Bahnhof-Sperrung: Einzelhandel im Gütersloher Bahnhof von den Plänen überrumpelt

Gütersloh. Die Nachricht, dass die Deutsche Bahn (DB) den Gütersloher Hauptbahnhof schon ab nächsten Montag, 20. November, wegen Gleisbett-Reparaturen für einen ganzen Monat von ihrem Streckennetz abschneidet, hat auch die Geschäfte in der Bahnhofshalle in Gütersloh vollkommen überraschend getroffen. Christian Schenke (57), Inhaber des Supermarktes nebst Bäckerei und Bistro, erfuhr nur durch einen Zufall davon. Ein Bahn-Mitarbeiter in oranger Weste hatte ihn am Donnerstag beim Kaffeetrinken plumpvertraulich zugerufen: &bdquo;Hey Chef, dir ist schon klar, dass wir hier gleich einen Aushang anbringen. Ab Montag hält hier kein Zug mehr.“ Der Geschäftsmann griff zum Telefon und hatte kurz darauf die Gewissheit, dass die 104.883 Einwohner zählende Großstadt tatsächlich bis zum 20. Dezember von keinem Zug mehr angesteuert wird. &bdquo;Keinerlei Information seitens der Bahn im Vorfeld. Für uns ist das eine Vollkatastrophe. Wir arbeiten in der totalen Abhängigkeit unserer Bahnkunden und die Erfahrung der letzten Jahre, insbesondere aus der Zeit des Corona-Lockdowns, hat uns leider gelehrt: Keine Bahn gleich keine Kunden. Wir reden von null Reisenden. Wir sind echt abgekoppelt“, verdeutlicht Christian Schenke den Ernst der Lage. Ab Montag fehlen die Pendler und Bahnreisenden. Das Geschäft muss dennoch weitergehen. &bdquo;Was sollen wir auch sonst machen? Ich kann ja nicht vier Wochen Betriebsurlaub machen. Das geht im Lebensmittel-Einzelhandel nicht.“ Im Fall von Schenke auch deshalb nicht, weil mit dem DB-Konzern vertraglich vereinbart ist, dass das Geschäft an 365 Tagen im Jahr geöffnet hat. Fast täglich zwischen 6 und 20 Uhr. &bdquo;Nur an Heiligabend ist um 18 Uhr Schluss.“ Na dann, frohes Fest! Lesen Sie auch: Gütersloher Hauptbahnhof einen Monat gesperrt - diese Linien sind betroffen Geschäftsmann rechnet mit Schaden in fünfstelliger Höhe Die Personalplanungen und Warenbestellungen für die Vorweihnachtszeit seien durch das Bekanntwerden der Bahn-Pläne am Donnerstag komplett über den Haufen geworfen worden, erklärt der Supermarkt-Chef. &bdquo;Drei Tage vorher! Es wäre nett gewesen, wenn man uns die Information etwas frühzeitiger gegeben hätte“, sagt Christian Schenke. Die Folgen seien weitreichend und für ihn verbunden mit einer &bdquo;erheblichen Schadenssumme“, die mutmaßlich im fünfstelligen Bereich gehen werde. &bdquo;Wir zahlen weiter Miete, Strom, Lohn und Gehalt – trotz Null-Verkehr.“ Schenke spricht von einer absoluten Ausnahmesituation. &bdquo;Dass gar kein Zug hält und Reisende bringt oder mitnimmt, das hatten wir in den vergangenen 25 Jahren noch nicht.“ Seit dem 5. Dezember 1997 gibt es den Markt im Bahnhof, der sich nebst Bistro und Bäckerei über eine Fläche von rund 300 Quadratmetern erstreckt. &bdquo;Wir sind der halbe Bahnhof. Dass die Leute bei uns keine Fahrkarten kaufen wollen, ist alles“, scherzt Christian Schenke, als eine Angestellte vorbeischaut. Sie will ihm ihr Neugeborenes zeigen. Ein Moment der Herzenswärme. Kurz darauf wird die Miene des Kaufmanns wieder ernst, denn gerade die Auswirkungen der DB-Pläne auf die Belegschaft bereiten ihm Sorgenfalten. Insgesamt 25 Mitarbeiter arbeiten beim Schenke im Bahnhof im Zwei-Schicht-System. &bdquo;Wir müssen Einzelne in den Urlaub schicken. Studenten und Aushilfen werden gebeten, sich anzupassen. Wichtig ist mir aber: Am Ende darf keiner frustriert sein“, sagt Christian Schenke und kündigt an, mit jedem Mitarbeiter Einzelgespräche führen und individuelle Lösungen finden zu wollen. Ebenso für belangvoll hält der Geschäftsmann auch die Feststellung, dass man trotz einer zu erwartenden harten Zeit nun nicht rumjammern wolle und es sicherlich auch gerade Schlimmeres in der Welt gebe. &bdquo;Wir müssen die Tatsachen so annehmen, wie sie nun mal sind und wir freuen uns darauf, dass ab dem 20. Dezember dann die Normalität zurückkehrt.“ Buchhandlung auch betroffen, Kritik von Pendlern und Reisenden Darauf hofft man wohl auch bei der benachbarten Bahnhofsbuchhandlung, die ebenfalls von der DB-Nachricht überrascht worden ist und während der Gleisbett-Reparatur-Phase geöffnet bleiben soll. &bdquo;Press & Books“, mit bundesweit 157 Verkaufsstellen Marktführer im deutschen Bahnhofsbuchhandel, gehört zur börsennotierten Schweizer Valora-Gruppe. Der Konzern äußerte sich am Freitag nicht zur Situation in Gütersloh. Recht entspannt ist die Lage dagegen bei den Taxifahrern vor dem Gütersloher Hauptbahnhof. Das Geschäft habe hier ohnehin zuletzt schon spürbar nachgelassen, sagt einer. Ein anderer erklärt: &bdquo;Für uns ändert sich nicht viel. Unter der Woche haben wir ohnehin mehr mit Krankenfahrten zu tun.“ Kritik äußern hingegen weiter Bahnreisende und Pendler hinsichtlich der unzureichenden Kommunikation der Deutschen Bahn und teils verwirrenden Informationen. Einem Ehepaar, das zwischen Oelde, Gütersloh und Bielefeld pendelt, wurde über die Info-Hotline sowie die DB-App mitgeteilt, dass ihre Linie am Montag in Gütersloh hält. &bdquo;Wie kann das sein? Und warum halten die Züge Richtung Minden nicht in Oelde?“ Auf ihre Fragen erhielten sie keine Antworten. Auch hinsichtlich des Schienenersatzverkehrs zwischen Brackwede und Rheda-Wiedenbrück sind noch Detailfragen ungeklärt. Für eine entsprechende Anfrage der &bdquo;Neuen Westfälischen“ waren am Freitag weder die Bahn noch Nahverkehr Westfalen-Lippe erreichbar.

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