Klimaschonend bauen in Gütersloh: Mut und Fantasie zur Umsetzung fehlen

Gütersloh. Puh! Ganz schön heiß war es in den letzten Tagen. Nach kurzer Verschnaufpause geht es an diesem Wochenende beinahe so heiß weiter. Und es wird auch auf lange Sicht nicht besser. Im Gegenteil. Sowohl Intensität als auch Dauer und Häufigkeit dieser Phänomene nehmen nach Ansicht von Experten zu. Ein Blick auf die Statistik zeigt: Die Zahl der Hitzetage (30 Grad Celsius und mehr) steigt, sie hat sich seit den 1950er Jahren sogar verdreifacht. Bei ungebremstem Treibhausgasausstoß müsse zwischen 2031 und 2060 mit einer weiteren Zunahme um fünf bis zehn heiße Tage im Jahr in Norddeutschland und zehn bis zwanzig heiße Tage in Süddeutschland gerechnet werden, sagt der Deutsche Wetterdienst (DWD). 20 Hitzetage hatten wir bereits im Rekordjahr 2019. Besonders die Innenstädte leiden unter den hohen Temperaturen Auch die Intensität nimmt zu. An 120 Wetterstationen in Deutschland wurden an den jüngsten Hitzetagen neue Rekordmarken aufgestellt, so ARD-Wetterexperte Sven Plöger. Grund für diese Entwicklung ist, wie wir alle wissen, der rapide fortschreitende, menschengemachte Klimawandel. Selbst in der mittlerweile illusorischen Annahme, das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens noch erreichen zu können, wird die Hitze zunehmen. Das bleibt nicht ohne Folge für die Menschen in den Städten. Hohe Sommertemperaturen haben nach einer im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichten Studie in den Jahren 2018 bis 2020 jeweils zu Tausenden hitzebedingter Sterbefälle in Deutschland geführt – demnach kamen insgesamt 19.300 Menschen durch die Auswirkungen der Hitze ums Leben. Damit sei zum ersten Mal seit 1992, seit Beginn des Untersuchungszeitraums, eine Übersterblichkeit aufgrund von Hitze in drei aufeinanderfolgenden Jahren aufgetreten, heißt es in der Studie des Robert-Koch-Instituts, des Umweltbundesamtes und des Deutschen Wetterdiensts. Klimagasreduktion ist das eine, Klimaanpassung das andere. Vor allem Innenstädte leiden unter den hohen Temperaturen, denn Asphalt und Beton sind wunderbare Hitzeverstärker und Wärmespeicher. Wie darauf reagieren? Mehr Klimaanlagen können nicht die Lösung sein, sie verbrauchen Unmengen an Strom und tragen zur weiteren Erhitzung bei. Jahnplatz ein Konflikt, der Klimafolgenschutz und Stadtplanung vereinen muss Abhilfe könnte allerdings mehr Grün in der City schaffen. Dass mehr Grün hilft, haben Messungen in Gütersloh gezeigt. Bis zu sechs Grad beträgt hier der Temperaturunterschied zwischen asphaltierten Hitzeinseln in der City und Stadtvierteln mit viel Grün. Insofern hat die Forderung der Bürgerinitiative Quartierserhalt Mohns Park, den Jahnplatz gänzlich zu einem Park umzuarbeiten und in den Mohns Park zu integrieren, größte Berechtigung. Der Park könne als Frischluftschneise für Kühlung in der Innenstadt sorgen und stehe allen Güterslohern zur Erholung zur Verfügung, wird argumentiert. Der Gütersloher Turnverein (GTV) als Eigentümer möchte hingegen nur unter der Maßgabe verkaufen, dass der Platz zur Hälfte bebaut wird. Das steigert den Verkaufserlös zur Finanzierung des neuen Vereinsheimes. Möchte man diese Überlegung dem Verein verdenken? Der Jahnplatz ist somit ein Paradebeispiel für einen Konflikt, der Klimafolgenschutz und Stadtplanung unter einen Hut bringen muss. Politische Beschlusslage sieht aktuell die 50:50-Lösung vor Um diesen Konflikt weiß auch die Stadt. &bdquo;Diese konkurrierenden Flächen- und Raumansprüche müssen unter besonderer Beachtung und Priorisierung der zu erwartenden Klimafolgeschäden gelöst werden“, heißt es im 2018 erstellten &bdquo;Bericht zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels in der Stadt Gütersloh“. Er enthält auch die notwendigen Maßnahmen. Unter anderem seien &bdquo;neue klimarelevante Park- und Grünanlagen unter der Prämisse des Klimawandels im Rahmen der Stadtentwicklung anzulegen“ und &bdquo;vorhandene Flächen zu erhalten, weiterzuentwickeln oder zu optimieren“. Spielt das nicht hundertprozentig den Parkbefürwortern in die Karten? Doch Papier ist geduldig. In der derzeitigen politischen Diskussion zu dem Thema, sagte Inga Linzel, Fachbereichsleiterin der Stadtplanung in Gütersloh, im Mai, sehe die aktuelle politische Beschlusslage &bdquo;die 50:50-Lösung vor“. Sieht so die gewünschte &bdquo;Priorisierung“ einer verantwortungsvollen Klimafolgenpolitik aus? Ich weiß, die Wohnungsnot in der Stadt ist enorm. Andererseits muss doch irgendwann begonnen werden mit Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen. Im Bausektor wird kaum auf den Klimawandel Rücksicht genommen Die Stadt hat bislang noch keinen Hitzeaktionsplan ausgearbeitet, sie will das Thema aber bald angehen. Vieles, was dort hineingehörte, steht schon in dem sehr guten Klimaanpassungsbericht. Das betrifft vor allem die noch detaillierter auszuarbeitenden Leitlinien für den Wohnungsbau. Bislang wird im Bausektor kaum auf die Folgen des Klimawandels Rücksicht genommen. Nach wie vor wird zu dicht und mit viel zu wenig Grün gebaut, obwohl man es längst besser weiß. Es fehlt also nicht an Erkenntnissen. Aber an Mut und Fantasie zur Umsetzung. Und damit sind Verwaltung, Politik, Architekten, Wohnungsbauunternehmen, Häuslebauer und Stadtgesellschaft gleichermaßen gemeint. In dieser Hinsicht sind die zwei geplanten neuen Trinkwasserbrunnen in der Gütersloher Innenstadt sicherlich eine gute und notwendige Maßnahme. Bleibt es aber nur bei diesen, sind sie lediglich das schicke Feigenblatt einer halbherzigen Klimafolgenpolitik.

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