Marienfeld. Das Ergebnis von 0:11 war eher nachrangig beim zweiten Meisterschaftsspiel der C1-Hauptrunde am Samstag, das regnerische Novemberwetter auch. Im Zentrum stand bei dem Lokalderby zwischen Schwarzweiß Marienfeld und FC Gütersloh der Unparteiische. Um den 21-jährigen Pascal Martin alias „Quallexd001“ live und in Farbe zu sehen waren die meisten der vielen Besucher zum Sportzentrum Ruggebusch gekommen.
Er leitete die Partie souverän. An vielen Stellen spielte der Schiedsrichter seine besondere Qualität aus: den Fußball mit seinen Abläufen, das Fair-Play, und seine Schiedsrichter-Entscheidungen zu erklären. Das ging schon los beim Einlaufen. Martin flüsterte den Fußball-Youngsters zu, wo und wie das mit dem Einlaufen funktioniert. Jedes Detail sagte der Fachmann an. „Jetzt winken wir nach hinten, wo gar keiner steht“, raunt er den Teams zu, als sie schon in die anderen Richtungen ihre Hände erhoben hatten. Martin sagte auch den Aufbau zum offiziellen Foto an, wieder mit Winken, dann Begrüßung, Seitenwahl, Anstoß.
Mit Paul Eichenauer und Luis Hayali hat Schwarzweiß dem prominenten Schiedsrichter zwei Linienrichter als Assistenz zur Seite gestellt. Die dürften sich noch lange an den Einsatz erinnern. Wieder zu Hause, postete Qualle ein Foto mit Hayali. „Zeit für Respekt“ stand darunter. Auch ein Foto von Frederik Lehnort mit Autogramm auf der Roten Karte schaffte es in die Galerie des Meisters. Zugleich kommentiert er dort die strittige Elfmeterentscheidung im Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die Türkei am selben Tag. So verbindet Martin seinen Auftritt mit einem Top-Ereignis des Tages.
Werbung für den Jugendfußball
Um den bekannten Schiedsrichter, der über 750.000 Follower bei Instagram hat, an den Ruggebusch zu holen, hatte die Jugendabteilung von Schwarzweiß Marienfeld weder Kosten noch Mühen gescheut. Staffelleiter, Gegner, Kreisverband, der ursprünglich angesetzte Schieri – alle mussten vorab zustimmen. „Es ist in erster Linie Werbung für den Jugendfußball“, erklärte Dennis Will, der mit seinem Jugendvorstandskollegen Jörg Brüggemann den Einsatz des Influencers initiiert und organisiert hat.
Zum Programm gehörte mehr als das Meisterschaftsspiel. Kurz nach dem Schlusspfiff stand „Qualle“ bereit für Autogramme und Selfies. Drei Stunden nach dem Anpfiff leitete der Bielefelder („Ich bin Arminia-Fan!“) im Clubheim des Vereins einen Workshop, an dem 50 C- und D-Jugendtrainer eine Lehrstunde bekamen. Fair-Play und Respekt standen ganz oben.
Auf 140 solcher Einsätze kommt Martin. Der Fußball, das Pfeifen, der umfangreiche Service über seine Social-Media-Kanäle sind inzwischen sein Beruf. Er lebt von den Einnahmen und hat seinen früheren Schulfreund als hauptamtlichen Assistenten engagiert. Der begleitet ihn mit der Videokamera, macht professionelle Fotos und Clips. Gemeinsam spielen sie die über Tiktok, Youtube und Instagram aus. Mit großem Erfolg. Ein Foto mit Bundesliga-Schieri Deniz Aytekin von Mai bekam über 90.000 Likes.
Qualle freut sich über das Heimspiel
Martins erstes Schieri-Video brachte es aus dem Stand auf 1,4 Millionen Klicks. Seither veröffentlicht der Influencer fast täglich Neues aus dem Schiedsrichter-Leben, interviewt Promis und schildert seine Sicht auf die Fußballwelt. Seine Tiktok-Videos wurden mehr als elf Millionen Mal angesehen. Auf Youtube lässt er seine Zuschauer an seinen Schieri-Einsätzen teilhaben, indem er sich von Freunden dabei filmen lässt.
„Jeder Einsatz ist besonders“, erzählt der 21-Jährige, als er vor dem Match in der Kabine die Schuhe schnürt. Draußen haben seine Mitstreiter längst den Fanshop aufgebaut, mit Shirts, Jogginganzüge und anderem Fankram. Alles ist bedruckt mit seinem Markenzeichen „Qualle“. Merchandising beherrscht der Newcomer perfekt.
„Tierisch gefreut“ habe er sich auf diesen Samstag sagt er und steckt gelbe und rote Karten in die Brusttasche seines schwarzen Shirts: „Endlich mal ein Heimspiel.“ Martin tourt durch die ganze Republik. „Bis Februar 2025 bin ich ausgebucht, alle wollen Veranstaltungen machen“, grinst er. Nach jetzt zwei Wochen Urlaub brennt Martin förmlich auf den Anpfiff. Zu den Spielen kommen für ihn Werbeauftritte. Fair-Play kommt eben überall gut an.
Mehr junge Menschen begeistern sich für den Schiedsrichter-Job
„Er erklärt die positiven Seiten des Fußballs“, sagt Will. Durch Martins Media-Aktivitäten sei es gelungen, viele junge Fußballfreunde für den Schiedsrichter-Job zu begeistern Für den Fußball ein Segen, meint Will. Denn das war nicht immer so war. Seit Jahrzehnten geht das Interesse an der Aufgabe des Unparteiischen zurück. Schon vor Jahren führte der Verband Erfüllungsquoten und Strafgebühren bei Nichterreichen für die Vereine ein. Und nun dreht ein Tiktok-Star den Trend mit erklärenden Videos. Ein Glücksfall für alle, für den DFB, die Vereine, den Fußball.
„Alle Kids waren glücklich, trotz des Regens“, zog Will zufrieden sein Fazit. Die Faszination, dem bekannten Schiedsrichter so nah sein zu können, habe für gute Stimmung gesorgt. Für Martin ging es tags darauf weiter. Sonntag war er Torwart – beim Ortsderby zwischen VfL Theesen III und Bielefeld-Ubbedissen.