Gütersloh Nachbarn begeistert: Gütersloher schnürt plötzlich Wassersäcke an Bäume

Gütersloh. Die Stadt Münster hat für ihre Kampagne einen besonders griffigen Slogan gefunden: &bdquo;Münster schenkt aus“. Seit drei Jahren ruft die Stadt ihre Bürger auf, beim Bewässern der Straßenbäume zu helfen – eine Aktion, die auf große Bereitschaft stößt; viele Bäume wurden auf diese Weise vor dem Vertrocknen bewahrt. &bdquo;Warum macht Gütersloh nicht auch so etwas?“ fragt Helmut Gierhake. Gierhake wohnt an der Elisabethstraße im sogenannten Mädchenviertel unweit von Miele. Als er vor ein paar Tagen Wassersäcke an die Bäume vor seinem Haus schnürte, fragte ihn ein Nachbar nach dem anderen: Hast Du noch so einen? Inzwischen stehen 13 Säcke entlang der Straße, betreut von neun Paten. Sie sorgen dafür, dass die Säcke immer dann mit Wasser gefüllt sind, wenn die Bäume Durst leiden. Münster würde sie &bdquo;Baumkeeper“ nennen. In anderen Städten heißen sie Gießpaten. Sind die Wurzeln lang genug, um bis zum Grundwasser zu gelangen? Die Paten oder Keeper kümmern sich um Bäume, die ihnen nicht selbst gehören. Die beiden Mehlbeeren vor dem Haus von Gierhake sind städtische Bäume, sie stehen auf öffentlichem Grund, so wie die gesamte Allee längs der Straße. Dass Gierhake und seine Nachbarn die Bäume wässern, geht aber in Ordnung: Die Stadt habe ihr Okay gegeben. &bdquo;Ich sehe, den Bäumen tut das gut“, sagt Gierhake. Er ist schon eine ganze Weile Mitglied der Gemeinschaft für Natur- und Umweltschutz (GNU), sein Blick für die Natur ist geschärft. Die Mehlbeeren längs der Elisabethstraße sind zwar keine jungen Setzlinge mehr, aber ob ihre Wurzeln schon derart tief in den Boden reichen, dass sie bis ans Grundwasser gelangen und daher längere Phasen der Trockenheit überstehen, ist fraglich. Lesen Sie auch:Kreis Gütersloh schlägt Alarm - kein Wasser aus Bächen und Seen nehmen Intern über die Mitgliederzeitschrift aufgerufen Die Stadt würde die Mehlbeeren nicht mehr bewässern. Sie fährt den Kurs, Jungbäume höchstens fünf Jahre lang zu gießen, danach müssen sie es aus eigener Kraft schaffen. Die Allee in der Elisabethstraße ist älter. Mit den Anliegern und der GNU gilt jetzt die Absprache, die Entwicklung ein oder zwei Sommer lang zu beobachten: Schaffen es die bewässerten Bäume besser durch die Trockenperiode als die anderen? Drohen die unbewässerten Bäume in diesen Zeiten zunehmender Hitze und Dürre gar einzugehen? Die Säcke haben die Baum-Paten von der GNU bekommen. Das Signet des 600 Mitglieder zählenden Naturschutzverbandes klebt oben am Sack, darüber eine Anleitung. Die GNU hatte intern im Mitgliedermagazin einen Aufruf mit der Überschrift &bdquo;Baumpaten gesucht“ gestartet und dafür vorsorglich eine größere Menge Säcke bestellt. &bdquo;Sie sind inzwischen vergriffen“, sagt Vereinsvorsitzende Angelika Daum. GNU-Säcke bewässern nun Bäume in Gütersloh, Rheda-Wiedenbrück, Friedrichsdorf, Avenwedde. Wer Säcke nachkaufen will, findet sie in Fachmärkten (siehe Info-Kasten). Eine Untersuchung belegt, wie schlecht es vielen städtischen Bäumen geht Es ist die starke Resonanz, die Gierhake und die GNU auf die Idee gebracht haben, die Aktion auszuweiten. &bdquo;Wenn das woanders funktioniert, warum nicht auch hier?“, sagt Daum. Münster ist mitnichten die einzige Stadt, die ihre Bürger zu Gießpaten macht, auch Köln, Viersen, Hilden, Duisburg, Gladbeck, Berlin-Kreuzberg/Friedrichshain, Hattingen, Mörfelden-Walldorf und etliche andere Städte sind dabei – von Jahr zu Jahr werden es mehr. &bdquo;Meiner Meinung könnte Gütersloh diese Idee 1:1 übernehmen“, sagt Gierhake. Am Ende sei das auch eine Entlastung fürs Grünflächenamt. Weiterer erfreulicher Nebeneffekt: Die Nachbarschaft werde gestärkt. "Bei mir haben Leute geklingelt, die ich lange nicht gesehen hatte. Das hier ist ein starkes Gemeinschaftsprojekt." Wie gestresst die Gütersloher Bäume sind, belegt ein Bericht, den die Stadt im September 2020 vorgelegt hatte. Demnach geht es von den 28.268 öffentlichen Straßenbäumen nur zehn Prozent gut. Das Gros der Bäume weist leichte bis mittlere Schäden auf, 2.361 Bäume (8,3 Prozent) sind stark geschädigt bis tot. &bdquo;Erschreckende Zahlen“, findet Daum. Und die Lage werde ja eher schlechter als besser. Gründe für diesen Befund gibt es zuhauf: Trockenheit, Hitze, Schädlinge, Versiegelung, zu wenig Platz. Mit den Säcken will die GNU vor allem jenen Bäumen beistehen, die älter als fünf Jahre und somit aus aus der städtischen Bewässerung herausgefallen sind und die nur einen kleinen, freien, ungepflasterten Wurzelbereich haben. &bdquo;Davon gibt es in Gütersloh etliche“, sagt Gierhake. Der Amtsleiter äußerte vor zwei Jahren seine Skepsis Unsicher ist, inwieweit die Stadt mitspielt. Das Monitoring in der Elisabethstraße trägt sie nach Aussage der GNU zwar mit. Aber der Fachbereichsleiter Grünflächen, Dirk Buddenberg, hatte vor zwei Jahren öffentlich Skepsis geäußert: Es sei falsch, Bäume in Plastik zu packen, das führe nur zu Fäulnis. &bdquo;Ein Stamm muss atmen können“, sagte Buddenberg. Das Gütersloher Konzept mit Gießringen und einem fünfjährigen Bewässerungsvertrag für externe Partnerfirmen sei eher geeignet, die Bäume zu versorgen. Allerdings bezog sich Buddenberg nur auf auf Jungbäume.

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