Kita-Personal in Gütersloh schlägt Alarm: "Wir löschen nur noch Brände"

Gütersloh. Ausnahmezustand an den Kitas! Mit Feuereifer haben mehr als 300 Kita-Beschäftigte aus Gütersloh und Bielefeld am Mittwoch bei einem von Verdi inszenierten Branchenstreiktag vor dem Gütersloher Rathaus auf ihre schwierige Situation hingewiesen. OWL-Gewerkschaftssekretärin Petra Meyer (61) erklärte: &bdquo;Der heutige Tag steht unter dem Motto: Es ist fünf nach zwölf – wir löschen nur noch Brände.“ Und dabei seien vielen Erzieherinnen und Erzieher selbst völlig ausgebrannt. Vor der entscheidenden dritten und vorerst letzten Tarifrunde, die am 16./17. Mai in Potsdam stattfindet, löschten einige Kita-Mitarbeiter in der Gütersloher Innenstadt symbolisch ein durch eine rote Plastikplane dargestelltes Feuer und inszenierten eine Menschenkette um den &bdquo;grünen Würfel“ vor dem Rathaus. Der diesmal speziell auf die Berufsgruppe der Erzieher ausgelegte Warnstreik wirkte sich auch auf den Betrieb in den Kindertagesstätten aus. Neun Gütersloher Kitas blieben geschlossen Von den 22 Kitas in städtischer Trägerschaft sind nach Angaben der Stadt Gütersloh am Mittwoch neun Einrichtungen komplett geschlossen geblieben. &bdquo;Neun Kitas bieten eine Notgruppe an, vier Kitas sind normal geöffnet“, teilte die Stadt-Sprecherin Annette Blumenstein aus dem zweiten Obergeschoss im Rathaus mit. Etwas weiter unten, auf dem Konrad-Adenauer-Platz setzen derweil nach Polizeiangaben 305 Personen bei der zentralen Kundgebung lautstark mit Trillerpfeifen, Rasseln, neongelben Westen und Verdi-Fahnen ein Signal. &bdquo;200 Personen waren angemeldet, mehr als 300 sind es geworden. Das zeigt doch, wie groß der Unmut ist. Die Kolleginnen und Kollegen sind wütend und es muss sich dringend etwas tun“, erklärte Petra Meyer. Der Druck auf die öffentlichen Arbeitgeber nimmt zu, auch in Paderborn demonstrierten zeitgleich rund 150 Personen. Mehr Geld, mehr Fachkräfte, bessere ArbeitsbedingungenDie Forderungen der Erzieher drehen sich im Wesentlichen um elf Punkte. &bdquo;Der Schwerpunkt liegt dabei vor allem auf einer finanziellen Aufwertung, Maßnahmenergreifung gegen den Fachkräftemangel und für bessere Arbeitsbedingungen“, erläuterte die Verdi-Gewerkschaftsekretärin. Viele Erzieher seien am Limit. Wo der Schuh konkret drückt, verdeutlichte der Gütersloher Erzieher Ingo Dörfel (32). &bdquo;Kaum jemand hat Zeit für eine vernünftige Vor- und Nachbereitung. Hinzu kommen zusätzliche Belastungen, wie zum Beispiel durch die Flüchtlingsintegration oder die Corona-Pandemie. Es wird immer schwieriger, Personal zu finden“, erklärte der stellvertretender Leiter der Kita Fichtenstraße. Fluchtbewegung erfordert besondere MaßnahmenIngo Dörfel schilderte eindrücklich seine Begegnung mit einem Flüchtlings-Jungen, dessen Schwester während der Krise 2015/2016 auf der Flucht ertrunken war. &bdquo;Wir haben es mit Kindern zu tun, die Schlimmes erlebt haben. Und solche sind jetzt wieder zu uns unterwegs oder schon hier“, sagte er hinsichtlich der Fluchtbewegung aus dem Ukraine-Krieg. Um den Bedürfnissen solcher Kinder gerecht werden zu können, warb Dörfel um fachliche Unterstützung und Hilfe. &bdquo;Auch dafür müssen wir streiken.“ Genauso sei generell mehr Zeit erforderlich, um gute pädagogische Arbeit und eine intensive Betreuung leisten zu können. Das gelte insbesondere für die Ausbildung, die derzeit &bdquo;nur noch nebenher“ laufe. Streikfrühstück und Marsch durch die Innenstadt Während in einigen Kitas in Gütersloh der Guten-Morgen-Kreis am Mittwoch ausfiel, wurde bei der Demo vor dem Rathaus auch musikalisch die Problematik verdeutlicht. &bdquo;Es sind immer mehr Kinder zu betreuen. Wir können es nicht schaffen“, sang Gitarrenspielerin und Kita-Erzieherin Grit Stenzel (51) in einer Strophe ihres Streiklieds 2022 nach den Tönen von &bdquo;Zehn kleine Indianer“. Zuvor hatten sich die Teilnehmer der Kundgebung zu einem Streikfrühstück in der Weberei versammelt, um danach geschlossen durch die Gütersloher Innenstadt zur Abschlussveranstaltung zu marschieren – für mehr Geld, mehr Wertschätzung und mehr Personal. Unterschriftenlisten für die Politik Ihre Forderungen sollen die Teilnehmer auch schriftlich untermauern. &bdquo;Für die Politik, denn die ist gefordert.“ Eine erste Unterschriftenliste mit 732 Unterzeichnern hatte Gewerkschaftssekretärin Petra Meyer bereits zur Wochenbeginn den Landtagswahl-Kandidaten Thorsten Klute (SPD) und Mechthild Frentrup (CDU) überreicht. Nun soll eine weitere aus Gütersloh folgen. Die Warnstreiks im Sozial- und Erziehungsbereich werden auch am Donnerstag fortgesetzt. Dann mit einer Kundgebung für die Beschäftigten der Behindertenhilfe, die in Herford stattfindet. Vor der dritten Tarifrunde zwischen Verdi und der Vereinigung der Arbeitgeberverbände Mitte Mai in Potsdam ist indes noch ein weiterer großer Streik anberaumt worden. Für Mittwoch, 11. Mai, ruft Verdi bundesweit alle Beschäftigten in sozialen Berufen dazu auf, an der zentralen Veranstaltung in Gelsenkirchen teilzunehmen.

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