Vier-Tage-Woche in Praxen? Gütersloher Arzt befürchtet schlechtere Patientenversorgung

Kreis Gütersloh. Die Arbeitsbelastung der Ärzte ist hoch, Gütersloher Praxen machen da keine Ausnahme. Erst kürzlich hatte die "Neue Westfälische" darüber berichtet, wie schwierig es ist, Mediziner telefonisch zu erreichen. Der Virchowbund, der die Interessen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte vertritt, schlägt daher vor, den Praxisbetrieb auf eine Vier-Tage-Woche umzustellen. Ihm schwebt laut Mitteilung vor, dass der Mittwoch in den Praxen künftig allein zur Bewältigung für Bürokratie und zur Fortbildung genutzt werden soll. Akutfälle sollen demnach an solchen Tagen - ähnlich wie an den Wochenenden - vom ärztlichen Bereitschaftsdienst (116 117) versorgt werden. Begründet wird der Vorstoß damit, dass Praxen durch die Energiepreisexplosion und Inflation unter einem hohen Kostendruck stehen. Auf der anderen Seite reiche die Vergütung nicht aus, etwa wegen knapper Budgets oder der Streichung der Neupatientenregelung. "Leistungen, die nicht bezahlt werden, können auch nicht erbracht werden. Deshalb müssen wir unsere Leistungen einschränken", erklärt der Bundesvorsitzende Dirk Heinrich der Mitteilung zufolge. Eine Forderung, die im Kreis Gütersloh zwiespältig aufgenommen wird. Patientenversorgung könnte sich verschlechtern, fürchtet Gütersloher Arzt Die Bürokratie im Praxisalltag nehme zwar mittlerweile Raum ein, bestätigt Wolfram Coesfeld, doch der Vorsitzende des Gütersloher Ärztevereins sagt auch: "Dafür benötigt man nicht den ganzen Mittwoch." Coesfeld befürchtet viel mehr, dass den Patienten dadurch eine weitere Anlaufstelle bei Ärzten genommen werden könnte. "Wenn man den Mittwoch ausklammert, sind das fünf bis sechs Arbeitsstunden, in denen man eine ganze Menge Patienten sieht", sagt der Mediziner, der in einer Praxisgemeinschaft in Avenwedde tätig ist. Ohnehin seien die Wartezeiten für Patienten auch so schon lang, erst recht bei Fachärzten. Coesfeld ist deshalb überzeugt: "Der Vorstoß sorgt nicht für eine bessere Versorgung der Patienten". Den Vorschlag, dass der ärztliche Bereitschaftsdienst mittwochs die Patienten betreuen soll, sieht Coesfeld ebenfalls kritisch. "Es ist ja nicht so, dass alle Patienten automatisch dort landen. Viele würden sich dann auch an die Krankenhäuser wenden. Das Personal dort ist aber nicht dafür da, um das abzuarbeiten", sagt der Mediziner. Coesfeld hält nicht zuletzt das vorgeschlagene Modell einer Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich angesichts der angeführten Kostensteigerungen in den Praxen für unausgereift. "Sinnvolle Form des Protests", sagt ein Mediziner aus Harsewinkel Der Virchowbund verspricht sich von seinem Vorstoß unter anderem, dass der Beruf der medizinischen Fachangestellten (MFA) so wieder attraktiver werden könnte. 75 Prozent der haus- und fachärztlichen Praxen würden demnach unter Fachkräftemangel leiden. Eine Vier-Tage-Woche sei familienfreundlicher und mache die Niederlassung attraktiver für junge Ärztinnen und Ärzte. Die Vier-Tage-Woche wird auch im Kreis Gütersloh als Arbeitsmodell immer beliebter. Der Haller Modehersteller Gerry Weber und zuletzt auch das Autohaus Markötter in Gütersloh haben die Arbeitszeit reduziert, zahlen ihren Mitarbeitern aber den vollen Lohn. Mit Blick auf die Situation in seiner Branche sagt Arzt Coesfeld: Wichtig ist es, mehr Studienplätze für Medizin zu schaffen. Auch die Attraktivität des Jobs für MFAs müsse gesteigert werden - "in welcher Art und Weise auch immer". Heinz-Josef Sökeland, der im Gesundheitszentrum Ostmünsterland-Ravensberg in Harsewinkel als Allgemeinmediziner praktiziert und Vorsitzender des Gesundheitsausschusses des Kreises ist, versteht den Vorstoß unterdessen als eine "durchaus sinnvolle Form des Protests". Es sei ja keine Wunschvorstellung, auf eine Vier-Tage-Woche umzustellen. "Es muss die Wunschvorstellung sein, Patienten zu versorgen", stellt Sökeland klar. So reagiert die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe Doch auch er kritisiert die Streichung der Neupatientenregelung oder das Plus von lediglich zwei Prozent in den Finanzverhandlungen mit den Krankenkassen vor dem Hintergrund der Kostensteigerungen für die Praxen. Und Sökeland wird deutlich. "Die Geringschätzung der ambulanten Medizin hat einen Höhepunkt erreicht", sagt der Mediziner. Erschwerend hinzu kommen aus seiner Sicht Bürokratie und Dokumentationspflichten. Mit Verweis auf die seit Anfang des Jahres digitale Krankschreibung sagt Sökeland: "Das ist mehr Arbeit als vorher." Zustimmung für die Ideen des Virchowbunds kommt auch von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). "Grundsätzlich haben wir Verständnis für die Forderung, denn der bürokratische Aufwand für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte ist tatsächlich immens hoch", heißt es auf Nachfrage der "NW" in einer Stellungnahme. Die Grundhaltung des Virchowbunds sei nachvollziehbar. Die KVWL schränkt jedoch ein, dass die Versorgung der Patientinnen und Patienten an erster Stelle stehe. "Sie muss immer gesichert sein."

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