Gütersloherin arbeitet dort, wo andere Urlaub machen

Frau Harslem, auf welchem Fleckchen Erde erwische ich Sie gerade? VIKTORIA HARSLEM: Ich bin derzeit mit der Aida Nova auf dem Weg von Dänemark nach Kiel. Hinter uns liegt die Route von Kiel über Kopenhagen nach Oslo und Skagen. Ist das Ihre Standard-Route? Bislang war es fast immer unterschiedlich. Ich war zum Beispiel schon in der Karibik, danach sind wir die Metropolen-Route und auch nach Norwegen gefahren. Ich bin aber auch schonmal von Island nach Singapur gefahren. Ich habe insgesamt großes Glück gehabt und sehr, sehr viel gesehen. Und wo war’s am schönsten? Die Karibik war toll. Aber noch cooler war die Route von Island nach Asien. Island ist super beeindruckend und steht im totalen Kontrast zu Sri Lanka, Indien, den Malediven. Wie sind Sie überhaupt zur Aida gekommen? Ich habe Restaurantfach gelernt und danach noch eine Weiterbildung an der Bar gemacht zur Bar-Meisterin. Aber als ich das alles fertig hatte, war ich nicht wirklich zufrieden. Ich habe dann lange bei Fritz Kola im Vertrieb gearbeitet und mich irgendwann entschieden, doch nochmal etwas anderes zu machen – bevor ich gefühlt zu alt werde. (lacht) Arbeiten auf dem Schiff ist dann ja wirklich etwas komplett anderes gewesen. Definitiv. Ich habe gemerkt, dass dieses &bdquo;9-to-5-Arbeiten“ auf Dauer nicht befriedigend für mich ist. Eine Freundin von mir ist schon damals schon mit der Aida gefahren und ich habe mir einfach gedacht, ich bewerbe mich dort. Dann hat alles ganz schnell geklappt. Als was haben Sie angefangen? Ursprünglich sollte ich ins Restaurant oder an die Bar. Das wollte ich aber auf keinen Fall. Ich war zu dem Zeitpunkt ja auch schon ein paar Jahre aus der Gastronomie raus. Ich wollte lieber in die Administration. Voraussetzung dafür war aber, dass ich an der Rezeption anfange. Das ist der normale Weg, den bin ich dann gegangen. Ich bin dann ziemlich schnell Night Auditor geworden, sprich ich war Ansprechpartner an der Rezeption im Nachtdienst und dann relativ schnell First Purser. Lesen Sie auch: Gütersloher gehört exklusives Sterne-Hotel am Meer Das heißt, sie machen jetzt was? Als First Purser ist man zuständig für die Zusammenarbeit mit den Behörden der einzelnen Länder und die Freigabe des Schiffes. Bevor die Gäste von Bord gehen dürfen, trifft man sich mit der Einwanderungsbehörde, der Bundespolizei, der Gesundheitsbehörde und dem Zoll und dann wird das Schiff einklariert – also man erledigt die Formalitäten zur Einreise. Und am Abend erhält man dann eben auch wieder die Freigabe, den Hafen zu verlassen. Beides meldet man an die Brücke und an den Kapitän. Außerdem bereitet man die Check-Ins und -Outs vor und begleitet beide Vorgänge. Das ganze habe ich mehr als zwei Jahre gemacht. Und jetzt gerade ist mein erster Einsatz als Crew Purser. Bedeutet? Wie an land in einer Personalabteilung. Ich bin zuständig für die Gehaltsabrechnungen und sämtliche Belange der Crew. Das ist auf dem Schiff natürlich immer ein bisschen anders, weil man hier ja auch lebt und nicht nur arbeitet. Sieh dir diesen Beitrag auf InstagramanEin Beitrag geteilt von AIDA Cruises (@aida_cruises) Wo ist Ihr Büro? Ich sitze hier auf Deck 3 im Crew-Bereich – nah an den Kollegen. Und wo schlafen Sie? Ich habe eine schöne Einzel-Kabine mit einem Bullauge. Für die Zeit ist die Kabine ihr Zuhause. Wo leben Sie, wenn Sie an Land sind? Ich habe in der Regel fünf bis sieben Wochen Urlaub. Und dann bin ich wieder weg. In der Zeit bin ich sowieso meistens bei der Familie und dafür halte ich mir keine eigene Wohnung. Ich bin aktuell wieder bei meinen Eltern in Gütersloh gemeldet. Was unterscheidet das Leben auf dem Schiff von dem an Land? Man hat hier kein Wochenende, keine Feiertage. Man arbeitet im Prinzip monatelang durch – natürlich mit geregelten Pausenzeiten. Meistens dreieinhalb bis fünf Monate. Der gravierendeste Unterschied ist aber auf jeden Fall, dass man lange auf Familie und Freunde verzichtet und sie nicht flexibel treffen kann. Aber unter den Kollegen herrscht hier ein ganz großer Zusammenhalt. Wir stecken ja quasi alle in der gleichen Situation. Sie arbeiten ja im Prinzip dort, wo andere Urlaub machen. Wie sieht denn der Urlaub der privaten Viktoria aus – gibt es den überhaupt? Na klar! (lacht) Ich fahre auf jeden Fall privat noch in den Urlaub. In unserer Freizeit hole ich mir schon Anreize während der Fahrten. Ich war zum Beispiel mal auf Malta und möchte dort unbedingt nochmal länger hin. Aber dann vermutlich nicht mit dem Schiff, oder? Ich habe tatsächlich noch nie eine Kreuzfahrt gemacht – also privat. (lacht) Aber ich habe mir jetzt für den Winter vorgenommen, die Karibik-Kreuzfahrt zu machen. Über Weihnachten. Das ist glaube ich schon ziemlich cool. Arbeiten auf der Aida: Können Sie das für immer vorstellen? Ich kann es noch nicht genau sagen. Gerade, weil man so lange fährt und dann doch relativ wenig zu Hause ist. Ich habe aber Glück, dass mein Partner auch auf der Aida arbeitet und wir bislang immer zusammen fahren durften. Zum Abschluss muss noch die Frage erlaubt sein: Sind Sie schonmal seekrank geworden? Es kommt immer so ein bisschen drauf an. Vor allem auch auf die Route. Es passiert mir auch mal – aber nie so, dass ich außer Gefecht gesetzt bin. Da fühlt man sich wirklich hundeelend. Schön ist es nicht. (lacht)

Meistgelesen