Kommentar "Die Generation Z will ans Steuer": Politische Newcomer drängen auf die Bühne

Gütersloh. In ihrem Pass sind Geburtsjahrgänge 2000 oder etwa 1998 vermerkt und ich stelle fest, dass ich beim Blick darauf gerne mal nachrechne: Wie alt sind die denn? Das lässt sich zwar spielend leicht abzählen, aber das Nachdenken mit der Zahl vor Augen hilft beim Verinnerlichen. Mir zumindest. Da ist eine junge Generation, die auf die politische Bühne drängt und keine Angst vor großen Aufgaben hat. Das ist neu. Neu für mich, die es gewohnt ist, Teil der aktuell politisch gestaltenden Generation zu sein. Die muss nun lernen, abzugeben. Stefan Schneidt und Rachel Hasler sind gerade 21 und 23 Jahre alt und bewerben sich um Landtagsmandate. Sie ziehen – randvoll mit Gestaltungswillen – für die SPD in den Wahlkampf und wollen im Mai ihr Direktmandat für die Gütersloher Bezirke II und III gewinnen. Die Sozialdemokraten stellen, so Schneidt, damit &bdquo;ein wohl historisch junges Duo auf". Wie alt muss man eigentlich sein für den Landtag? Können die das überhaupt schon? Fragen, die in den gedanklichen Restmüll gehören, weil sie am Ende nur mich und meinen Jahrgang entlarven. Wo steht denn geschrieben, dass man erst Jahrzehnte politische Erfahrung haben muss, eh man in der Lage ist, ein Amt gut zu bekleiden? Innerhalb der heimischen SPD rumort es zuletzt offenbar ordentlich Rachel Hasler führt bereits die SPD-Ratsfraktion in Verl, während Stefan Schneidt gerade an der UN-Klimakonferenz in Glasgow teilnimmt. Gerne hätte sich auch Jan Goldberg (27) aus Werther als Direktkandidat zu den beiden dazugesellt. Er forderte in dieser Woche den erfahrenen Thorsten Klute (47) in einer Kampfabstimmung heraus. Klute gewann mit nur einer einzigen Stimme Vorsprung. Das hatten im Vorfeld die wenigsten externen Beobachter erwartet, doch innerhalb der heimischen SPD rumorte es trotz des Wahlerfolges auf Bundesebene zuletzt wohl ordentlich, wie es heißt. &bdquo;Momentan gibt es offenbar in allen Parteien einen Trend gegen das Establishment", kommentiert Werthers Ex-Bürgermeisterin und SPD-Kreisfraktionschefin Marion Weike das Resultat. Blick zur Kreis-CDU: Birgit Ernst (53) aus Werther erlitt eine Wahlschlappe und unterlag der Herausforderin Mechthild Frentrup. Die ist zwar nicht 20, sondern 47, aber geht als unverbrauchte Newcomerin ins Rennen. Die beiden alten Hasen Raphael Tigges und Andrè Kuper stehen an diesem Wochenende zur Wahl. Auch wenn Landtagswahlen in der Regel wenig Interesse hervorrufen, wird es im Mai ein spannendes Rennen werden. Es ist spürbar, dass sich die Dinge ändern. Die Politik steht Kopf. Wir erleben einen starken Konservatismus – aber nicht in der CDU, sondern in der SPD und tatsächlich am meisten bei den Grünen. Schneidt, Hasler, Goldberg gehören in die Generation, die laut Statistik eine der glücklichsten Kindheiten mindestens seit Kriegsende erfahren haben. Diese &bdquo;Verwöhntheit", die den Fridays-For-Future-Aktivisten allenthalben von den Älteren vorgeworfen wird. Diese Generation ruft nicht die Revolution für Gütersloh aus, sie wollen bewahren und vor dem Verfall retten. Warum ein zutiefst konservativer Gedanke bei der CDU keine Heimat findet Sie machen Bildung zu einem zentralen Thema – weil wir Verfall in den Schulen beobachten. Und wenn man gerade erst einer Gütersloher Schule entsprungen ist, weiß man das wohl am besten. Sie machen Digitalisierung zu einem zentralen Thema – weil es um die Zukunft der Jobs und um ein gutes Leben insgesamt geht. Sie machen Gesundheit zu einem zentralen Thema – weil sich die Zustände in der Pflege katastrophal verschlechtert haben. Die Welt soll nicht den Bach runtergehen, die Lebensumstände wenigstens so bleiben wie sie sind. Ein zutiefst konservativer Gedanke. Nur findet er in der CDU keine Heimat, weil selbst der Spitzenpolitiker Ralph Brinkhaus schon zur Papi-Generation gehört. Die Union guckt noch etwas verdutzt. Eine heute 17-Jährige, die sich traut gegen den Bundesfraktionschef anzutreten, um sich mit ihm zu messen, dass mag man sich bei der Kreis-CDU noch nicht so recht vorstellen. Aber Hannah Sellemerten aus Langenberg ist Jugend-Landtagspräsidentin. Die Zwölftklässlerin ist der Jungen Union beigetreten und politisiert sich. Auch sie kommt aus der FFF-Bewegung. Und während Ralph Brinkhaus als Oppositionsführer nichts mehr zu gestalten, dafür umso mehr zu meckern hat und uns mit seinen Schimpftiraden qua Amt medial zukünftig auf allen Kanälen durch den Tag begleiten wird, sind die ganz Jungen auf diesem Ohr längst taub. Die Generation Z will ans Steuer.

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