elektro-Notarzteinsatzfahrzeug (eNEF) aus Niedersachsen erprobt.
„In der Testphase soll ermittelt werden, ob ein Elektrowagen für unsere Zwecke als Notarzteinsatzfahrzeug geeignet ist“, erklärt mit Andreas Pollmeier der Abteilungsleiter des städtischen Rettungsdienstes. Für 2025 ist schließlich die Anschaffung eines neuen Notarztwagens geplant, und der könnte ein rein elektrisch betriebenes Fahrzeug werden – vorausgesetzt, der Eindruck passt. „Stimmen die Ergebnisse der jetzigen Testphase, soll im nächsten Jahr ein solches Fahrzeug gekauft werden“, verrät Brandamtsrat Pollmeier.
In dem Fall könnte Gütersloh zum Vorreiter in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus werden. „Denn es gibt zwar schon elektrische Einsatzfahrzeuge, wie etwa einen Rettungswagen auf der Insel Borkum. Aber ein vollelektrisches Fahrzeug für den Notarzt ist mir bislang noch nicht bekannt“, sagt der 58-Jährige. Bei dem Testfahrzeug handelt es sich um einen Mercedes-Benz eVito Tourer, stationiert ist er am Städtischen Klinikum Gütersloh. Von dort rückt der Transporter zu den Einsätzen aus.
Reale Reichweite liegt bei 300 Kilometern, jede Einsatzfahrt wird protokolliert

Im Durchschnitt zehn Mal täglich wird der Notarzt vom Klinikum Gütersloh benötigt. „Das Fahrzeug von diesem Standort ist 24 Stunden lang in Bereitschaft“, berichtet Andreas Pollmeier. Auch am Sankt-Elisabeth-Hospital ist ein Notarzteinsatzfahrzeug stationiert. „Die Feuerwehr Gütersloh verfügt über zwei NEF und einen Ersatzwagen.“ Insgesamt zählen zum Fuhrpark der Berufsfeuerwehr 27 Fahrzeuge, davon 13 für den Rettungsdienst. Weitere 30 Kraftwagen zählen zur Freiwilligen Feuerwehr.
Von einem E-Auto fehlt bislang jede Spur. In Abhängigkeit von dem Ergebnis der Testphase kann sich das aber schon bald ändern. Das Gütersloher Projekt wird eng durch umfangreiche Evaluationen begleitet. „Wir führen genaue Statistik, protokollieren jede Einsatzfahrt“, sagt Notfallsanitäter Peter Wartmann, der privat einen Tesla fährt und somit bereits „e-erprobt“ unterwegs ist. Die Bewertungen sollen am Testende eine sachliche Auswertung ermöglichen.
„Nullemission, vollelektrisch“, die Aufschrift in Englisch verrät, was hinter dem Fahrzeug der Firma Wietmarscher Ambulanz- und Sonderfahrzeug GmbH aus Emsbüren (Landkreis Emsland) steckt. Ein E-Modell. Seine technischen Daten sind vielversprechend: 150 kw (204 PS) gibt Mercedes als Peakleistung an, 70 kw (95 PS) im Normalbereich. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 160 km/h, die Reichweite nach WLTP-Angaben bei 370, real bemessen bei 300 Kilometer. „Für den Einsatz im Stadtgebiet ideal“, findet Sanitäter Wartmann nach seinem zweiten Praxistest.
So läuft der Test: Wie die Rückmeldungen der Nutzer bislang ausfallen
Generell hätten ihm die Nutzer bislang nur positive Rückmeldungen widergespiegelt, sagt Andreas Pollmeier. Über die ökologischen Vorteile hinaus seien die Fahreigenschaften für die Verwendung gut geeignet. Zudem konnte es bisher bei der Anwendung immer wieder ausreichend aufgeladen werden. Die Ladezeit an einem Schnelllader mit einer Leistung von DC 110 kw liegt bei 40 Minuten und kann nach Herstellerangaben „hervorragend zur Vor- und Nachbereitung zwischen den Einsätzen genutzt werden“.
Der Gütersloher Rettungsdienstleiter hat sich selbst auch schon hinters Steuer gesetzt und den insgesamt 3.500 Kilogramm schweren Transporter als „optimal für den Einsatzbereich“ befunden. „Mir gefällt vor allem die Beschleunigung. Außerdem haben Elektrofahrzeuge durch den niedrigen Schwerpunkt gute Fahreigenschaften.“ Zum Leergewicht von 2.890 Kilo gesellt sich noch die Zuladung von 610 Kilogramm.
Für den Fall, dass aus der Testphase eine langwierige Liaison werden sollte, gibt es jedoch aus Gütersloher Sicht bereits erste Veränderungswünsche. „Wenn wir den Wagen bestellen, was ich mir vorstellen kann, müsste man der Zweckmäßigkeit halber zwei Schiebetüren einbauen“, findet Andreas Pollmeier. Weitere Vorteile liegen für ihn auf der Hand: „Die Geräuschentwicklung in Elektrofahrzeugen ist sehr gering und sie sind wartungsarm.“
Was über die Kosten und die Finanzierung bekannt ist
Schnelle Hilfe und Klimaschutz scheinen mit dem E-Notarztwagen aus dem Emsland kombinierbar zu sein – wegen geringer Betriebskosten auch unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und des sparsamen Umgangs mit Steuermitteln. Gleichwohl würde die Anschaffung des Fahrzeugs inklusive Ausrüstung die Stadt Gütersloher wohl zunächst einen Preis im mittleren bis oberen fünfstelligen Bereich kosten. „Die genauen Kosten sind aktuell aber noch nicht bekannt“, sagt Andreas Pollmeier. Ein Angebot werde erst eingeholt, wenn der Test positiv verlaufe. Rettungsfahrzeuge werden über die Kostenträger, also die Krankenkassen, refinanziert. Über diesen Einzelfall muss noch entschieden werden. Bevor es soweit ist, wird bei der Feuerwehr Gütersloh weiter fleißig getestet, ob ein Elektrofahrzeug in seinem Rettungsdienst eine Zukunft hat.