Sohn von jungem Mordopfer aus Gütersloh nach jahrelanger Suche gefunden

Gütersloh. Die Gütersloherin Marianne Wittenborg wird vor 44 Jahren Opfer eines brutalen Verbrechens. Zwei Männer versuchen erst, die damals 18-Jährige auf dem Heimweg nach einer Party zu vergewaltigen, anschließend töten sie sie mit mehreren Messerstichen. Ihr leiblicher Sohn wusste davon nichts. Er erfährt erst vor wenigen Wochen, dass seine Mutter tot ist. Und dass in Gütersloh eine Familie seit langem auf der Suche nach ihm ist. Der Gütersloher Stefan Mersch kennt seine ermordete Tante Marianne Wittenborg nur aus Erzählungen. Auch seinen Cousin hat er nie kennengelernt. Wo und wie er lebt? Mersch hat viele Jahre keine Ahnung. Schon seine eigene Mutter Erika Mersch hatte mehrfach versucht, den Aufenthaltsort ihres Neffen ausfindig zu machen. Vergeblich. 2017 meldet sich Stefan Mersch deshalb bei der &bdquo;Neuen Westfälischen“. Die Hoffnung, über die Zeitung Hinweise auf seinen Cousin zu bekommen, war groß – die Ernüchterung danach ebenfalls. Zwar wünschen ihm nach Veröffentlichung des Artikels damals etliche Menschen Glück für die Suche – weiter kommt Mersch allerdings nicht. Caritas, St.-Elisabeth-Hospital, Stadt Gütersloh, Jugendamt: &bdquo;Egal, wo ich gefragt habe, ich habe keine Auskunft bekommen“, berichtet Mersch. Am Telefon sagt plötzlich jemand: "Ich glaube, ich kenne deinen Cousin" Als er in diesem Jahr dann plötzlich einen Brief aus dem Postkasten fischt, traut er seinen Augen kaum. Es ist ein Brief der katholischen Kirche Gütersloh, in der sich Mersch seit vielen Jahren engagiert. &bdquo;Dort standen ein Name, eine Telefonnummer und der Hinweis, dass mich jemand suchen würde.“ Sofort wählt der Gütersloher die Nummer. Geht sein sehnlichster Wunsch jetzt endlich in Erfüllung? Am anderen Ende meldet sich ein unbekannter Mann. Mit dem Namen kann Stefan Mersch zunächst nichts anfangen. Doch Weiders Worte machen ihn stutzig: &bdquo;Ich glaube, ich kenne deinen Cousin.“ Andreas Weider ist heute 45 Jahre alt. Aus der Tatsache, dass er adoptiert wurde, haben seine Adoptiveltern ihm gegenüber nie ein Geheimnis gemacht. Schon als Baby kommt der gebürtige Gütersloher zu Familie Weider nach Hagen, seine leiblichen Eltern lernt er nie kennen. Adoptivvater findet einen alten NW-Artikel aus Gütersloh &bdquo;Der Name seiner Mutter stand damals in den Unterlagen“, erinnert sich Adoptivvater R. Weider, der seinen vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, &bdquo;Hinweise auf den leiblichen Vater gab es nicht. Dort stand nur: unbekannt.“ Den Wunsch, seine leiblichen Eltern mal zu treffen oder zumindest zu erfahren, was sie machen und wie sie leben, trägt Andreas Weider schon immer in sich. &bdquo;Ich habe mich aber ehrlich gesagt, nie getraut, intensiv zu suchen“, gibt er zu. Erst in diesem Jahr habe er allen Mut zusammen genommen und seinen Adoptivvater gefragt, ob er ihm helfen könnte, Infos zu sammeln. Bei der Recherche im Netz findet R. Weider den alten Artikel der &bdquo;NW“, in dem Stefan Mersch seinen Cousin sucht. Er erfährt, dass Marianne Wittenborg brutal ermordet wurde. Ein Schock. Die leibliche Mutter seines Adoptivsohns lebt nicht mehr; er wird sie niemals kennenlernen können. Dass es aber in Gütersloh eine Familie gibt, die den Jungen sucht, rührt den Hagener. Lesen Sie auch: Ex-Soldat sucht seine Jugendliebe in Gütersloh - wer kann helfen? Auf gut Glück nach Gütersloh gefahren &bdquo;Ich habe aber zunächst nichts gesagt, sondern bin auf eigene Faust mit meinem Motorrad nach Gütersloh gefahren“, berichtet er, &bdquo;ich wollte Stefan Mersch treffen und mich vergewissern, dass es sich bei dem Gesuchten wirklich um Andreas handelt.“ Das Problem: Weider hat keinen Kontakt von den Merschs. In einem anderen Artikel findet er den Hinweis, dass sie an der Friedrichstraße wohnen. Hausnummer? Fehlanzeige. &bdquo;Egal, ich bin trotzdem hin und habe an der Straße rumgefragt, ob jemand Stefan kennt. Leider ohne Erfolg.“ Ihm kommt noch eine letzte Idee. Die Kirche. Er fragt bei der katholischen Kirche nach, ob sie einen Stefan Mersch kennen. Treffer. R. Weider hinterlässt seine Kontaktdaten und bittet die Mitarbeiterin, den Brief an Stefan Mersch zu überreichen. Schwester der Verstorbenen zu Tränen gerührt Vor wenigen Wochen haben sich die beiden Familien nun das erste Mal getroffen. In Gütersloh. &bdquo;Andreas hat vor unserer Abfahrt eine Zigarette nach der anderen geraucht“, erinnert sich sein Adoptivvater und neckt ihn, &bdquo;du warst schon nervös, gib’s zu!“ Andreas Weider nickt. &bdquo;Klar, soetwas erlebt man ja auch nicht jeden Tag.“ &bdquo;Wir waren alle total aufgeregt“, sagt auch Stefan Mersch. Nicht nur sein großer Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Auch Mutter Erika Mersch ist mehr als dankbar. Sie hatte ein enges Verhältnis zu ihrer ermordeten Schwester. Ihr Tod geht der 53-Jährigen auch heute noch sehr nah. &bdquo;Es fühlt sich an, als sei ein Teil von meiner Schwester wieder da“, sagt Mersch und kämpft mit den Tränen. Das erste Treffen mit Andreas Weider sei unbeschreiblich gewesen, total emotional, pure Freude. &bdquo;Ich muss das jetzt alles erstmal verarbeiten, aber zum Glück haben wir genug Zeit uns in Ruhe kennenzulernen.“

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