Hilfe bei Winterdepression: Gütersloher Experte erklärt, wie Sie sich am besten schützen

Herr Kronmüller, was versteht man unter einer Winterdepression? Wir sprechen von einer Depression, wenn ganz bestimmte Kriterien erfüllt sind. Bei der Winterdepression kommt dann noch die Abhängigkeit zur Jahreszeit hinzu. Eine Depression hat zwei Leitsymptome. Die Verstimmung und die Antriebsstörung. Dann gibt es noch eine ganze Reihe von Zusatzsymptomen wie schlechte Konzentration oder schlechter Schlaf. Die saisonal abhängige Depression hingegen gehört zu den atypischen Depressionen. Das bedeutet, dass die Symptome sich von der klassischen Depression unterscheiden können. Haben Sie da Beispiele? Bei einer typischen Depression schläft man zu wenig und man hat keinen Appetit. Bei der saisonal abhängigen Depression ist es oft so, dass man zu viel schläft und mehr Appetit hat. Macht das diese Art der Depression schwerer zu erkennen? Ja, das ist so. Wenn der Betroffene gut schläft, denke ich nicht sofort an eine Depression. &bdquo;Saisonal abhängig“ legt nahe, dass es besondere äußere Auslöser für die Depression gibt. Eine Depression hat normalerweise nicht nur eine Ursache. Das gibt es nur sehr selten. Wenn das Kind einer Mutter unerwartet stirbt zum Beispiel. Aber nicht jede Mutter, die ein totes Kind zu beklagen hat, entwickelt eine Depression. Depressiv werde ich, wenn viele unglückliche Dinge zusammenkommen. Normal unterscheiden wir biologische, wie zum Beispiel körperliche Erkrankungen, und psychosoziale Faktoren, wie Scheidung oder der Verlust des Arbeitsplatzes. Hinzu kommt der Faktor Ressourcen. Das ist dann der &bdquo;Burn Out“ Mechanismus. Ich schaffe es, noch meine Pflichten als Arbeitnehmer und in der Familie zu erfüllen, habe aber kein erfüllendes Freizeitverhalten mehr. Dann kann ich in eine Erschöpfungsdepression kommen. Bei der saisonal abhängigen Depression denkt man, dass klimatische Faktoren auch eine Rolle spielen. Wie zum Beispiel das fehlende Sonnenlicht im Winter? Viele Menschen gehen ja zum Beispiel in dieser Zeit im Dunklen zur Arbeit und kommen in der Dunkelheit erst wieder nach Hause. Genau. Das Tageslicht ist der entscheidende Regulator für unsere hormonellen Reaktionen. Im Winter sind die Hormone anders reguliert. Diese Hormonumstellung – ein ähnliches Phänomen gibt es auch bei der Geburt – kann dann eine Depression begünstigen. Bei einer Winterdepression sind also die klimatischen Bedingungen, wie das fehlende Tageslicht, der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt? Ja. Es wird mehr Melatonin ausgeschüttet und das beeinflusst die Symptome mit. Ein alleiniger Faktor ist es nicht. Man bekommt nicht automatisch eine Depression nur, weil man 14 Tage im Dunkeln verbringt. Außerdem beeinflussen uns die klimatischen Bedingungen nicht nur im Winter. Durch den Klimawandel haben wir es vermehrt mit Starkregen oder extreme Hitze zu tun. Da reden wir, ähnlich wie bei der Winterdepression, von einer klimabedingten Störung. Klima kann auch Stress sein. Bei zu hoher Hitze kann es zu psychischen Hitzeschäden kommen. Wie äußern sich diese Schäden? Das können Angst- oder Depressionssymptome sein. Solche klimabedingten Störungen werden in Zukunft viel wichtiger werden. Es gibt zum Beispiel eine Störung, die bezeichnet den Verlust der Heimat, obwohl ich daheim wohne. Wenn sich die Umwelt durch ein Waldsterben so verändert, dass ich sie gar nicht mehr erkenne, dann spüre ich innerlich den Verlust der Heimat, obwohl ich nicht weggezogen bin. Die saisonal abhängige Depression zeigt uns den Zusammenhang zwischen Klima und Depression. Uns werden diese Krankheitsbilder in Zukunft häufiger begegnen. Wie viele Menschen in Deutschland sind derzeit von einer saisonal abhängigen Depression betroffen? Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Generell kann man sagen, dass jeder Vierte in seinem Leben mal eine Depression hat. Das ist sehr häufig. Die saisonal abhängige Depression ist seltener. Darüber hinaus kommen die Betroffenen auch nicht so oft in Behandlung, weil die Depression ja saisonal ist. Meistens gehen die Menschen erst in Behandlung, wenn die Depression ein halbes Jahr andauert. Das hat zur Folge, dass es viele Menschen gibt, die diese Art der Depression haben. Aber nur ein kleiner Teil davon in Behandlung ist. Sollte man sich in Behandlung begeben, wenn der Verdacht auf eine Winterdepression besteht? Das kommt auf das Ausmaß an. Die wichtige Nachricht ist hier: Depression ist behandelbar! Und wenn ich &bdquo;nur“ drei Monate in der Depression bin, man kann da was machen. Eine saisonal abhängige Depression wird bei uns mit Lichttherapie, Antidepressiva oder Psychotherapie behandelt. Oft kommt man mit Lichttherapie alleine zurecht. Was kann man tun, damit das Fass nicht überläuft? Wir alle wissen ja, dass wir etwas für unsere körperliche Gesundheit machen müssen. Aber viele Menschen denken, dass sie nichts für ihre psychische Gesundheit machen können. Das ist falsch. Man muss auch was für die psychische Gesundheit tun. Sport ist beispielsweise sowohl für die körperliche als auch für die psychische Gesundheit gut. Aber auch der Umgang mit Stress, das Pflegen von sozialen Kontakten oder das Gefühl Sinn in meinem Leben zu haben spielen eine wichtige Rolle bei der psychischen Gesundheit. &bdquo;Macht mein Leben Sinn?“ Das ist eine Frage, die vielleicht altmodisch klingt, aber sehr wichtig für die eigene Gesundheit ist. Wenn ich keine Antwort auf die Frage habe, macht mich das gefährdeter für psychische Probleme. Kommt die Vorsorge in Sachen psychischer Gesundheit in unserer Gesellschaft zu kurz? Die Prävention kommt bei uns zu kurz. Wir sind mehr auf die Behandlung und das Reparieren von Störungen bedacht. Es wird zum Beispiel immer wieder gefordert das Schulfach Gesundheit oder Glück einzuführen. Wir lernen im Sportunterricht, wie eine Übung richtig auszuführen ist. Aber wir lernen nicht, wie man sich psychisch gesund hält. Sind Sie dafür ein solches Schulfach einzuführen? Ich halte es für richtig, die psychische Gesundheit zum Unterrichtsfach zu machen. Das wäre sehr hilfreich, weil die Belastungen in dieser modernen, schnelllebigen sehr komplizierten Zeit immer weiter zunehmen.

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