Es geht um rund 54.000 Euro: Kassierer soll Konto der SPD leergeräumt haben

Gütersloh. Der SPD-Ortsverein Gütersloh wird von einem schweren Fall von Untreue erschüttert. So soll der neue Kassierer das über Jahrzehnte aufgefüllte Parteikonto nahezu leergeräumt haben. Benjamin L. hat das ihm anvertraute Geld demnach im Zeitraum von Mitte Januar bis Ende Juni dieses Jahres in 35 Tranchen direkt auf seine eigenen Konten überwiesen. Die meisten Transaktionen (33) flossen auf ein Onlinekonto in Litauen. Insgesamt ist dem Ortsverein (OV) nach eigenen Angaben ein Schaden von knapp 54.000 Euro entstanden. Die Polizei ermittelt. &bdquo;Es ist desaströs. Wir stehen gewaltig unter Schock“, sagt Ortsvereinsvorsitzender Ingo Krüger, der am Freitag gemeinsam mit dem SPD-Ratsfraktionsvorsitzenden Volker Richter, zugleich Kassenprüfer im OV, sichtlich um Transparenz bei der Darstellung des Falls bemüht ist. Ihrer Aussage zufolge hat L., verheiratet mit einer städtischen Angestellten und Vater von zwei kleinen Kindern, inzwischen seine Schuld eingestanden. Der 37-Jährige wolle den Schaden durch Rückzahlung der entnommenen Gelder wieder gutmachen. Außerdem habe L., von Beruf Software-Ingenieur und IT-Berater bei einer Bielefelder Firma, drei Jahre nach seinem Parteibeitritt seinen Austritt aus der SPD erklärt. &bdquo;Werde mich den Verfahren stellen“ Gegenüber der NW bestätigte L. diese Darstellungen. Aufgrund der laufenden Ermittlungen gegen ihn wolle er sich derzeit nicht zu seinen Beweggründen und Details äußern. Für ihn sei klar, dass er sich dem juristischen Verfahren stellen werde L. kam erst 2019 zur Gütersloher SPD, kandidierte aber bereits 2020 bei den Kommunalwahlen in einem eigenen Wahlkreis (Nr. 170) in Spexard. Seither war er als sachkundiger Bürger stellvertretendes Mitglied in zwei Fachausschüssen. Auch diese Funktionen habe er jetzt aufgegeben, heißt es. Als der Vorstand des SPD-Ortsvereins im vorigen Oktober neu gewählt wurde, bestimmten die Mitglieder unter anderem L. zum neuen Kassierer. In den ersten Monaten seiner Amtszeit passierte nichts Auffälliges. Das änderte sich im Frühjahr dieses Jahres. Der SPD-Landesverband mahnte im April erstmals den Rechenschaftsbericht des SPD-Ortsvereins für 2021 an, der, geprüft von den Kassenprüfern, eigentlich Anfang des Jahres vorliegen sollte. In der Sitzung des OV-Vorstands habe L. erklärt, der Bericht sei sehr wohl an den Landesverband geschickt worden. &bdquo;Diese Aussage war falsch“, so Krüger, selbst erst seit vorigem Oktober im Amt. &bdquo;Ein verheerendes Bild“ Es folgten zwei weitere schriftliche Mahnungen und mündliche Aufforderungen des Landesverbands. Unter anderem habe der Kassierer dem Vorsitzenden erklärt, dass sich das wohl mit dem Versand der Unterlagen überschnitten habe. Dann kam der 15. Juli. Krüger holte gemeinsam mit einer seinen beiden Stellvertreterinnen die gesamten Kassenunterlagen beim Kassierer zu Hause ab. Dabei habe es keinen persönlichen Kontakt gegeben, weil. L. sich angeblich mit Corona infiziert und die Unterlagen deshalb vor die Haustür gestellt hatte. Die Sichtung der Unterlagen habe ein verheerendes Bild ergeben, so Krüger. Von den 56.000 Euro, die zum Jahresanfang 2022 noch auf dem Giro- und dem Tagesgeldkonto lagen, waren nur noch 1.100 Euro übrig. Erste Überweisungen ab dem 13. Januar hätten noch den Verwendungszweck &bdquo;Testüberweisung als Fehlbuchung“, in der Folge seien dann aber regelmäßig Transaktionen mit fingierten Kostenpositionen vorgenommen worden. &bdquo;Umgehend Anzeige erstattet“ Noch am Tage der Sichtung habe Krüger zusammen mit Kreisgeschäftsführerin Ann Katrin Brambrink die Kontovollmacht des Kassierers sperren lassen und außerdem Strafanzeige bei der Polizei erstattet. In einer Sitzung des OV-Vorstandes vor zwei Wochen sei beschlossen worden, den Kassierer darüber hinaus zu suspendieren. Wie kam es zum Schuldeingeständnis? Zwei Anwälte der eingeschalteten Bundes-SPD waren am 26. Juli zu einem persönlichen Gespräch mit Krüger und Brambrink sowie L. in die Gütersloher SPD-Zentrale in Blankenhagen angereist. Die errfahrenen Juristen hätten den Kassierer gleichsam bearbeitet, so dass dieser die Vorwürfe eingeräumt und hinterher anstandslos alle ihm vorgelegten Schriftstücke unterzeichnet habe, berichtet Krüger. Zu seinem Motiv habe L. gegenüber den Anwälten und den beiden Parteivertretern unter anderem ausgesagt, dass er nicht ausreichend eigene finanzielle Mittel gehabt hätte, um den Heimpflegeplatz seiner Schwiegermutter zu finanzieren. Volker Richter: &bdquo;Er sagte, es habe sich um einen monatlichen Betrag von 7.000 Euro gehandelt. Allerdings liegen die Kosten in den Gütersloher Einrichtungen bei maximal 3.500 Euro.“ Im übrigen sei davon auszugehen, dass L.`s Ehefrau nichts von dem wiederholten Griff ihres Mannes in die Parteikasse gewusst habe. &bdquo;Insolvenz droht nicht“ Welche Konsequenzen zieht der Ortsverein aus dem Fall? Künftig solle der Kassierer nur noch maximal 500 Euro pro Monat eigenständig anweisen dürfen, sagt Krüger. Bei höheren Beträgen gelte das Vier-Augen-Prinzip. Außerdem soll bei den monatlichen Vorstandssitzungen ein aktueller Kontoauszug vorgelegt werden. Erwogen würden außerdem Fortbildungen des Vorstandes, um dessen Sattelfestigkeit in der Vereinsabeit zu erhöhen. Wie geht es jetzt weiter im Ortsverein? Eine Insolvenz sei nicht zu befürchten, sagen Krüger und Richter. Aus Mitglieds- und Mandatsträgereinnahmen fließen demnach pro Jahr zwischen 4.000 und 5.000 Euro auf das Parteikonto. Der SPD-Stadt- sowie der Kreisverband hätten außerdem zugesagt, finanziell auszuhelfen. Das gelte unter anderem für die Saalmiete für die Sonder-Jahreshauptversammlung am 18. August im &bdquo;Brauhaus“, wenn der OV-Vorstand nach dem Rücktritt des alten Vorstands neu gewählt werden soll. Er selbst wolle dann noch einmal antreten, sagt Krüger. In seiner noch kurzen Amtszeit habe sich der schlimme Vorfall ereignet. Ihm gehe es darum, Verantwortung zu übernehmen und in den anstehenden Gerichtsverfahren so viel Geld wie möglich für die Mitglieder zu retten. Der Kandidat für das Amt des Kassierers steht auch schon fest: Thomas Krümpelmann, langjähriges Ratsmitglied, planungspolitischer Sprecher der Ratsfraktion und derzeit Schriftführer im OV.

Meistgelesen