"Zeitenwende on Tour" in der Gütersloher Stadthalle - Schüler diskutieren mit Experten

Gütersloh. &bdquo;Das erste, was ich morgens mache, ist Nachrichten hören“, sagt Liz Mohn und man merkt ihr an, dass sie in Sorge ist. Noch nie habe sie so viele weltpolitische Nachrichten konsumiert, wie in den vergangenen eineinhalb Jahren. &bdquo;Wir leben in einer zerrissenen Welt.“ Junge Menschen hätten heute andere Voraussetzung als Liz Mohn damals, als sie selbst jung gewesen sei. &bdquo;Viele Jugendliche hätten seit der Pandemie Ängste entwickelt, &bdquo;die wir ernst nehmen müssen.“ Und so lädt sie ein, um über die Herausforderungen der Zukunft zu sprechen. Das Format? &bdquo;Zeitenwende on tour“ – eine Gesprächsrunde mit Christoph Heusgen, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz. Moderiert wird die Veranstaltung vom früheren Heute-Journal Moderator Claus Kleber. 350 Jugendliche vom Bertelsmann Berufskolleg, Reinhard Mohn Berufskolleg, Städtisches Gymnasium Gütersloh, Janusz Korczak Gesamtschule und der Richard von Weizsäcker Gesamtschule Rietberg hören in der Gütersloher Stadthalle zu. Sina Rustemeier, Viron Lykopoulos, Connor Eusterfellhaus und Lena-Sophie Weiß sitzen stellvertretend für ihre Altersgruppe auf dem Podium. &bdquo;Es gibt kein Gefühl von Sicherheit mehr. Man muss irgendwie auf alles gefasst sein“, lautet Lena-Sophies Fazit mit Blick auf den Angriffskrieg in der Ukraine. Ihr Schlusswort beschreibt, was vor sich geht: Eine ganze Generation ist in Hab-Acht-Stellung. Ein Schüler aus dem Publikum pflichtet ihr bei: &bdquo;Wir sind viel angreifbarer geworden, das Leben ist unkontrollierbar. Unsere Mentalität hat das deutlich beeinträchtigt.“ Moderator Claus Kleber will es genauer wissen, fragt nach, ob das Thema Krieg in der Ukraine und die Einordnung der Nachrichtenlage im Schulunterricht eine Rolle spielt. Nein, das tut es augenscheinlich nicht. Bei niemandem. "Zeitenwende on Tour" erstmals mit Jugendlichen 14 mal ist &bdquo;Zeitenwende on Tour“ in den vergangenen Monaten in Deutschland ausgerichtet worden – mit Erwachsenen. Gütersloh ist das erste intensive Format mit Jugendlichen. &bdquo;Wir wollen die wichtigen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik mit den Menschen in unserem Land diskutieren, Zusammenhänge verständlich machen und die Erwartungen der Bürger an die Zeitenwende aufnehmen“, erklärt Christoph Heusgen, &bdquo;Wir brauchen jetzt diese breite gesellschaftliche Debatte.“ Heusgen ist seit 40 Jahren Botschafter, hat die Außenpolitik der EU vertreten, Angela Merkel zu allen außen- und sicherheitspolitischen Fragen beraten und hat dem UN-Sicherheitsrat vorgestanden. Kaum jemand ist näher dran an Krieg und Frieden als Christoph Heusgen. Ein Polit-Promi, der bescheiden daher kommt und den Zuhörern erklärt, warum er selbst doch zu dem Ergebnis gekommen ist, dass Wladimir Putin Schuld an diesem Angriffskrieg sei. Der Ukraine eine Mitschuld zu geben, sei nicht richtig. Er berichtet vom Minsker Abkommen 2015, das Merkel federführend mit Putin ausgehandelt habe – während Heusgen im Hinterzimmer sitzt. Journalist Claus Kleber erklärt, dass es für ihn selber nicht die erste Zeitenwende sei. Die erste sei vor 30 Jahren die Einigung auf die Atomare Abrüstung zwischen den USA und Russland gewesen. Putin habe damals zugestimmt. &bdquo;Das hat sich leider erledigt. Ihr bekommt die gleichen Herausforderungen, wie wir sie damals hatten“, so Kleber. Wehrpflicht wieder einführen? Aber ist die viel zitierte &bdquo;Zeitenwende“ von Bundeskanzler Olaf Scholz überhaupt das drängendste Thema der Jugendlichen? &bdquo;Das Wort benutzt niemand“, sagt Viron Lykopoulos vom Städtischen Gymnasium. &bdquo;Es ist auch weniger die Kriegsangst, die uns umtreibt, als die totale Erschöpfung beim Blick auf die Nachrichten.“ Es seien zu viele Krisen gleichzeitig. Dazu kommen andere Themen. &bdquo;Die Schulen müssen dringend besser ausgestattet werden, es fällt wahnsinnig viel Unterricht aus“, sagt Connor Eusterfellhaus. Die Klimakrise überschattet vieles. &bdquo;Wir kämpfen für den Erhalt dieser Erde und Brasilien interessiert sich nicht für den Abbaustopp des Regenwaldes. Das ist frustrierend“, findet Lena-Sophie. Wie viel Verlass ist noch auf Amerika und die Nato? Johannes Winkel, seit November Chef der Jungen Union und ebenfalls auf dem Podium vertreten, spricht sich dafür aus, die Wehrpflicht in Deutschland wieder einzuführen. Er selbst wäre mit 31 Jahren freilich nicht davon betroffen, die jungen Männer in der Stadthalle sprechen sich dagegen aus. Viron hat eine doppelte Staatsbürgerschaft. &bdquo;Alle meine Verwandten in Griechenland müssen zum Militär. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich das nicht muss.“ Eine soziale Dienstpflicht, wie Bundespräsident Steinmeier sie sich wünscht, findet Viron hingegen gut. &bdquo;Die Wehrpflicht wieder einzuführen macht keinen Sinn“, beendet Heusgen die Debatte. &bdquo;Die Defizite der Truppe werden dadurch nicht gedeckt.“ Gesucht würden hochqualifizierte IT-Profis, die nicht nach ein paar Monaten wieder gehen. Die Bundeswehr habe kein Interesse an der Wiedereinführung der Wehrpflicht. Ein Thema aus verschiedenen Perspektiven betrachtet &bdquo;Wir haben junge Menschen in einer Studie befragt, mit wem sie eigentlich über die Ukraine sprechen“, erklärt Matthias Meis vom Liz Mohn Center der Bertelsmann Stiftung. Das Ergebnis: &bdquo;Fast ausschließlich mit Freunden und Familie. Nur zehn Prozent sprechen in der Schule drüber.“ Das scheint zu wenig. &bdquo;Das wie ist dabei so wichtig wie das ob“, deswegen ist die Stiftung Partner von &bdquo;Zeitenwende on tour“, denn es ist gut, wenn unterschiedliche Leute aus verschiedenen Perspektiven auf ein Thema blicken – erst recht, wenn es um die Entwicklung rund um die Ukraine geht.

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