Rausch aus Luftballon: Jugendliche konsumieren Lachgas in Gütersloher City

Gütersloh. Ein unscheinbar wirkender, kleiner Haufen von Ballonhüllen am Boden könnte ein Indiz sein für die Beobachtungen, die Anwohner am Gütersloher Rathaus in den vergangenen Wochen häufiger mal machen. Immer wieder werden rund um den Konrad-Adenauer-Platz junge Menschen gesehen, die eine Substanz aus schwarzen Luftballons inhalieren – vermutlich für den schnellen Rausch. Denn bei dem Inhalt handelt es sich um Lachgas, wie auch die Polizei bereits registriert hat. Einschreiten müsste sie nicht, denn der &bdquo;Stoff“ ist völlig legal. &bdquo;Man atmet es ein, um kurz high zu werden. Es macht ein euphorisches Gefühl“, schildert Peter Köching, Leiter der Caritas-Suchtberatung in Gütersloh. Dort sei die eher selten beachtete Form des Rauschmittelkonsums in der Jugendberatung aktuell zwar &bdquo;kein Massenphänomen“, berichtet der 49-Jährige. Die Beobachtungen der Anwohner würde er jedoch &bdquo;durchaus als realistisch“ bezeichnen. Zur Wahrheit gehört zudem: Lachgas ist gefährlich und birgt gesundheitliche Risiken. Über die Folgen äußert sich ein Arzt des Gütersloher Klinikums. So äußert sich die Gütersloher Polizei zum Thema Lachgas &bdquo;Wir beobachten auch, dass Lachgas konsumiert wird und sehen das sehr kritisch. In solchen Fällen versuchen wir, präventiv einzuwirken und über die Risiken zu informieren“, sagt die Gütersloher Polizei-Pressesprecherin Katharina Felsch. Viele andere Alternativen als Aufklärung bleiben den Beamten jedoch nicht. Denn in Deutschland fällt Lachgas nicht unter das Betäubungsmittelgesetz und ist seit 2016 frei verkäuflich. Auch Besitz, Kauf und Konsum sind laut Katharina Felsch strafrechtlich nicht relevant. Ein zusätzliches Problem: Die Partydroge ist in Form von Gasflaschen oder Kapseln zum Aufschäumen von Sahne, deren Inhalt in die Ballons umgefüllt wird, leicht zu bekommen und vergleichsweise günstig. Im Internet wirbt ein Discounter mit dem Angebot von 36,99 Euro für 100 Stück. Ein anderer Anbieter offeriert zehn Stück für 6,49 Euro. &bdquo;Doch man kann es auch einfach im Supermarkt erwerben, genau wie Feuerzeugbenzin, was ebenfalls sehr gefährlich ist“, sagt Peter Köching über die sogenannten Schnüffelstoffe. Er erinnert sich an einen Fall, in dem ein 13-Jähriger aus Rheda-Wiedenbrück beim Inhalieren von Feuerzeugbenzin aus einer Plastiktüte im Jahr 2004 einen tödlichen Hirnschlag erlitten hatte. Schnüffelstoffe seien in europäischen Breitengraden nicht die Nummer eins beim Drogenkonsum, erläutert der Sucht-Experte, häufig aber vor allem bei Jugendlichen ein Thema. 1.569 Menschen haben 2022 die Suchtberatung im Kreis Gütersloh aufgesucht Generell, so vermutet der Fachbereichsleiter der Caritas-Suchtberatung in Gütersloh, spiele das Lachgas überwiegend in der Altersgruppe von 13 bis maximal 21 Jahren eine Rolle. &bdquo;Beim Inhalieren ist es sehr kalt im Hals. Der Rausch hält allerdings nicht lange an.“ Zwischen einigen Sekunden und höchstens fünf Minuten dauert der Zustand. Die erhoffte Wirkung: Halluzinationen, Wärme und Glücksgefühle. Insgesamt 1.569 Menschen, davon 1.200 Betroffene und rund 300 Angehörige, haben im vergangenen Jahr die Dienst der Sucht- und Drogenberatung der Caritas für den Kreis Gütersloh in Anspruch genommen. Hauptthemen seien dabei der Konsum von Alkohol (387), Cannabis (367) und Opiaten wie Heroin (250). &bdquo;Der Anteil von Unter-27-Jährigen liegt bei 30 Prozent“, schildert Peter Köching. Lachgas taucht in der Caritas-Statistik zwar noch nicht auf. &bdquo;Aber, auch wenn wir das hier nicht belegen können, scheint das Thema dennoch ein gewisser Trend zu sein, gerade in europäischen Nachbarländern“, erklärt der Sucht-Experte. Köching warnt vor den Risiken, den gesundheitlichen Folgen, wie etwa Sehstörungen oder Nervenschäden, aber auch vor größerer Unfallgefahr für Konsumenten im öffentlichen Raum. Er findet es durchaus sinnvoll, auf das Thema aufmerksam zu machen: &bdquo;Allein schon, damit Eltern informiert sind, was es damit auf sich haben könnte.“ Chefarzt vom Klinikum Gütersloh über die akuten gesundheitlichen Risiken In englischen Krankenhäusern hatten Neurologen im vergangenen Jahr eine regelrechte Epidemie unter jungen Menschen beobachtet, die ins Krankenhaus eingeliefert wurden, weil sie Lachgas konsumiert haben. Davon ist man in Gütersloh weit entfernt. Weder im Sankt Elisabeth Hospital noch in der Zentralen Notaufnahme des Klinikums Gütersloh ist bis heute ein Fall eines Patienten aufgetreten, der mit einer Lachgasvergiftung eingeliefert wurde. Gleichwohl kann einem beim Konsum der Modedroge schnell das Lachen vergehen, denn die gesundheitlichen Folgen des kurzzeitigen Rausches können enorm sein. &bdquo;Lachgas sollte grundsätzlich nicht ohne ärztliche Begleitung eingesetzt werden. Es birgt akute Risiken“, weiß Thomas Grau, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Operative Intensivmedizin, Notfall- und Schmerzmedizin im Klinikum Gütersloh. Durch Sauerstoffmangel kann das Gehirn erheblich geschädigt werden. Der Verlust der Koordinierung und des Gleichgewichts, kurzzeitige Orientierungslosigkeit und die Gefahr sich durch Ohnmacht zu verletzen seien ebenso zu bedenken. &bdquo;Aber auch Langzeitfolgen können durch einen übermäßigen und regelmäßigen Konsum entstehen“, spricht Grau von psychischer Abhängigkeit, einer Schädigung des Nervensystems und der Inaktivierung von Vitamin B12 im Körper.

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