Warum Carsharing in Gütersloh einen schweren Stand hat

Gütersloh. Glückliches Karlsruhe. Zumindest aus der Sicht von Carsharing-Nutzern. In der badischen Metropole kommen auf 1.000 Bewohner 3,23 Autos. Gänzlich anders das Verhältnis in Gütersloh. Hier teilen sich 1.000 Menschen 0,08 Autos. Lediglich neun Wagen weist die letzte Erhebung des Bundesverbands Carsharing (bcs) aus dem Jahr 2019 für Gütersloh aus. In Karlsruhe, das mit 300.000 dreimal so viele Einwohner wie Gütersloh aufweist, sind es 1.012. Erkennbar wird: Gütersloh hat beim Autoteilen noch großen Nachholbedarf hat. Dabei ist nach Ansicht von Mobilitätsexperten Carsharing ein wichtiger Bestandteil der Mobilitätswende – aus mehreren Gründen. Lesen Sie auch: Mehr Chance als Schaden - Sharing in der Coronakrise In Gütersloh gibt es zwei Anbieter: Die Stadtwerke haben vier E-Autos im Angebot. Den Anfang machte aber 2015 die Kooperation der Stadt mit dem Autohändler Ford Lückenotto, der ebenfalls vier Autos über Flinkster zur Verfügung stellt. Geschäftsführer Hans Carree hatte schon 2013 in seiner Heimatstadt Rheda-Wiedenbrück ein ähnliches Angebot aufgebaut und erkannt: "&bdquo;Das Auto ist für viele junge Leute nicht mehr das Status-Symbol, das es für frühere Generationen war." Die Anregung für Gütersloh kam aus dem Klimaschutzkonzept der Stadt und wurde vom damaligen Bürgermeister Henning Schulz umgesetzt. Er ließ auch für die Stadtverwaltung gleich eines der Fahrzeuge reservieren. Es wird von Mitarbeitern der Bauordnung genutzt, wie die Stadt mitteilt. Damit habe es die Anschaffung eines weiteren Fahrzeugs ersetzt und somit zur Verringerung des städtischen Fuhrparks beigetragen. Dieser Pkw steht ab 20 Uhr auch anderen Kunden zur Verfügung. 78 Prozent der Carsharer schaffen ihr Auto ab Einer von ihnen ist Kurt Gramlich. &bdquo;Als ich Rentner wurde, habe ich mein Fahrzeug, das ich bis dahin vor allem beruflich genutzt habe, abgeschafft und mich bei Flinkster angemeldet", so der Vorsitzende des Klimabeirats. Ein Effekt dieser Entscheidung war, &bdquo;dass ich mir jetzt jedes Mal genau überlege, ob ich wirklich ein Auto benötige oder die Fahrt nicht doch mit dem Fahrrad erledigen oder zu Fuß gehen kann." Ergebnis: &bdquo;Ich benötige ein Auto nur drei- bis fünfmal im Jahr." Zahlen des bcs stützen seine Erfahrung: 78 Prozent der Nutzer von Carsharing schaffen ihren Pkw ab, so dass ein Carsharing-Fahrzeug 10 bis zu 20 Autos ersetzen kann. Das entlastet den innerstädtischen Raum, es steht potenziell mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger zur Verfügung. Zudem greifen Carsharing-Nutzer wesentlich seltener aufs Auto zurück und weichen stattdessen auf den ÖPNV oder das Rad aus. Laut der Studie WiMobil nutzen nur 20 Prozent der Kunden des stationsbasierten Carsharing-Anbieters Flinkster ein Auto einmal pro Woche oder öfter. In der vergleichbaren Gesamtbevölkerung sind es hingegen 80 Prozent. Das freut die Umwelt, auch weil die Carsharing-Fahrzeugflotten weniger CO2 ausstoßen als der Durchschnitt des nationalen Pkw-Bestands. Besitzer unterschätzen die Kosten für ein eigenes Auto Und auch im Geldbeutel ist der Vorteil bemerkbar. Denn beim Carsharing wird nur für die Nutzung bezahlt. Kostenpunkte wie Steuer, Versicherung, Wartung und der Wertverlust fallen weg. Doch warum steigen trotz dieser Vorteile nicht viel mehr Gütersloher aufs Carsharing um? Kurt Gramlich vermutet zwei Gründe: &bdquo;Ich glaube, Autobesitzer unterschätzen die Kosten." Auch das bestätigen Zahlen des bsc. Nach einer Studie aus dem Jahr 2020 gaben die Befragten im Durchschnitt monatliche Ausgaben in Höhe von 204 Euro für die Nutzung ihres Pkw an. Tatsächlich lägen die durchschnittlichen Ausgaben aber mit 425 Euro gut doppelt so hoch. Die Autoren der Studie nehmen an, dass viele Autobesitzer Abschied von ihrem privaten Gefährt nähmen, würden die tatsächlichen Kosten gezielter kommuniziert. Deshalb fordern sie, dass sämtliche Kosten inklusive des erheblichen Wertverlusts bei Neuwagen beim Kauf ausgewiesen werden müssten. &bdquo;Viele Leute wissen nicht, wie einfach Carsharing funktioniert" Den zweiten Grund, warum es beim Umstieg hapert, sieht Kurt Gramlich in Vorurteilen: &bdquo;Viele Leute wissen nicht, wie einfach Carsharing funktioniert. Wenn ich ein Auto benötige, rufe ich kurz an und reserviere für die gewünschte Zeit einfach eines. Das klappt gut." Auch über die Webseite oder die Share-App lässt sich ein Fahrzeug reservieren. Mit der persönlichen Chip-Karte wird das Auto am gewählten Standort geöffnet und los geht die Fahrt. &bdquo;Der Vorteil bei Carsharing liegt auch darin, dass das Fahrzeug immer gepflegt wird, der Nutzer sich um die Wartung keine Gedanken machen muss und in der Regel die neuen Modelle fährt", sagt Lückenotto-Geschäftsführer Hans Carree. Für ihn lohnt sich das Engagement in Gütersloh. Vor allem das Auto am Bahnhof werde oft genutzt. Carree führt das auch darauf zurück, dass viele Zugreisende Flinkster-Kunden sind und daher ohne Schwierigkeiten in Gütersloh losflitzen könnten. Flinkster ist mit rund 4.500 Fahrzeugen das größte stationsbasierte Carsharing-Netzwerk Deutschlands. Kunden schätzen die klimafreundliche Mobilität Auch das Verhältnis zur Stadt ist kooperativ. Die Parkflächen für die Autos werden kostenlos zur Verfügung gestellt. Müsste Carree dafür Miete zahlen, würde es sich für ihn nicht lohnen. Dass die Stadtwerke mittlerweile selbst Carsharing anbieten, sieht er nicht kritisch. &bdquo;Unsere Zahlen haben darunter nicht gelitten. Eher hat es ein neues Interessenfeld aufgemacht." Damit spielt Carree darauf an, dass die Stadtwerke ausschließlich E-Autos sowie mittlerweile auch 24 E-Roller anbieten. &bdquo;Unsere Kunden schätzen die Vorteile von klimafreundlicher Mobilität auf der einen und umweltschonendem Individualverkehr auf der anderen Seite", heißt es auf Anfrage. &bdquo;Manche Kunden machen sogar ihre ersten Erfahrungen mit einem E-Auto in unserem Sharing-Angebot." E-Roller ergänzten das Angebot sehr gut, da sie im Unterschied zu den stationsgebundenen Autos im &bdquo;free floating" unterwegs seien – ähnlich wie E-Scooter. Lasten würden eher mit dem E-Auto transportiert, Erledigungen mit dem E-Roller ausgeführt. &bdquo;Die Sharing-Flotte ist ein weiterer wichtiger Baustein im ganzheitlichen Mobilitätskonzept", heißt es. &bdquo;Ziel ist es, die Angebote an sogenannten Mobilitäts-Hubs (Abstellstationen) weiter miteinander zu verknüpfen." Gutes Verhältnis von E-Autos und öffentlichen Ladepunkten Dazu wurde in die Ladeinfrastruktur investiert. Aktuell sind es zehn Ladesäulen mit jeweils zwei Ladepunkten mit 22 KW. &bdquo;Insgesamt gibt es in Gütersloh ein sehr gutes Verhältnis zwischen E-Fahrzeugen und öffentlichen Ladepunkten. Das dazu von der empfohlene Verhältnis von 1.10 wird erreicht", heißt es. Da 85 Prozent der Ladungen aber daheim oder beim Arbeitgeber erfolgten, würden die Stadtwerke auch dafür die entsprechende Ladeinfrastruktur anbieten. Da die Stadtwerke von einer guten Auslastung ihrer vier E-Autos sprechen und genügend potenzielle Flächen in der Innenstadt wie in den Stadtteilen sehen, stellt sich die Frage, warum das Angebot nicht ausgebaut wird? Da bleiben die Antworten vage. &bdquo;Wir prüfen unsere Angebote stetig anhand der Kundennachfrage und -bedürfnisse. Anpassungen und weitere Anwendungsfälle sind daher nicht ausgeschlossen", heißt es lediglich.

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