Bewegendes Schlaganfall-Drama um anerkannten Flüchtling

Gütersloh. Ein Spendenaufruf, der sich nicht um die Opfer der Flutkatastrophe dreht? Der droht so unterzugehen wie manches Eifeldorf. Dass sich nun eine Reihe von Organisationen und Mandatsträgern gefunden hat, die dennoch einen solchen Aufruf an die Öffentlichkeit richten, hat mit der Dringlichkeit des Falls zu tun. Abdulbari O, ein anerkannter afghanischer Flüchtling, und seine Familie brauchen Hilfe. Rasch. Der Fall O. (39) hat bei dem Versuch, seine Familie nachzuholen, einen Schlaganfall erlitten. Er ist halbseitig gelähmt, kann kaum noch sprechen. Der Schlag traf ihn in Termez, einer Grenzstadt in Usbekistan, wo er nun festhängt und unzureichend medizinisch versorgt wird. Alles – seine Gesundheit, seine berufliche Existenz, das Leben seiner Familie, die von den Taliban bedroht wird – ist gefährdet. Das Bündnis Die Bundestagsabgeordnete der SPD, Elvan Korkmaz, der Bundestagskandidat der Grünen, Sebastian Stölting, die Arbeitskreise (AK) Asyl der evangelischen Kirchengemeinden Gütersloh und Bielefeld, die Caritas Verl-Sürenheide, die evangelische Gemeinde Verl-Sürenheide, die Flüchtlingsberatung der Diakonie Gütersloh, die Flüchtlingshilfe des Erzbistums Paderborn, der Kreisverband Gütersloh des Deutschen Roten Kreuzes: Sie alle setzen sich dafür ein, O. und seiner Familie zu helfen. &bdquo;Es ist ein breites Bündnis, und darüber bin ich froh", sagt Ulrike Poggenklaß, ehrenamtliche Helferin und Afghanistanexpertin des Gütersloher AK Asyl. Der Fall O. sei ebenso tragisch wie dramatisch. Der Flüchtling Abudalbari O., Jahrgang 1982, stammt aus einer angesehenen afghanischen Familie. In seiner Heimatstadt Kunduz im Umfeld der Bundeswehr betreibt er ein Gästehaus nach westlichem Standard, das &bdquo;Lapislazuli". Es ist beliebt bei Bundeswehroffizieren, Mitgliedern von Nichtregierungsorganisationen (NGO) und internationalen Journalisten; viele davon kennt man aus den Nachrichtenmagazinen. Der Anschlag Den örtlichen Taliban ist das Lapislazuli ein Dorn im Auge. Sie schicken Drohbriefe und versuchen, das Gästehaus mit einer Autobombe zu zerstören – zwei Menschen sterben, acht werden verletzt. In der Umgebung von Kunduz, wo die Familie O. Immobilien und Grundbesitz hat, verleiben sich die Taliban alles ein. Die Flucht O. bringt sich in Tadschikistan in Sicherheit, weil er in der Region bleiben will, bekommt dort aber keinen dauerhaften Aufenthalt und macht sich im Sommer 2015 auf den Weg nach Deutschland. In Bulgarien steckt man ihn sechs Wochen ins Gefängnis, nur mit viel Geld kann er sich auslösen. Schließlich landet er in Verl. In Afghanistan hinterlässt er Ehefrau, fünf Kinder, Mutter und Schwester, die mit zum Haushalt gehören. Der Plan ist, die Familie nachzuholen, sobald er einen Aufenthaltstitel hat. Das Warten Der Plan geht nicht auf. Das Bundesamt Bamf glaubt ihm nicht, O. muss Nachweise beschaffen. Erst im Januar 2019, nach einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und dreieinhalb Jahre nach seiner Flucht, spricht man ihm die volle Flüchtlingseigenschaft zu – und damit das Recht, seine Familie nachzuholen. O. verdient in Verler Firmen inzwischen eigenes Geld, für sich und seine Familie. In seiner Heimat Lehrer und Gastronomiebetreiber, verdingt er sich in Verl bei einer Reinigungs- und einer Elektrofirma. Er will auf eigenen Beinen stehen. Lesen Sie auch: Beispiel Niehorst - wenn Flüchtlinge und Einheimische auf engstem Raum zusammenleben Der Familiennachzug Zuständig ist nicht etwa Kabul, sondern die deutsche Botschaft in Neu Delhi. Dorthin zu kommen, kostet Geld und Geduld. Erst im Frühjahr 2020 gewährt die Botschaft der Familie einen Vorsprachetermin – doch der platzt, wegen Corona. Ein Ersatztermin im Dezember 2020 folgt – doch den kann die Familie nicht wahrnehmen, weil sie die schwerkranke Mutter der Ehefrau aufnimmt und zu erwarten ist, dass sie bald stirbt. Da Kunduz an die Taliban fällt, flüchtet die Familie. Zunächst nach Pakistan, später nach Masar-e-Scharif, Standort der Bundeswehr; dort scheint es sicher zu sein. O. hält sich und seine Familie durch Extraschichten und Wochenendarbeit finanziell über Wasser. Lesen Sie auch: Wie die drohende Abschiebung dieser Flüchtlingsfamilie zum Streitfall in Gütersloh wird Die Verschärfung Mit dem eiligen Abzug der internationalen Truppen und der Bundeswehr aus Afghanistan verschärft sich die Lage. Rund um Masar-e-Scharif rücken die Taliban vor, die Familie, die auf deren Todesliste steht, ist nicht mehr sicher. O. bricht nach Termez in Usbekistan auf, in der Hoffnung, die Ausreise zu beschleunigen. Er trifft dort seine Familie, die es über die Grenze geschafft hat. Das Drama Kaum in Termez angekommen, trifft O. am 23. Juni der Schlag. Sein Zustand ist kritisch. Er kommt in ein Krankenhaus, doch die Ärzte können ihm nur wenig helfen, die Versorgung ist dürftig. Nach einer Woche muss er das Krankenhaus verlassen, seither pflegt die Familie ihn. Sie leben in einer gemieteten Unterkunft. Ein Dauervisum ist von Usbekistan nicht zu erwarten, also müssen sie das Land verlassen. O. kann zurück nach Deutschland, wo er sicher ist und den Status als anerkannter Flüchtling hat. Doch seine Familie? Kehrt sie nach Afghanistan zurück, wo die Taliban nach und nach das Land übernehmen, muss sie damit rechnen, getötet zu werden. Die Bredouille Der Krankenhausaufenthalt in Termez kostet Geld, ebenso die medizinische Versorgung, die Miete. Die deutsche Krankenversicherung trägt nach Angaben des AK Asyl nichts davon. Hinzu kommen die enormen Kosten für den Rücktransport: Ein Linienflug, vermittelt über die deutsche Botschaft, würde um die 20.000 Euro kosten, ein Sonderflug nur für O. wohl an die 64.000 Euro – O. und seine Familie werden das womöglich nie im Leben abgelten können. Hinzu kommt, dass O. in Deutschland längst wieder in der Firma sein müsste, mit der er einen Arbeitsvertrag hat. Doch die Frage ist, inwieweit sein gesundheitlicher Zustand Erwerbsarbeit künftig überhaupt zulässt. Das wiederum wirft die Frage auf, ob O. ohne eigenes Einkommen das Recht verwirkt hat, die Familie nachzuholen. &bdquo;Möglicherweise", so Poggenklaß, &bdquo;müsste man sich in diesem Fall auf humanitäre Gründe berufen." Der Aufruf Das Deutsche Rote Kreuz und die anderen Unterstützer hoffen, O. und seiner Familie helfen zu können. Ulrike Poggenklaß: &bdquo;Verlust der beruflichen Existenz, sechs Jahre Trennung von der Familie mit ungewissem Ausgang, nun eine gravierende gesundheitliche Beeinträchtigung mit nur 39 Jahren. Es bedarf einer gemeinsamen großen Anstrengung, um diese komplizierte und schmerzliche Geschichte vielleicht zu einem halbwegs glimpflichen Ende zu führen."Das DRK Kreis Gütersloh stellt dafür seine Konten bei der Kreissparkasse Wiedenbrück und der Volksbank Bielefeld-Gütersloh zur Verfügung, Stichwort &bdquo;Rückkehrhilfe Usbekistan".

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