Nach Amoklauf in Hamburg: Zeugen Jehovas in Gütersloh sind entsetzt und schockiert

Gütersloh. Nach dem Amoklauf bei den Zeugen Jehovas in Hamburg ist die Glaubensgemeinschaft in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Auch im Großraum Gütersloh gibt es nach eigenen Angaben rund 1.000 Mitglieder der religiösen Gruppierung. Sie selbst versteht sich als christlich orientierte Religionsgemeinschaft mit eigener Bibel-Auslegung, ihre Kritiker bezeichnen sie als Sekte. &bdquo;Wir waren alle sehr schockiert und sind entsetzt, weil wir absolute Gewaltfreiheit praktizieren und auch keine Waffen besitzen“, erklärt Thomas Andres. Der 65-Jährige nimmt bei den Zeugen Jehovas der Gemeinde Gütersloh West die Position eines Gemeinde-Seelsorgers ein. Er äußert sich zur gegenwärtigen Stimmung, den Zusammenkünften und darüber, weshalb die Zeugen jetzt auch wieder verstärkt an der Haustür zu treffen sind. Samstag am vergangenen Wochenende, im Gütersloher Ortsteil Pavenstädt: Ein älterer Herr und ein junges Mädchen klingeln an den Türen mehrerer Häuser. Sie wollen einladen zur Veranstaltung &bdquo;In Erinnerung an Jesu Tod“. So besagt es der Titel eines Flyers, den sie interessierten Menschen aushändigen wollen. Aus dem Inhalt geht hervor, dass es sich bei ihnen um die Zeugen Jehovas handelt, die unter anderem für eine Gedenkfeier am 4. April in die Aula des Städtischen Gymnasiums &bdquo;werben“. Lange Zeit hat man die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft an der Haustür nicht mehr wahrgenommen. Jetzt klingeln sie wieder. So kurz nach dem Attentat in Hamburg. Ein Zufall? Wie sich der Amoklauf auf hiesige Veranstaltungen auswirkt &bdquo;Tatsächlich hat beides nichts miteinander zu tun. Bedingt durch Corona konnten wir in den letzten zwei Jahren kaum Besuche an Haustüren durchführen. Jetzt bieten wir wieder das persönliche Gespräch an und laden zu unseren öffentlichen Veranstaltungen ein“, erklärt Thomas Andres auf Nachfrage der &bdquo;Neuen Westfälischen“. Auch im Gütersloher Stadtbild sind wieder vermehrt Mitglieder der Zeugen anzutreffen, die Ausgaben des &bdquo;Wachturm“ oder von &bdquo;Erwachet“ verteilen wollen. Aktuell steht die religiöse Gemeinschaft auch in Gütersloh unter den Eindrücken der schrecklichen Vorkommnisse von Hamburg. Im dortigen Stadtteil Altsterdorf hatte am Donnerstagabend, 9. März, gegen 21 Uhr ein Amokläufer in einem Versammlungshaus der Zeugen Jehovas um sich geschossen. Dabei tötete der Mann, früher selbst ein Gemeindemitglied, sieben Menschen und anschließend sich selbst, acht weitere verletzte er zum Teil schwer. Gütersloher Gemeindemitglied stoppte Täter beim versuchten Attentat in Bielefeld Kein Gütersloher Gemeindemitglied sei direkt oder durch Angehörige von Verletzung oder gar Tod betroffen. &bdquo;Aber wir denken natürlich an unsere Glaubensbrüder und diejenigen, denen Schlimmes widerfahren ist“, sagt Thomas Andres. Er ergänzt: &bdquo;Wir nehmen wahr, was passiert ist. Aber wir wissen auch, dass wir in einer Zeit leben, wo die Liebe der Menschen erkalten wird.“ Einfluss auf die hiesigen Veranstaltungen hat der Amoklauf von Hamburg nicht. Die zweimal wöchentlich stattfindenden Termine, der Gottesdienst am Sonntag und die Zusammenkunft am Dienstag, fänden in seiner Gemeinde nach wie vor im gängigen Turnus und Ablauf statt. Insgesamt, so Thomas Andres weiter, hätten die Zeugen Jehovas im Großraum Gütersloh drei deutschsprachige Gemeinden mit rund 450 Mitgliedern. Zuzüglich der Mitglieder anderssprachiger Versammlungen (aus Rumänien, Russland, Polen und Bulgarien) käme man auf rund 1.000 Anhänger im Großraum Gütersloh, zu dem auch die Bereiche Harsewinkel und Clarholz zählen würden. Attentäter von Bielefeld in Haft gestorben Einer unter ihnen ist Matthias T., der bei den Zeugen Jehovas der Gemeinde Gütersloh-Ost aktiv ist. Bei ihm dürfte der Amoklauf von Hamburg schlimme Erinnerungen geweckt haben. Der heute 53 Jahre alte Mann hatte vor 14 Jahren nämlich beim versuchten Amoklauf auf die Zeugen Jehovas in Bielefeld den Täter gestellt. Ein 82-Jähriger hatte am 30. Juli 2009 mit einer Maschinenpistole eine Versammlung der religiösen Gemeinschaft stürmen wollen, doch die Waffe löste nicht aus. Matthias T. überwältigte damals den Attentäter, der später zu elf Jahren Haft verurteilt worden war und während seiner Strafe verstarb. Beim Fluchtversuch entriss er ihm die Maschinenpistole. Mit der &bdquo;Neuen Westfälischen“ möchte Matthias T. am Montag über die Geschehnisse von damals nicht sprechen. Zu viele Medienanfragen hätten ihn dieser Tage zu dem Thema erreicht, erklärt ein Glaubensbruder. Das würde vermutlich auch bei ihm wieder die Erinnerungen an das Schreckensereignis hochkochen.

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