Gütersloh Preisschock in Gütersloher Pflegeheim: Bewohner soll 1.000 Euro mehr zahlen

Gütersloh. Steigende Inflationsraten, enorme Energiekosten und Lebensmittelpreise und vom 1. September an ein Tarifgehalt für Mitarbeiter: Diese Mehrkosten werden auf Bewohner von Pflegeeinrichtungen umgerechnet. Zu spüren bekommen dies jetzt auch Heimbewohner und deren Angehörige in Gütersloher Einrichtungen. Ab dem 1. Juli erhöht der Domhof an der Neuenkirchener Straße die Preise um bis zu 1.000 Euro monatlich. Eine Ausnahme? Der Vater von Hans-Gerd T. (Name geändert) ist 87 Jahre alt. Er erlitt vor dreieinhalb Jahren einen Schlaganfall, ist nun pflegebedürftig und bewohnt seit Oktober 2018 ein Einzelzimmer im Domhof. Bislang würden sich die Gesamtkosten für seine Unterbringung im Monat auf 3.237,30 Euro belaufen, die die Pflegekasse mit 1.262 bezuschusst. Abzüglich eines fünf-prozentigen Leistungszuschlags fällt somit ein Eigenanteil von 1.954,13 Euro an – zumindest jetzt noch. Ab kommenden Monat erhöhen sich die Gesamtkosten um 34,79 Prozent, der Kassenzuschuss bleibt jedoch gleich. &bdquo;Das hat zur Folge, dass wir demnächst einen Eigenbeitrag von 3.052,74 Euro zahlen dürfen. Also über 1.000 Euro mehr! Wie soll das alles funktionieren?“, fragt sich Hans-Gerd T. im Gespräch mit der NW. "Es wird Zeit, die Leute wachzurütteln" Mit dieser Frage steht der Gütersloher nicht alleine dar. Auch Rainer M. (Name geändert) hat sich an diese Zeitung gewandt. Im Fall seines pflegebedürftigen Angehörigen steigen die Kosten um netto 1007,21 Euro. &bdquo;Es wird Zeit, die Leute wachzurütteln.“ Die deutliche Erhöhung der Entgelte im Gütersloher Domhof betrifft viele Menschen. Derzeit 86 Bewohner werden von einem 90-köpfigen Team um Einrichtungsleiterin Mirjana Jovic betreut. Sie oder ihre Angehörigen haben bereits Ende Mai per Post von der &bdquo;absehbar möglichen Entgelterhöhung“ erfahren. Der Träger, die 2003 gegründete Korian-Gruppe, die sich als führender privater Anbieter von Betreuungs- und Pflegedienstleistungen für Senioren in Europa verkauft, betreibt in Deutschland mit 24.000 Mitarbeitern rund 250 Einrichtungen, 65 betreute Wohnanlagen und 51 ambulante Dienste. Das sagt der Betreiber des Pflegeheims Korian rechtfertigt die Preiserhöhung in einem umfassenden Statement und bezieht sich unter anderem auf die Tarifeinführung in der Pflege ab dem 1. September und die &bdquo;Anhebung der allgemeinen Mindestlöhne von 9,50 Euro auf 12 Euro zum 1. Oktober“. Zum anderen hätten makro-ökonmische Faktoren einen erheblichen Einfluss auf die Kostenstrukturen. Stichwort steigender Verbraucherpreis-Index: &bdquo;Diese Entwicklung sehen wir in allen Sachkostenbereichen unseres Unternehmens“, sagt Unternehmenssprecherin Tanja Kurz. Echte &bdquo;Kostenexplosionen“ würden sich neben exorbitanten Preissteigerungen im Bereich der Energieversorgung auch im Lebensmittel- und Verpackungsbereich niederschlagen. Kurzum: Korian sei &bdquo;in einer Vielzahl (...) von sprunghaften Preissteigerungen betroffen, die deutlich über der durchschnittlichen und aktuell wahrnehmbaren Inflationsrate liegen.“ Derartige, massive Steigerungen habe es in der Unternehmensgeschichte noch nicht gegeben. Zwar unterstütze die Gruppe ausdrücklich das Ziel, &bdquo;die Gehälter und damit auch die Attraktivität de Pflegeberufes zu steigern“, so Tanja Kurz. Deshalb sei auch bereits 2021 ein Vergütungsmodell entworfen worden, das den neuen gesetzlichen Vorgaben entsprechen würde. Allerdings bleibe bedauerlicherweise die langfristige Finanzierung bislang ungeklärt. &bdquo;Wir kämpfen nach wie vor mit einer tradierten Refinanzierungssystematik, die leider noch immer eine Refinanzierung mittels steigender Eigenanteile vorsieht.“ Beim Eigenanteil: NRW ist Spitzenreiter Die Eigenanteile, die vollstationär Betreute im Pflegeheim zahlen müssen, kennen seit Jahren nur eine Richtung: steil nach oben. Nach Mitte Februar veröffentlichten Zahlen des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) zahlt ein Heimbewohner in Deutschland monatlich im Durchschnitt 2.179 Euro, vier Jahre zuvor waren es bei 1.772 Euro immerhin 23 Prozent weniger. Zwischen den Bundesländern gibt es dabei große Unterschiede, NRW ist Spitzenreiter. Hier greifen die Pflegebedürftigen am tiefsten in die Tasche, denn ein Pflegeheim-Platz kostet im Schnitt 2.542 Euro Eigenanteil. &bdquo;Der Tariflohn wird zu einem erheblichen Kostenschub führen“, weiß Wilhelm Rohe, Referatsleiter Pflege des vdek in NRW. Und das speziell für privat-gewerbliche Einrichtungen, die bislang einen relativ geringen Haustarif haben. Bei einem Anstieg wird es nicht bleiben, prognostiziert der Fachmann &bdquo;erhebliche Steigerungsraten in den nächsten Jahren.“ So soll unter anderem zum 1. Juli 2023 ein neues Personalbemessungs-Verfahren für Einrichtungen greifen. Die Folge: Erhöhter Personalbedarf und somit ein entsprechend höherer Personalkostenaufwand. Für Jörg Krüger (63), Leiter des Seniorenzentrum Gütersloh, Am Bachschemm, ist die Tarifeinführung nur die vorläufige Spitze des Eisbergs. &bdquo;Wir rechnen mit einem Personalkostenanstieg von rund 20 Prozent. Aber es sind noch viele Fragen offen.“ Die monatlichen Gesamtkosten für ein Doppelzimmer beim Pflegegrad drei lägen Am Bachschemm derzeit durchschnittlich bei 3.349 Euro, der Eigenanteil bei 2.121 Euro. Weniger auskunftsfreudig gibt sich der Träger des Kursana Domizils am Tiefenweg. &bdquo;Zu Ihrer Anfrage möchten wir keine Angaben machen“, teilt Michaela Mehls, Sprecherin der Kusana-&bdquo;Mutter“ Dussmann, mit. Moderate Erhöhung geht nicht. Den Bewohnern entstehen erhebliche Mehrkosten Zurück zum Domhof: Die Korian-Gruppe hat ihren Bewohnern und Angehörigen das weitere Verfahren erläutert und mitgeteilt, dass bei den zuständigen Pflegekassen und Sozialhilfeträgern die Verhandlungen für neue Entgelte beantragt worden sind. &bdquo;Da Pflegesatzverhandlungen grundsätzlich nur einmal jährlich stattfinden und wir somit nicht tagesaktuell auf Kostenerhöhungen reagieren können, müssen wir alle Preissteigerungen seit der letzten Beitragserhöhung sowie die mögliche Entwicklung für das nächste Jahr berücksichtigen“, erklärt Tanja Kurz. Die Preissteigerung erfolgt demnach im Vorgriff. In Anbetracht der &bdquo;sehr grundlegenden und systemrevidierenden Veränderungen“, sehe sich die Korian-Gruppe zum ersten Mal nicht in der Lage, die Eigenanteile nur moderat anzuheben. &bdquo;Den Bewohnern entstehen erhebliche Mehrkosten.“ Man sei sich der Problematik steigender Preise bewusst und nehme die Sorgen der Bewohner und Angehörigen ernst. Abschließend erklärt die Korian-Gruppe, dass man selbstverständlich bei der Antragsstellung unterstütze, müssten Sozialleistungen in Anspruch genommen werden.

Mehr zum Thema