Lkw-Fahrer leiden unter der Corona-Krise: "Wir leben wie Nomaden"

Gütersloh. Die Fahrertür des Lastwagens ist geöffnet, der Mann sitzt schräg hinterm Lenkrad und beißt hektisch in eine Bockwurst, während die Autos auf der A2 am Autobahnrastplatz Gütersloh Nord vorbeirasen. Kraftfahrer Dirk J. (Name von der Redaktion geändert) ist nicht gesprächig. Auf Fragen antwortet er zurückhaltend, verliert nur wenige Worte. Seinen Namen möchte er nicht verraten, ebenso wenig seine Herkunft oder den Firmennamen seiner Spedition. Er habe es eilig, müsse seine Lenkzeit einhalten, seine Ware im Frachtraum termingerecht beim Kunden abliefern. Deshalb ist die Pause an der Serways Raststätte Gütersloh Nord auch nur von kurzer Dauer. Als Lkw-Fahrer, so Dirk J., sei es wichtig nicht aufzufallen. Vor allem nicht negativ. Deswegen will er nicht viel reden. Hintergründe nennt er keine. Nur so viel: Das Leben als Kraftfahrer sei anstrengend und von Druck geprägt. Corona erschwere die Arbeit zusätzlich. "Wir Lkw-Fahrer leben wie die Nomaden. Wir essen hinterm Steuer, nicht überall können wir duschen oder aufs Klo gehen. Manche Raststätten sind eine Katastrophe", sagt er. Die in Gütersloh sei eine Ausnahme. "Sonst wäre ich nicht hier. Denn irgendwann kennt man alle Raststätten auf der Autobahn." Mehr ist dem Mann nicht zu entlocken. Er verabschiedet sich, schlägt die Fahrertür zu und setzt den Motor seiner Maschine in Gang. Wenige Augenblicke später ist er schon wieder auf der A2 in Fahrtrichtung Dortmund unterwegs. Weniger Kunden kommen - Burger King hat geschlossen In der Serways Raststätte Gütersloh Nord selbst weist eine freundliche Mitarbeiterin auf den seit der Krise geänderten Speiseplan des Unternehmens hin. Damit wolle das Gasthaus Fernfahrern entgegen kommen. Statt beispielsweise einer Bolognese gebe es nun Fingerfood, Teigwaren der Coffeeshop-Kette Coffee Fellows oder eben eine Bockwurst zu kaufen. "Damit gehen wir sicher, dass der Fahrersitz sauber bleibt", sagt die Mitarbeiterin mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Die Sanitäranlagen von Serways, der Autobahn Tank und Rast GmbH mit Sitz in Bonn, dürfen von Lkw-Fahrern kostenfrei genutzt werden. Weil wegen der Pandemie auf der Autobahn immer weniger Autos unterwegs sind, sei der Kundenzulauf an der Raststätte deutlich gesunken. Während vor der Krise noch drei Servicemitarbeiter notwendig waren, arbeitet mittlerweile täglich nur noch eine Person in der Raststätte. Kurzarbeit sei an der Tagesordnung, Aushilfen werden aktuell nicht mehr benötigt. Weitere Auskunft zum Service der Raststätte solle ihr Chef geben. Inhaber Thorsten Braun ist aber trotz mehrmaliger Versuche nicht für ein Gespräch zu erreichen. Die Burger-King-Filiale in der Gütersloher Raststätte hat aus wirtschaftlichen Gründen seit dem 4. Januar 2021 geschlossen. "Temporär", wie eine Sprecherin des Unternehmens auf Anfrage mitteilt. Was mit den Mitarbeitern vor Ort geschehen ist, kann oder will die Sprecherin von Burger King nicht sagen. Der Fast-Food-Riese plane aber die Filiale nach der Corona-Krise wieder zu öffnen. Lkw-Fahrer werden oft wie Aussätzige behandelt Uwe Feldmann ist langjähriger Inhaber der gleichnamigen Lkw-Spedition in Gütersloh. Er bestätigt die von Dirk J. beschriebenen Probleme und gibt an, identische Rückmeldungen von den Fahrern seines 35 Lastwagen großen Fuhrparks zu bekommen. "Meine Leute kämpfen schwer mit der Situation auf den Rastplätzen. Auf manchen gibt es nur Toiletten, auf anderen nur Duschen. Sauberkeit ist ein großes Problem. Gerade abends muss man darauf achten, wo man hintritt." An die Nahrungsaufnahme hinterm Lenkrad hätten sich seine Fahrer mittlerweile gewöhnt. Die Lastwagen bei Feldmann seien außerdem mit Mikrowellen ausgestattet. "Nichtsdestotrotz wäre es natürlich schöner, wenn man sich in eine Gaststätte setzen könnte und mal für ein paar Minuten aus dem Lkw raus kommt." Der Speditionsinhaber weist aber noch auf weitere Missstände hin, die durch die Corona-Pandemie eingetreten sind. "Sind die Fahrer am Ziel angelangt, werden sie oft wie Aussätzige behandelt. Bloß kein Kontakt. Bloß nicht aussteigen. Bitte schon gar nicht die Toilette vor Ort benutzen. Coronavirus hin oder her - ist das noch normal?" Ist die Ware ausgeliefert, seien viele Kunden froh, wenn der Lastwagenfahrer wieder das Weite sucht. Erschwernisse für die Fahrer würden immer mehr werden, gleichzeitig zwinge die osteuropäische Konkurrenz den heimischen Spediteur dazu, Dienstleistungen immer günstiger anzubieten. "Denn irgendwer ist immer billiger. Wir haben dann die Last zu tragen. Mitarbeiter zu finden, ist mitlerweile sehr schwer geworden." Manchmal finden Lastwagen keine Parkplätze Die Parkplatzsituation an den Autobahn-Raststätten, auch in Gütersloh, kritisiert der Spediteur. "Auf den Autobahnen gibt es zu wenig Parkplätze für zu viele Lastwagen", sagt Feldmann. Nicht selten weichen seine Mitarbeiter auf Parkplätze von beispielsweise Einkaufsmärkten aus. Manchmal, so der Spediteur, sei auch gar keine Parklücke zu finden. Nach Angaben von Ralf Collatz, Sprecher des ADAC in OWL, fehlen deutschlandweit rund 10.000 Lkw-Stellplätze an Raststätten. "Die Einhaltung von Ruhezeiten wird dadurch zum ernsthaften Problem. Hinzu gesellt sich aktuell durch die Corona-Krise das Versorgungsproblem der Fahrer." Dadurch, dass Lastwagen nachts auch auf Landes- und Bundesstraßen ausweichen, lande in Industriegebieten nicht selten Müll und Unrat. "Dadurch haben die Lastwagenfahrer sich nicht das beste Image erarbeitet", so Collatz. Auch Straßen.NRW habe die Parkplatzsituation an den Raststätten im Blick, verrät OWL-Sprecher Sven Johanning. Er weist darauf hin, dass der Landesbetrieb Ende 2017 mehrere Parkplätze an den im Kreis Gütersloh ansässigen Rastplätzen "Heideplatz" und "Sürenheide" freigegeben hat. Für 4 Millionen Euro sind damals jeweils 30 Pkw- sowie 27 Lkw-Stellplätze entstanden. Zuvor hatten die Rastplätze lediglich Raum für jeweils neun Lastwagen. Gibt es an der Raststätte bald mehr Parkplätze? Mittlerweile aber, seit 1. Januar 2021, ist die Autobahn GmbH des Bundes für den Ausbau von Parkplätzen an Autobahnen zuständig - somit auch für die an der Raststätte Gütersloh Nord. Sprecher Christopher Köster erklärt im Gespräch: "Mittelfristig ist dort keine Erneuerung der Parkplätze für Lastwagen vorgesehen." Er begründet das mit den kürzlich ausgebauten Rastplätzen "Heideplatz" und "Sürenheide". Er schließt einen Ausbau der Anlage in Zukunft aber nicht aus. Derzeit arbeite die Autobahn GmbH des Bundes im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums am sogenannten "Netzkonzept Rastanlagen", das zur Steuerung von Lkw-Parkplätzen auf Raststätten in ganz Deutschland verwendet wird. Dieses befinde sich in der "finalen Abstimmung" und beinhalte auch den untersuchten Abschnitt der A2 zwischen Kamen und Bielefeld. Aktuell verfügt der Rastplatz Gütersloh Nord über 27 Stellplätze für Lastwagen. Ein Ausbau der Parkplätze sei allerdings "planerisch eine große Herausforderung", sagt Köster. Die Anlage sei äußert eng. Um weitere Parkplätze anlegen zu können, sei ein Zukauf von benachbarter Wald- oder Ackerfläche unabdingbar. "Das ist wiederum ein sensibles Thema. Eine Ausgleichsfläche müsste geschaffen werden. Daher schauen wir häufig auf alternative Flächen wie hier etwa ,Heideplatz' und ,Sürenheide', wenn andere Anlagen nicht mehr ausgebaut werden können", so der Sprecher, der beteuert: "Wir haben das Problem der Lastwagenfahrer erkannt." So seien 2014 bereits 97 neue Parkplätze für Lkw in NRW entstanden, 2018 seien es bereits 352 gewesen. &bdquo;Man sieht, es tut sich etwas", sagt Köster. &bdquo;Die Bedeutung der Parkplätze ist definitiv vorhanden."

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