Bekannter Kult-Trainer beim FC Gütersloh: Was macht eigentlich Hannes Linßen?

Fußball-Gütersloh ist gerade in die deutsche Viertklassigkeit zurückgekehrt. Wie beurteilen Sie die Entwicklung des FCG aus der Ferne und verfolgen Sie noch, was Ihr alter Klub so macht? Hannes Linßen: Den Aufstieg habe ich natürlich mitbekommen. Aber die Entwicklung kann ich nicht bewerten, weil der FCG in der hiesigen Presse nicht stattfindet. Ab und an ruft mal jemand aus Gütersloh an. Dietmar Starke (Teammanager beim FCG II, Anm. d. Red.) hat mir vor kurzem erzählt, dass Vanni (Dirk van der Ven, Anm. d. Red.) mit der zweiten Mannschaft aufgestiegen ist. Zu Heribert Bruchhagen habe ich noch losen Kontakt, ansonsten bekomme ich hier aber wenig vom Geschehen in Gütersloh mit. Das Schöne ist, dass sich das bald ändert. Durch den Aufstieg wird ja jetzt auch wieder überregional über den FCG berichtet. Also Glückwünsche haben Sie nicht nach Gütersloh geschickt? Nein. Die Kontakte sind ja im Prinzip kaum noch da. Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich Gütersloh nicht schätze. Im Gegenteil: Ich hatte dort eine prima Zeit und es war auch spannend. In meinem ersten Jahr sind wir knapp drinnen geblieben und hatten die Steuerfahnder zu Besuch. An dem Tag rief Christian Meyer mitten im Training: Du Trainer, ich muss mal schnell zu meiner Oma. Plötzlich waren alle anderen auch weg und ich stand nur noch alleine mit den Neueinkäufen da. Das waren aufregende Tage. Sie waren der Trainer der Kult-Truppe des FC Gütersloh in der 2. Bundesliga von 1996 bis 1998. Ihre Mannschaft galt aufgrund der Skandaldichte als untrainierbar. Wie oft wollten Sie hinschmeißen? Nein, diesen Gedanken gab es nicht. Wir hatten Grundregeln. Wer fünf Minuten zu spät kam, durfte nicht mittrainieren. Wer bei Spielen nicht zur exakten Abfahrtszeit da war, der hatte Pech. Ansgar Brinkmann hatte einmal den Bus wieder verpasst. Er fuhr hinterher, überholte uns und wartete an einer Autobahnraststätte, um zuzusteigen. Da stand er dann winkend, aber wir sind einfach weiter gefahren. Natürlich gab es viele Dinge, bei denen die Spieler etwas anders waren. Ich wäre nicht überrascht gewesen, wenn einer nachts vorm Spiel auf St. Pauli auf der Reeperbahn aufgetaucht wäre. Aber die Spieler hatten eine Fähigkeit: Auch wenn ich beim Training noch gedacht hatte Man, sind die Jungs blind – Sie wussten immer, wann Sonntag war. Und wir konnten auch nur deshalb so erfolgreich sein, weil wir viele durch und durch professionelle Spieler hatten, wie etwa Christian Meyer, Rob Reekers, Frank Scharpenberg, Willi Landgraf oder auch Wojciech Choroba. Ansgar Brinkmann, Dirk van der Ven, Willi Landgraf & Co. - Sie nannten Ihr Team eine &bdquo;Ansammlung von Pflegefällen“. Wer war der größte – und warum? Heute möchte ich keinen mehr als Pflegefall bezeichnen, sonst würde ich jemanden angreifen. Willi Landgraf war sowieso alles andere als ein Pflegefall. Er war eine Bank. Der machte auf dem Platz die Großen klein und die Schnellen langsam. Vanni war mal ein paar Tage abgetaucht. Radio Gütersloh fragte schon, wo er geblieben war. Dienstags war er verschwunden, freitags war er auf einmal wieder da. Ich habe ihn nicht suspendiert. Im Spiel danach in Essen war er der beste Mann auf dem Platz. Er hat dann noch 2.000 D-Mark in die Teamkasse gezahlt, damit war der Fall erledigt. Ansgar Brinkmann ist als Typ genauso außergewöhnlich wie er als Spieler war. Ich werde nie vergessen, wie ich einen Anruf von der FCG-Geschäftsstelle bekam: Trainer, du musst kommen. Der Ansgar hat getanzt Na und, erwiderte ich, dann lass den Ansgar doch tanzen. Aber Trainer, er hat auf dem Dach eines Taxis getanzt. Also bin sofort los. Damals war er nach dem Feiern über acht oder neun Taxen gehüpft und hatte einen Straßenzug in Schutt und Asche gelegt. Wir hatten schon ungewöhnliche Typen, musste aber auch aufpassen, dass es nicht auf die Stimmung in der Mannschaft überschlägt. Zu welchen Ihrer &bdquo;Pflegefälle“ von damals haben Sie heute noch Kontakt? Den Ansgar habe ich zweimal getroffen und Christian Meyer auch einmal. Mit Adam Matysek (damals polnischer Nationaltorhüter, Anm.d.Red.) habe ich vor kurzem noch gesprochen. Der ist heute Sportlicher Leiter bei Górnik Zabrze, wo Lukas Podolski spielt. Wo und wie genießen Sie selbst heute Ihren Ruhestand? Ich lebe mit meiner Frau Liesel in Köln-Nippes. Im Großen und Ganzen geht es mir gut, aber ich habe seit einem halb Jahr Diabetes. Das hat mich etwas aus der Bahn geworfen. Ich hatte stark abgenommen, aber jetzt geht es wieder besser. Ich laufe und spiele Tennis. Mit meiner Frau fahre ich viel Fahrrad im Kölner Grüngürtel. Unser Sohn Lukas ist auch im Fußballbereich tätig. Er arbeitet bei Eintracht Frankfurt im Merchandising-Bereich. Eines Ihrer Markenzeichen sind die Haare. Die Spieler nannten Sie liebevoll Gargamel, wie den Zauberer der Schlümpfe, anderen fiel die Ähnlichkeit zu Krusty dem Clown aus der TV-Zeichentrickserie &bdquo;Die Simpsons“ auf. Welche Frisur war zuerst da? Ich weiß es nicht. Ich bin mit 18 Jahren Profi beim MSV Duisburg geworden. Da hatte ich noch Haare, aber dann sind die in der Mitte weggegangen. So bin ich dann 16 Jahre als Profi rumgelaufen. Wenn der Wind kam sah es anscheinend lustig aus. Heute trage ich alles kurz. Der Gütersloher Friseur Matthias Böhler soll Ihnen mal angeboten haben, die Haare abzuschneiden. Was war Ihre Antwort? Das Angebot hatte ich öfter. Meistens habe ich gesagt: Nein, so laufe ich seit 20 Jahren rum, das bleibt so. Aber einmal sind mir die Haare doch abgeschnitten worden – beim Weihnachtsurlaub im Senegal. Die Temperaturen dort waren so heiß, da bin ich im Friseurstuhl eingeschlafen. Als ich wieder aufwachte, war alles weg. Der FC Gütersloh ist in die Regionalliga aufgestiegen, in der auch Ihr Stammverein Fortuna Köln und der 1. FC Köln II zu finden sind. Schauen Sie sich demnächst die Spiele gegen den FCG an? Ich gehe noch zu Fortuna-Heimspielen, habe dort meinen Stammplatz. Wenn Gütersloh kommt, bin ich natürlich mit dabei und schaue mir das Spiel an. Ansonsten bin ich hin und wieder auch beim FC und verfolge ein Bundesligaspiel. Noch einmal zur 2. Liga: Der FCG war Ihre letzte Trainerstation. Sie und der Klub trennten sich, später kam für den Verein die Insolvenz. Wie blicken Sie heute auf Ihr Kapitel in Gütersloh zurück? Ich blicke positiv auf die Gütersloher Jahres zurück. Ich finde, dass wir das zwei Jahre lang – alle die da waren – unter schweren Bedingungen durch die Lizenzprobleme schon gut gemacht haben. Ich war sehr enttäuscht, dass wir 1998, als wir am Ende knapp Fünfter wurden, nicht aufgestiegen sind. Die Trennung ging dann auch von mir aus. Ich bedauere es sehr und verstehe auch nicht ganz, dass der Verein später abgestiegen ist. Es war doch genügend Substanz da, um etwas zu verändern. Am Ende ist die Frage, welche Rolle Volker Graul (der damalige Manager, Anm.d.Red.) gespielt hat. Ich weiß nicht, ob er dem Verein wirtschaftlich geschadet hat. Eines ist für mich aber klar: Er hat viel bewegt in Gütersloh. Zum Abschluss: Was wünschen Sie dem FCG für die Regionalliga? Ich wünsche dem FC Gütersloh. Dass er in der 4. Liga bestehen kann, sich etabliert und möglicherweise noch mal so eine Zeit erwischt wie wir damals.

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