Besonderer Job: Diese Frau geht für die Gütersloher Polizei im Internet auf Streife

Gütersloh. Als Gütersloher Polizisten Anfang September wegen eines Randalierers in einer städtischen Flüchtlingsunterkunft ausrücken, wissen sie schon nach wenigen Minuten einige Details. Sie werden es mit einem Mann zu tun bekommen, der sich seinem öffentlichen Facebook-Profil zufolge schon öfter mal in einer psychischen Ausnahmesituation befand. Derart wichtige Hinweise &bdquo;fischt“ Nadine B. aus den Tiefen des Netzes und übermittelt sie den Beamten bestenfalls noch während der Anfahrt zum Einsatzort. Die 29-Jährige arbeitet als sogenannter &bdquo;Intel-Officer“in der Leitstelle der Gütersloher Kreispolizeibehörde. Ihr Job: Sie sucht einsatzbegleitend im Netz nach frei zugänglichen Informationen, die die Arbeit der Streifenbeamten erleichtert und sicherer gestaltet. &bdquo;Mein Revier ist das World Wide Web“, sagt die Regierungsbeschäftigte, &bdquo;denn das Internet kann helfen, wenn es um Fotos oder Hintergrund-Infos über Verdächtige oder Vermisste geht.“ Ob Bilder, Filme oder Tweets – das Netz steckt voll mit relevanten Informationen über Personen, deren Umfeld und soziale Hintergründe. Sie zu finden, und das oft innerhalb von nur wenigen Minuten ist Sache von Nadine B. Sie geht quasi im Internet auf Streife und begleitet die Einsatzteams vor Ort, indem sie sie über die Leitstelle mit entsprechenden Informationen versorgt. &bdquo;Damit sollen die Beamten besser darauf vorbereitet werden, was sie erwartet.“ Gibt es ein Bild mit Kampfhund oder hat der Verdächtige eine Waffe? Bei der Kreispolizeibehörde Gütersloh arbeiten rund 300 Beamte in der Direktion Gefahrenabwehr und Einsatz (GE), die meisten davon im Streifendienst. Pro Tag stehen für sie rund 200 Einsätze auf dem Programm. Eine Vielzahl davon begleitet Nadine B. im Schichtdienst, indem sie den Funk verfolgt und im Ernstfall blitzschnell loslegt. &bdquo;Ich suche parallel zum Einsatz alles, was im Netz frei zur Verfügung steht und nutze die Gesamtheit der Sozialen Medien.“ Facebook, Twitter, Telegramm, Tiktok, Instagram & Co. seien wichtige Quellen voller &bdquo;Big Data“. Aber auch auf Homepages wird recherchiert, um die Kollegen mit ergänzenden Informationen aus dem freien Netz zu versorgen. Etwa, wenn sich häusliche Gewalt ereignet. &bdquo;In so einem Fall werde ich aktiv“, sagt Nadine B., die blitzschnell nach Postings, Telefonnummern, Hinweise auf Angehörige oder Kontaktpersonen sowie Fotos Ausschau hält. Gibt es ein Facebook-Profil von dem gewalttätigen Mann? Zeigt er sich auf einem Bild mit einem Kampfhund? Oder ist er Mitglied im Sportschützenverein und hat deshalb Zugriff auf eine Schusswaffe? Das Internet liefert oft Rückschlüsse und Antworten auf derlei Fragen, &bdquo;die dann für die Einsatzbewältigung nützlich und nutzbar sein können, etwa zur Eigensicherung“, sagt die Internet-Spezialistin. Alles Nützliche, was Nadine B. im Internet findet und verifiziert, schreibt sie am Computer ins Einsatzprotokoll und gibt es gleichzeitig an die Leitstelle weiter. Von dort aus werden die Kollegen vor Ort per Funk informiert. &bdquo;Bei Akut-Lagen funke ich auch selber.“ Doch nicht nur das sicherheitsrelevante &bdquo;Upgrade für die Kollegen“ gehört zu ihren Aufgaben. Durch schnelle Recherche lassen sich Selbstmorde verhindern Gefragt ist ihr Dienst als Informationsbeschafferin in Echtzeit auch bei Großlagen, Vermisstenfällen, Androhungen von Gewalttaten oder Suizid-Ankündigungen. &bdquo;Ein typischer Fall: Eine Frau informiert uns, dass ihr Ex-Freund weg ist und angedroht hat, sich etwas anzutun. Dann versuche ich zum Beispiel herauszufinden, ob es mögliche Hinweise auf Lieblingsorte oder Kontaktpersonen gibt, die uns weiterhelfen könnten.“ Schnelle Recherche kann dabei helfen, einen Freitod zu verhindern. In ihrem Büro im Polizei-Hauptsitz an der Herzebrocker Straße fallen vor allem die beiden 34 Zentimeter hohen und 1,14 Meter breiten Curved-Bildschirme ins Auge, mit denen Nadine B. alles im Blick behält. Scheinbar unzählige geöffnete Fenster: E-Mails, Landkarten, Chats, Polizeiprogramme und Medien gehören dazu. Telefon, Funkgerät, Rechner und noch zwei Bildschirme vervollständigen die Ausrüstung. Wichtig sei es, polizeiliche Abkürzungen und Funkrufnamen zu beherrschen. &bdquo;Zum A und O gehört aber vor allem, dass man sich im Netz gut auskennt, in Ad-hoc-Situationen schnell, kreativ und anpassungsfähig ist sowie lösungsorientiert und eigenständig arbeitet“, erklärt die 29-Jährige. Kreispolizeibehörde Gütersloh sucht weiteren Intel-Officer Fachleute sprechen bei der Suche von sicherheitsrelevanten Informationen aus frei verfügbaren Quellen von Open Source Intelligence (OSINT). 2018 initiierte die Polizei das Forschungsprojekt Sentinel (zu deutsch: Wächter), das in Osnabrück, Dortmund und München gestartet wurde. Seit zwei Jahren sucht die Polizei in Nordrhein-Westfalen verstärkt nach Social-Media-Rechercheuren. Aktuell sind in den meisten der 47 Kreispolizeibehörden des Landes NRW Personen als Intel-Officer beschäftigt, man kann also von Flächendeckung sprechen. Die Kreispolizeibehörde Gütersloh verfügt über zwei Stellen, von denen eine in Kürze neu ausgeschrieben wird. &bdquo;Der andere Kollege, der bislang als Intel-Officer tätig war, tritt jetzt die Laufbahn als Kommissaranwärter an“, klärt Polizeisprecherin Katharina Felsch auf. Deshalb wird eine weitere Person gesucht, die bei der Kreispolizeibehörde Gütersloh als Intel-Officer anfängt und darauf eingestellt ist, auch mal am Wochenende oder nachts im Internet auf Streifzug zu gehen. Die Stellenausschreibung wird in den nächsten Tagen veröffentlicht, durch die Polizei unter anderem in den Sozialen Medien aktiv beworben und auf den gängigen Portalen zu finden sein. Als Quereinsteigerin angekommen Nadine B. ist seit Mai an Bord und hat seitdem geschätzt schon &bdquo;einige hundert Fälle“ bearbeitet. Sie ist eine klassische Quereinsteigerin. &bdquo;Ich habe eigentlich BWL studiert und komme aus der Marketing-Branche“, erzählt die junge Frau aus dem Kreis Gütersloh, die ihre Ausbildung in verschiedenen Modulen absolviert hat. Letzte Woche noch sei sie auf einer Fortbildung bei der Landesanstalt für Aus- und Fortbildung der Polizei in Selm gewesen. Jetzt sitzt Intel-Officer Nadine B. wieder in ihrem Büro, durchstreift das Internet auf der Suche nach wichtigen Informationen und nutzt Facebook als Freund und Helfer.

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