Ärger nach Autounfall: Gütersloher kämpft mit Versicherung vor Gericht

Gütersloh. Das Datum vergisst er nicht: Es ist der 26. März 2022. Ein Samstagmittag, um kurz vor ein Uhr, als Jürgen Hahn und seine Begleitung auf der B61 in Gütersloh Richtung Bielefeld unterwegs sind. Kurz hinter der Kreuzung an den Stadtwerken passiert es: Beim Anfahren vom Seitenstreifen übersieht ihn ein anderer Autofahrer und kracht ihm in sein Mercedes E-Klasse Cabriolet – etwa 17.000 Euro Schaden. Hahn will die Summe nach Gutachten begleichen lassen, mittels einer fiktiven Abrechnung. Doch die Versicherung des Unfallverursachers, der LVM (Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster), setzt immer wieder Kürzungen auf, mit anderer Werkstatt und anderen Preisen, die – wie Hahn herausbekommen haben will – jedoch nicht der aktuellen Realität entsprechen. Jetzt treffen sich beide Parteien vor Gericht. In Saal 103 des Amtsgerichts Gütersloh wird am Montag die Streitsache Hahn/LVM mit dem Aktenzeichen &bdquo;10 C 487/22“ behandelt, bei der es nüchtern betrachtet um eine Schadensersatzzahlung nach einem Verkehrsunfall geht. Doch für Jürgen Hahn geht es um mehr, denn für den 60-Jährigen steckt System hinter dem Vorgehen der Versicherungsgesellschaft. Gutachten vollautomatisiert mittels Künstlicher Intelligenz? Immer wieder käme es vor, dass Versicherungen berechtigte Ansprüche der Geschädigten zurückweisen, mit Tricks kürzen oder zumindest die Regulierung verzögern würden. &bdquo;Oftmals geht es dabei um Summen, für die sich der Einsatz eines Rechtsanwalt so gerade nicht zu lohnen scheint. In vielen Fällen geht die Taktik auf, weil die Geschädigten die Dinge so hinnehmen oder irgendwann mürbe sind und sich auf ein niedrigeres Angebot einlassen“, sagt Jürgen Hahn. Der Gütersloher setzt sich zur Wehr und beschreitet den Klageweg. Die Überreste seines erst Ende 2017 zugelassenen Unfallfahrzeugs hat er zwar verkaufen können. Doch ihm steht eine Abrechnung nach dem Sachverständigengutachten zu. &bdquo;Ein neutraler Sachverständiger hat ein entsprechendes Gutachten erstellt. Das haben wir eingereicht. Kurz darauf gab es die Antwort: eine Stellungnahme über Control Expert mit einer deutlich geringeren Summe“, erzählt Jürgen Hahn. Bei Control Expert handelt es sich um einen digitalisierten Dienstleister im Schadenmanagement der Versicherungen, der nach eigenen Angaben jährlich über 14 Millionen Gutachten, Kostenvoranschläge, Rechnungen und Wartungsbelege bearbeitet – und das teilweise vollautomatisiert mittels Künstlicher Intelligenz. Gestritten wird um einen Differenzbetrag von 1.500 Euro Im Fall von Jürgen Hahn kam es zu 1.500 Euro Differenz. &bdquo;Für mich geht es aber nicht nur um den Betrag sondern auch darum, ein Zeichen zu setzen. Denn hierbei kann man nach meinem Dafürhalten von Prozessbetrug sprechen und durchaus überlegen, ob das systematisch betrieben wird.“ Sein Vorwurf: Die Versicherung des Unfallverursachers hat &bdquo;widerrechtlich durch falsche Angaben Leistungen gekürzt“, so Jürgen Hahn. Der Gütersloher lässt sich durch die Rechtsanwaltskanzlei von Dirk Wiedemann aus Harsewinkel vertreten. Konkret geht es vor allem um wahrheitswidrige Angaben zur behaupteten Höhe der Stundenverrechnungssätze. Statt der von seinem Sachverständigen für das Gutachten ausgewählten, ortsnahen Werkstatt zog der LVM einen anderen Mercedes-Fachhändler im weiter entfernt gelegenen Halle vor. Dort hätte er sein Unfallfahrzeug kostengünstiger reparieren lassen können. Die Verrechnungssätze seien deutlich niedriger, hieß es. Obendrein wurde als Service ein Hol- und Bringdienst angepriesen. &bdquo;Das ist alles Quatsch. Ich habe mit Verantwortlichen des Unternehmens und von anderen Werkstätten gesprochen. Weder gibt es dort einen Hol- und Bringdienst, noch entsprechen die gewählten Stundenverrechnungssätze im Gutachten den aktuellen Werten oder denen zum Zeitpunkt des Unfalls“, so Jürgen Hahn. Vielmehr seien Sätze zugrunde gelegt worden, die vor dem letzten Jahr gegolten hätten und damals niedriger waren als die heutigen. &bdquo;Es sind schlichtweg falsche Angaben gemacht worden. Ich wurde getäuscht. Hätte ich nicht nachgehakt, hätte ich vermutlich bares Geld verschenkt. Aber es gibt bestimmt viele andere Menschen, die dem widerspruchslos zustimmen“, erklärt Jürgen Hahn. Die Unfallregulierung in seinem Fall will er jetzt juristisch klären lassen. Sachverständige und Mitarbeiter der KfZ-Fachhändler als Zeugen vorgeladen Am Amtsgericht Gütersloh sollen an diesem Montag auch Zeugen für eine Aufklärung sorgen. Unter anderem sind der Sachverständige sowie Verantwortliche der beiden Mercedes-Fachhändler aus den jeweiligen Gutachten vorgeladen worden. Die LVM-Versicherung war bislang für ein Statement nicht mehr erreichbar. Verhandlungen, in denen ein Versicherer nicht die volle Summe zahlen will, gibt es am Amtsgericht Gütersloh häufiger einmal. Jürgen Hahn hofft auf ein entsprechendes Urteil und darauf, dass von seinem Fall letztlich eine Signalwirkung ausgeht und er die volle Summe zugesprochen bekommt. &bdquo;Damit Versicherungen nicht meinen, sie könnten tun und lassen, was sie wollen.“

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