Bertelsmann: Wäre Reinhard Mohn heute mit Ihnen zufrieden, Herr Rabe?

Gütersloh. "Wäre Reinhard Mohn heute mit Ihnen zufrieden?" Die Frage von Moderatorin Amelie Fried gilt dem Bertelsmann Vorstand Thomas Rabe. Der antwortet mit "Ich glaube ja." Weil er die Tücke solcher Aussagen durchaus einzuschätzen weiß, fügt er hinzu: "Machen wir Fehler? Ganz sicher. Muten wir den Mitarbeitern mitunter zu viel zu? Ja, mit Blick auf die schwierigen Neustrukturierungen während der Corona-Zeit." Dennoch gelinge Bertelsmann ein guter Ausgleich, "Vor allem im Vergleich mit vielen anderen Unternehmen." 2004 habe Rabe den Bertelsmann-Patriarchen kennengelernt. Es ist das Jahr, in dem sich Reinhard Mohn aus dem Vorstand der Bertelsmann Stiftung zurückzieht. "Er wollte mich sehen, bevor ich Finanzvorstand werde", berichtet Rabe. "Er war exzellent vorbereitet", dieses Gespräch habe ihn sehr geprägt. Details bewahrt der Vorstandschef für sich. Ohne Publikum im Gütersloher Theater Per Livestream kann die Öffentlichkeit am Mittwochabend einen Literaturabend von Bertelsmann verfolgen. Der Vorstandsvorsitzende Thomas Rabe und der Buchautor Joachim Scholtyseck nehmen auf dem &bdquo;Blauen Sofa Gütersloh" Platz, um über ein frisch veröffentlichtes Buch und damit auch über die Lebensleistung und Persönlichkeit Reinhard Mohns zu sprechen. Der würde am 29. Juni 100 Jahre alt. Am Montag dieser Woche ist das biografische Werk &bdquo;Reinhard Mohn – Ein Jahrhundertunternehmer" erschienen. Autor ist der renommierte Unternehmenshistoriker Joachim Scholtyseck, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Moderiert wird das Gespräch, das Corona-bedingt ohne Publikum im Theater Gütersloh stattfindet, von der Bestsellerautorin Amelie Fried. Lesen Sie auch: Auf den Spuren von Reinhard Mohn - eine Tour durch Gütersloh "Wir müssen aufpassen, keine Heldenerklärung zu betreiben", bremst der Autor mit einem Lächeln auch seine eigene Schwärmerei, die die Gesprächspartner auf der Bühne entwickeln. Derweil ist sich Thomas Rabe sicher: "Es wäre ihm vermutlich unangenehm, wie wir ihn heute loben." Aus Scholtysecks Sicht ist das Label "Jahrhundertunternehmer" gerechtfertigt. Das Managerdenken Mohns in der damaligen Zeit sei ungewöhnlich gewesen. Seine Bereitschaft, die Mitarbeiter zu beteiligen, eine enge Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat zu pflegen, Gewerkschaften anzuerkennen - all dies sei für die Wirtschaftsbosse der Nachkriegszeit irritierend anders gewesen. So sehr, dass er sich den Spitznamen "roter Mohn" eingehandelt habe. "All die Dinge prägen Bertelsmann heute noch", beteuert Rabe. Mohn habe eine frühe Form des Stakeholder Ansatzes gepflegt. "Aus jeder Situation kann man was machen, ich habe Bertelsmann daraus gemacht" &bdquo;Aus jeder Situation kann man was machen, ich habe Bertelsmann daraus gemacht", lautet ein Zitat von Reinhard Mohn, der sich selbst gerne als Unternehmer und weniger als Verleger sieht. Als solcher ist Mohn Autodidakt. Seinen Führungsstil beschreibt er als eine Führungstechnik. Er ist beflissen. In einem Tondokument, das den Zuschauern eingespielt wird, erklärt Mohn. "Ich fühle mich unbefriedigt, wenn auf meinem Schreibtisch noch ein unbearbeiteter Vorgang liegt. Das ist wohl ein Zug, den ich von meiner Mutter geerbt habe." Reinhard Mohn stammt aus einem klassisch protestantischen Haushalt - typische Gütersloher Tugenden, die sich vielfach bis heute erkennen lassen: man protzt nicht, lebt bescheiden ohne viel Zier und Aufsehen und betreibt sein Geschäft. &bdquo;Es ist schwer zu beantworten, warum Mohn aus diesem protestantischen Milieu ausbrechen kann", das ließe sich nicht herausarbeiten, so Scholtysek. "Dann können wir ja froh sein, dass er hier geblieben ist" Aber ist Reinhard Mohn denn überhaupt ausgebrochen? Keine extrovertierten Hobbys, keine nach außen getragenen Leidenschaften, keinerlei Auffälligkeiten, die sein Leben zeichnen. Stattdessen Spaziergänge im Wald. &bdquo;Champagnerparties auf Sylt mochte er nicht", so Buchautor Scholtysek, Mohn habe immer zu seiner Heimatstadt gestanden und beteuert: &bdquo;Wir können das auch von Gütersloh aus machen." Die USA ist sein Sehnsuchtsland. Eigentlich hat er seinen Platz dort gesehen, erklärt Scholtysek. Und Moderatorin Fried ergänzt: "Da können wir ja froh sein, dass er hier geblieben ist." "Wie konnte Mohn mit Kritik umgehen, wer durfte ihn kritisieren?" möchte Moderatorin Fried wissen. &bdquo;Damit konnte er gut umgehen", sagt Thomas Rabe, "man kann nicht den Betriebsrat einbinden, um dann am Ende doch alles selbst zu entscheiden." Es soll noch sehr viel Reinhard Mohn im Unternehmen stecken. Es fehlen Lebensdokumente emotionaler Art &bdquo;Nicht nur, weil es das Vermächtnis ist, sondern weil wir es immer noch für richtig halten", so Rabe, der zugleich beteuert, man habe immer noch mehr Kreativität als Kapital wie in den Anfangsjahren nach dem Krieg. Und er ist sich sicher, wenn Reinhard Mohn heute aufs Unternehmen schauen würde, würde er stolz sagen: "Das ist das Bertelsmann, das ich geschaffen habe." 60 Minuten Gespräch verschaffen dem Zuschauer einen Überblick. Um Reinhard Mohn in seinem Wesen zu ergründen, braucht es mehr, auch mehr als die neue Biografie. Da geht es dem Außenstehenden wohl genauso wie dem Historiker Scholtysek selbst: Es fehlen Lebensdokumente emotionaler Art. Das eiserne Mohn-Prinzip "Firma geht vor Familie" macht es schwer, den Mann zu greifen und zu begreifen, der so prägend für Gütersloh ist. Vermutlich ließe sich der Grundsatz um ein weiteres Wort reduzieren: "Firma geht vor". Mohn ist Bertelsmann. Bertelsmann ist Mohn.

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