Ärger über Güterslohs Bürgermeister: Morkes hat Gewerkschaften nicht verstanden

Gütersloh. Einladungen konfliktfrei zu gestalten, zählt zur hohen Kunst der Diplomatie. Nicht nur Brautpaare wissen das. Wen nehme ich auf die Liste, wen nicht? Wem signalisiere ich meine besondere Wertschätzung, wen könnte ich brüskieren? An solchen Fragen sind schon viele gescheitert, auch solche, die besten Willens waren. Norbert Morkes muss sich nun unter die Gescheiterten einreihen. Er hatte es gut gemeint. Nach mehreren Jahren Pause wollte er die Tradition des Arbeitnehmer-Empfanges wieder aufleben lassen, wollte den Beschäftigtenvertretern seine Anerkennung zollen, ihnen das Gespräch anbieten. Das Problem: Er strebte eine neue Form an. Das ging schief. Der Bürgermeister hatte sich überlegt, allen Arbeitnehmern seine Wertschätzung auszudrücken, nicht nur den gewerkschaftlich organisierten. Grundsätzlich ist dagegen wenig zu sagen. Nur: Wie bekommt man das unfallfrei hin? Und wie kommt das bei jenen an, die sich doch als Arbeitnehmervertretung verstehen? Verdi, zuständig für die Beschäftigten im Rathaus, war vergessen worden Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) jedenfalls hat gestaunt. Dass Morkes beim Verteilen seiner Einladungen etliche der acht Einzelgewerkschaften vergaß, darunter mit Verdi ausgerechnet jene, die für den öffentlichen Dienst und damit für seine Beschäftigten im Rathaus zuständig ist – geschenkt. Ein solcher Lapsus kann ja mal passieren. Wesentlich interessanter ist der Hinweis des DGB auf die Gepflogenheiten in anderen Orten, etwa Bielefeld oder Paderborn. Dort richten die Bürgermeister die Empfänge gemeinsam mit der Gewerkschaft aus, teilweise stimmen sie sogar den Termin miteinander ab. Pit Clausen (SPD) und Michael Dreier (CDU) kommt es unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit darauf an, das gewerkschaftliche Engagement in ihren Städten zu würdigen. Lesen Sie auch:Vorwürfe gegen Güterslohs Bürgermeister Morkes: "Er ignoriert gewählte Volksvertreter" Die Gewerkschaftsfunktionäre wissen das zu schätzen: Oft gehen sie, die Hauptamtlichen, gar nicht selber zu den Empfängen hin, sondern geben die Einladungen an jene weiter, die vor Ort, in den Betrieben ackern und sich am besten auskennen: an die Mitglieder, Vertrauensleute, die Ehrenamtlichen in den Betriebs- und Personalräten, die Jugendvertreter, die Engagierten in den Ortsverbänden. So lief es früher auch bei den Empfängen von Maria Unger in Gütersloh. Morkes hat das Wesen von Gewerkschaften nicht verstanden Der Punkt ist: Die Gewerkschaften wählen ihre Entsandten selber aus. Sie bestehen darauf, überall im Lande. Vom DGB etwa wären bei dem Gütersloher Empfang vier Menschen vertreten gewesen: ein Berufsschullehrer, ein Friedhofsgärtner, eine Verwaltungsfachkraft, eine Funktionärin. Mithin drei Ehrenamtliche und nur eine Hauptamtliche. Ähnlich hätten es die acht Einzelgewerkschaften gehandhabt. All deren Entsandte hätten sich in ihrem Engagement gewürdigt gefühlt, alle wären offiziell als Arbeitnehmervertreter legitimiert gewesen, als Menschen aus dem großen Beschäftigtenvolk, die erwiesenermaßen für andere Menschen einstehen. Dass Morkes im Sinn hatte, in diese Gepflogenheit einzugreifen, zeigt, dass er das Wesen von Gewerkschaften nicht verstanden hat. Er wollte selbst auswählen. Er bestand darauf, dass seine Einladung allein den Gewerkschaftsführern oder deren Vertreter gilt. Sie sei nicht weiterzuleiten. Ehrenamtliche, Betriebs- und Personalräte, die via Gewerkschaft gekommen wären, schloss er explizit aus. Stattdessen schrieb er die Unternehmen direkt an, knapp 40 an der Zahl. Kein Wunder, dass die Gewerkschaften die Teilnahme abgesagt haben Wie hat er sich das vorgestellt? Dass die Firmen, bei denen die Einladung ankommt, sie passend an jene durchreichen, die für die Interessen der jeweiligen Belegschaft sprechen? Ist das tatsächlich gewährleistet? Selbst unterstellt, dass das Weiterreichen mehr oder weniger gelingt, bedeutet es gleichwohl, dass Morkes den Gewerkschaften ihre Legitimation abspricht. Kein Wunder, dass sie darüber empört sind, kein Wunder, dass sich auf diese Weise in eine Statistenrolle gedrängt sahen, kein Wunder, dass sie die Teilnahme an dem Empfang abgesagt haben. Es scheint, als sei Morkes wieder in seine klassische Umarm-Falle getappt. Er hat ja alle lieb. &bdquo;Zusammenführen“, das ist sein Motto, doch auch in diesem Fall hat er verkannt, dass die geregelte Welt eine von Interessenvertretungen ist, von Lagern, die explizit für etwas stehen, die sich genau dafür gebildet haben und die ziemlich grantig werden, wenn man ihnen diese Funktion abspricht. Die gute Absicht von Morkes ist immerhin löblich Der DGB und seine Gewerkschaften sind jene, die die Interessen der Arbeitnehmer vertreten. Niemand sonst. Sie kämpfen dafür mit harten Bandagen. Dass sie dabei Trittbrettfahrer in Kauf nehmen, die zu knauserig sind, den Mitgliedsbeitrag zu zahlen, aber keine Hemmungen haben, das Erkämpfte einzustreichen, ist schon bemerkenswert genug. Sie wollen mit ihnen aber nicht noch gemeinsam auf Empfängen stehen. Schon gar nicht als Feigenblatt für jemanden, der sie gerne mitumarmt hätte. Klar, Morkes (BfGT) hätte es auch so halten können wie sein Vorgänger Henning Schulz (CDU). Einfach keinen Empfang mehr ausrichten. Dann sind die Fronten klar, dann kommen keine Missverständnisse auf. Die Gewerkschaften und jene, die sie vertreten, wissen dann, wo sie dran sind, nämlich ziemlich weit hinten. Da ist die gute Absicht von Morkes allemal löblicher. Immerhin.

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