Kommentar Pläne für Kaserne: Gütersloh wird kurzerhand entmündigt

Gütersloh. Wilhelm Busch drückte es so aus: &bdquo;Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.“ Und so feilen die Gütersloher Politiker in dieser Woche an den baulichen Zukunftsplänen des Mansergh-Quartiers, während ein paar Kilometer weiter in Detmold über dasselbe Areal diskutiert wird und die alte Kaserne ausgeguckt wird als eine mögliche ideale Lösung zur zentralen Flüchtlingsunterkunft für bis zu 1.000 Menschen vorrangig aus der Ukraine. Darüber hinaus habe die Bezirksregierung in Aussicht gestellt, dass die ehemaligen Briten-Wohnungen an der Englischen Straße noch im November erneut als Landes-Notunterkunft für bis zu 300 Geflüchtete in Betrieb genommen werden und die Kapazität dort auf 500 Plätze ausgebaut wird. Sowohl die ehemalige Mansergh-Kaserne an der Verler Straße als auch die Liegenschaften an der Englischen Straße befinden sich im Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Der Zugriff erfolgt also aus Berlin beziehungsweise Düsseldorf. Gütersloh kann sich bei solchen Plänen nur ergeben und mitmachen. Protest von Bürgermeister Norbert Morkes Bürgermeister Morkes hat im Zweifel gar keine Wahl, aber er nimmt die Überlegungen nicht ohne Protest hin. &bdquo;Wir als Stadt haben keinerlei personelle Kapazitäten und keine finanziellen Ressourcen zur Verfügung, um die Betreuung und Beratung schutzsuchender Menschen in einer solchen Größenordnung zu unterstützen.“ Das Betreuungssystem für Kinder und Jugendliche sei an der absoluten Belastungsgrenze. Morkes: &bdquo;Unsere Schulen und Kitas sind voll.“ Das Fortschreiten der Planungen zur Umwandlung des ehemaligen Kasernengeländes in ein Wohnquartier wäre zudem auch erst mal hinfällig. Aber das ist im Verhältnis sogar das kleinere Problem. Die Haushaltssituation der Stadt Gütersloh ist prekär. Erst vor zwei Wochen wurden die Zahlen für das kommende Jahr öffentlich. Wird nicht auf allen Ebenen gespart und gekürzt, droht der Stadt eine hohe Verschuldung und eine noch nie dagewesene Haushaltssicherung. Das Vorhaben kollidiert an der Machbarkeit - und an der Bezahlung 60 Stellen sind nach Aussage des Bürgermeisters im Rathaus derzeit nicht besetzt – man schleppt sich in vielen Bereichen gerade so durch. Im Sozialbereich werden dringend weitere Stellen benötigt. Ob sie mit Blick auf die Finanzierung überhaupt kommen, bleibt mehr als fraglich. In vielen städtischen Kitas herrscht personeller Dauernotstand, in den Gütersloher Schulen gibt es nachweislich einen Lehrer- und Raummangel in großem Stil. Kämen nun tatsächlich 1.500 Flüchtlinge, kann man statistisch davon ausgehen, dass ein Drittel davon Minderjährige sind. 500 müssten also in Kindergärten und Schulen untergebracht werden, so sieht es die Rechtslage vor. Bei der Zahl bekommt Sozialdezernent Henning Matthes vermutlich Schnappatmung. Das Vorhaben kollidiert ausdrücklich nicht mit dem Wunsch und dem Willen zu helfen, es kollidiert schlicht an der Machbarkeit und an der Bezahlung. &bdquo;Allein aus der Ukraine haben wir seit Beginn der Fluchtbewegung knapp tausend Menschen aufgenommen. Die Aufnahmequote haben wir seit März jeden Monat übererfüllt“, schreibt Morkes in einer Stellungnahme an die Bezirksregierung. Wer kommt für die Kosten eigentlich auf? Gütersloh. Das Land NRW zahlt für die Unterbringung – auf den gesamten Sozialkosten bleiben die Kommunen ganz alleine hängen. Lesen Sie auch: Newsblog zum Ukraine-Krieg - alle Folgen für den Kreis Gütersloh im Überblick Wir bekommen vorsorglich Angst Flüchtlingsfinanzierung ist keine kommunale, sondern eine nationale Aufgabe. Die Bezirksregierung darf sich also nicht wundern, wenn Gütersloh sich mit Händen und Füßen gegen die Pläne in der alten Kaserne wehrt, solange im Gegenzug nicht Geld und Personal in ausreichendem Maße für die Umsetzung der Idee zur Verfügung gestellt wird. Sollte Gütersloh gezwungen werden, die Maßnahme zu stemmen, und sich für die Finanzierung in anderen Bereichen stark einschränken müsste, wird der Unmut in der Bevölkerung klar heraufbeschworen. Den wird Bürgermeister Morkes ausbaden müssen. Wer kennt schon Regierungspräsidentin Anna Katharina Bölling? Droht ein &bdquo;historischer Fluchtwinter?“ Wenige Stunden nach Bekanntwerden der Detmolder Pläne schwadronieren TV-Moderatorin Maybrit Illner und Gäste über mögliche Flüchtlings-Szenarien. Es ist wie das Füttern eines Schreckgespenstes – wir alle wissen nicht, ob es so kommt, bekommen aber vorsorglich Angst. Zur Beruhigung der Situation trägt das jedenfalls nicht bei. Hoffentlich hört das bald auf! Ob die Mansergh-Kaserne zur zentralen Flüchtlingsunterkunft wird, wissen wir auch nicht, so wie wir auch lange nicht wussten, ob die Briten nun wirklich zurück auf den Flughafen an der Marienfelder Straße kommen. Die Nachrichten machen uns jedes Mal verrückt, sie kosten unnötig Nerven und positive Energie. Hoffentlich hört das bald auf! Denn sind die beiden Konversionsflächen Flughafen und Mansergh irgendwann in Gütersloher Besitz, wird miteinander verhandelt werden müssen, anstatt schlicht zuzugreifen auf noch vorhandene Reserven. Erst dann könnte es fair werden. Jetzt ist es schlicht ein Fall von Entmündigung.

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