Geheimnis gelüftet: Er ist der Chef der Gütersloher Modemarke Marc Aurel

Gütersloh. Marc Aurel – Kenner der Branche müssen nicht lange überlegen. Marc Aurel ist eine Modemarke mit Firmensitz in Gütersloh. Doch wer sich dahinter verbirgt, wissen nur wenige. Zum 50-jährigen Jubiläum des Unternehmens wird das Geheimnis endlich gelüftet. Reinhold Richter, Gründer und Inhaber der Firma, tritt aus dem Hintergrund hervor – und lässt sich sogar fotografieren. &bdquo;Ich war nie der Typ für die Bühne“, sagt Richter beim Gespräch mit der NW. &bdquo;Viel lieber habe ich andere draußen auftreten lassen.“ Und so hielt es der Boss 50 Jahre lang. Weder auf Messen ließ er sich sehen noch auf Modenschauen. Die graue Eminenz blieb in Gütersloh und behielt dort in der Firma die Fäden in der Hand. Angefangen hat der gelernte Industriekaufmann als Außendienstler für die Metall- und Lebensmittelbranche. Doch den jungen Mann, damals gerade über 20 Jahre, drängte es in die Selbstständigkeit. Bestärkte dazu hat ihn auch ein Bekannter, der ihm riet: &bdquo;Mach doch was mit Klamotten.“ Richter tat, wie ihm empfohlen und gründete mit einem befreundeten Herrenschneider eine Hosenfirma, die zunächst ausschließlich für Männer produzierte. Eine Damenkollektion kam 1979 hinzu, der Name: Marc Aurel, wie der römische Feldherr. &bdquo;Es sollte ein international verständlicher Begriff sein, entweder italienisch oder französisch“, erläutert der Gründer und betont: &bdquo;Wir wollten ein schönes Label haben.“ Erster Firmensitz war ein ehemaliger HühnerstallErster Firmensitz war ein ehemaliger Hühnerstall an der Wiedenbrücker Straße, den die beiden Jungunternehmer eigenhändig entkernten, später folgte der Umzug in eine ehemalige Möbelfirma, 1984 dann der Bau der Unternehmenszentrale an der Wilhelmstraße. Zu diesem Zeitpunkt gingen die Geschäftspartner schon getrennte Wege. Man habe sich &bdquo;freundschaftlich“ getrennt, betont Richter. Marc Aurel ist heute weltweit ein Begriff in der Branche. Modeketten wie Peek und Cloppenburg oder Breuninger führen die Marke ebenso wie der exklusive Einzelhandel. Auch im europäischen Ausland, in Kanada und den USA tragen Kundinnen die Kollektionen aus Gütersloh, die das Modegefühl moderner Frauen treffen. Outfits mit Anleihen beim Jogging-Style, etwa Hosen mit Seitenstreifen, oder Overalls, angesagte Plisseeröcke, Blazer und überhaupt alles, was junge und jung gebliebene Kundinnen den ganzen Tag über gern tragen.Lesen Sie auch: Nachhaltige Mode boomt auf der Fashion Week - was hat Gütersloh zu bieten? Ein halbes Jahrhundert in einer Branche Dass sich die Marke, wie von Richter vorgegeben, zu einem &bdquo;schönen Label“ entwickelte, ist das Verdienst von Petra Stollhans (56), Ehefrau des Unternehmers und seit 33 Jahren in der Firma. Die Aufgaben haben beide unter sich aufgeteilt. Stollhans ist als kreativer Part des Duos für die Entwicklung der Kollektion zuständig, ihr Mann kümmert sich um die Produktion, steht in Kontakt zu Lieferanten, Herstellern und Kunden. &bdquo;Wenn ich Lösungen finden kann, dann macht mir das Spaß“, so der 73-Jährige. Ein halbes Jahrhundert arbeitet er erfolgreich in einer Branche, die wegen ihrer Fast Fashion in Verruf geraten und zahlreiche einst erfolgreiche Marken auch in der Region ärmer geworden ist – das Geheimnis dahinter? Das Produkt muss stimmen, antwortet die Ehefrau. &bdquo;Um am Markt bestehen zu können, sollte man ein spannendes Produkt bieten. Sonst hat man keine Chance.“ Ausschlaggebend für den Erfolg seien gute Passform, ein angenehmes Tragegefühl, Modernität und vor allem auch ein akzeptables Preis-Leistungsverhältnis. Kleider etwa sind im Einzelhandel zwischen 169 und 229 Euro erhältlich, Blazer ab 199 Euro und Mäntel, je nach Qualität zwischen 249 und 379 Euro. Vier Kollektionen liefert Marc Aurel pro Jahr an den Handel. &bdquo;Ich weiß nicht, wie es möglich ist, ein Shirt für 1,99 Euro zu verkaufen." Das machen die Gütersloher anders als Billiganbieter, die oft mehrmals im Monat ihre Filialen mit neuer Ware bestücken. &bdquo;Grausam“ findet Richter diese Praxis. &bdquo;Es wird so viel Ware produziert, die nie völlig verkauft wird.“ Und er fragt: &bdquo;Ich weiß nicht, wie es möglich ist, ein Shirt für 1,99 Euro zu verkaufen. Welchen Lohn mag dafür eine Näherin in Bangladesch bekommen? Ein paar Reiskörner vielleicht?“ Massen- und Überproduktion sei bei Marc Aurel ohnehin kein Thema, ergänzt Stollhans.&bdquo;Wir fertigen überschaubare Stückzahlen.“ Kooperationspartner sind Nähereien in Asien, in der Türkei, in Portugal und in der Ukraine. Dort stecken aktuell 10.000 Teile für Marc Aurel in der Produktion. Nach Ausbruch des Krieges sei in den drei für die Gütersloher tätigen Fabriken der Betrieb über mehr als zwei Wochen ins Stocken geraten. Richter steht jetzt vor der Herausforderung, nach Alternativen zu suchen, die einen vergleichbaren Qualitätsstandard wie die Partner in der Ukraine garantieren. &bdquo;Für ein mittelständisches Unternehmen ist das nicht so einfach.“ Um eine Preiserhöhung kommt das Unternehmen nicht herum Wie aktuell zahlreiche andere Branchen kommt auch Marc Aurel um eine Preiserhöhung nicht herum. Auf ein Plus von vier Prozent müsse sich die Kundin zum Herbst einstellen, sagt Richter voraus. &bdquo;Wir haben keine andere Möglichkeit.“ Weil das Zubehör, etwa Stoffe, Knöpfe und Garne, teurer werden, könnten die Produzenten ihre Preiszusagen häufig nicht mehr einhalten. Dazu kämen die wegen höherer Gas- und Ölpreise oft drastisch gestiegenen Transportkosten. Trotzdem sieht das Unternehmerpaar der Zukunft optimistisch und vergleichsweise entspannt entgegen. Nach &bdquo;brutalen“ Corona-bedingten Einbrüchen im Frühjahr 2020 habe die Branche wieder Tritt gefasst. 2021 sei für die Marke dann &bdquo;ein wunderbares Jahr“ gewesen. Dazu Richter: &bdquo;Ich habe mit einem Minus gerechnet, das ist allerdings nicht eingetreten.“ Auch für 2022 seien die Zahlen vielversprechend. Großen Anteil habe daran der Einzelhandel mit kreativen Aktionen zur Kundengewinnung und -bindung. &bdquo;Gerade die kleineren und mittelgroßen Geschäfte machen uns große Freude.“ 150 bis 180 Mitarbeiter Spricht Richter über Zahlen, dann geschieht das eher zurückhaltend. Beantwortet wird zwar noch die Frage nach der Zahl der Mitarbeiter, 150 bis 180. Doch kommt die Rede auf den Jahresumsatz, dann lächelt er das Interesse seines Gegenübers schnell weg. &bdquo;Darüber haben wir noch nie gesprochen.“ Die Zukunft des Unternehmens? Ist offen. Egal, ob die Kinder die Firma weiterführen wollen oder ein externer Nachfolger einsteigt: &bdquo;Wer hier weitermacht, soll die Chance haben, daraus etwas Gutes zu entwickeln.“ Irgendwie werde es wohl weiter gehen. &bdquo;Wir haben das immer geschafft.“

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