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So bereitet sich diese Frau auf den schwersten Lauf ihres Lebens vor

Die 37-jährige Verlerin Tina Di Maria trainiert für ein ambitioniertes Ziel. Für die Betreiberin des von der Pandemie weitgehend stillgelegten Restaurants "Kochwerk" ist das auch ein Stück weit Therapie gegen die Verzweiflung

Am besten gefällt Tina Di Maria das Laufen im Wald. Hier bringt sie sich in Form für ihr 2022 geplantes Marathondebüt. | © Besim Mazhiqi

Wolfgang Temme
03.04.2021 | 03.04.2021, 09:00

Auf der einen Seite findet Tina Di Maria die Situation „zum Verzweifeln". Was nicht verwunderlich ist, denn die 37-Jährige ist in der Gastronomie tätig und betreibt zusammen mit ihrem Mann Giovanni (41) in Verl das von der Pandemie weitgehend stillgelegte „Kochwerk". Auf der anderen Seite ist Tina Di Maria kein Typ, der sich der Verzweiflung hingibt. „Man muss sich Ziele setzen und die dann diszipliniert verfolgen", lautet ihr Anspruch an sich selbst. Das tut sie jetzt in einer Branche, in der trotz Corona gerade Hochbetrieb herrscht: Die Verlerin läuft.

Und sie hat, wie das ihre Art ist, gleich ein richtiges Projekt gestartet. In diesem Jahr will sie einen Halbmarathon unter zwei Stunden schaffen und 2022 dann ihren ersten Marathon absolvieren. Dafür hat sie nicht nur dem Kind, also dem Projekt, einen Namen gegeben, sondern auch gleich sich selbst. Als „Madame Marathoni" postet sie ihre Trainingseinheiten regelmäßig in den Sozialen Netzwerken, und auf den Bildern trägt sie stets ein Stirnband mit eben diesem Aufdruck.

Zweiter Anlauf, um Langstreckenläuferin zu werden

In gewisser Weise ist es für Tina Di Maria bereits der zweite Anlauf, um Langstreckenläuferin zu werden. Die aus Emsdetten stammende und seit 13 Jahren in Verl lebende Halbniederländerin, die unter ihrem Mädchennamen Tina de Jong hieß, hatte im November 2019 als Gelegenheitsjoggerin am A33-Lückenschlusslauf teilgenommen und auf Anhieb mit 51:26 Minuten eine erstaunliche Zehn-Kilometer-Zeit hingelegt. Im Dezember wagte sie dann den Start beim Weihnachtscross in Borgholzhausen über 16 Kilometer (1:31:56 Std.), und den Gütersloher Silvesterlauf (10 km) beendete sie nach 50:42 Minuten.

Den Titel ihres persönlichen Projekts hat sich Tina Di Maria auch auf ihr Stirnband drucken lassen. - © Besim Mazhiqi
Den Titel ihres persönlichen Projekts hat sich Tina Di Maria auch auf ihr Stirnband drucken lassen. | © Besim Mazhiqi

Das alles ermutigte sie, den Plan zu schmieden, im April 2020 am Hermannslauf teilzunehmen. Der Lauf fiel der Pandemie zum Opfer, doch Tina Di Maria, die sich sogar für den Vorbereitungskurs von Ingmar Lundström angemeldet hatte, musste schon vorher die Segel streichen. Heftige Knieprobleme, womöglich verursacht durch Überlastung, bedeuteten das vorläufige Aus für ihre Laufkarriere.

Vor vier Wochen startete „Madame Marathoni" dann ihr neues Projekt. Schon im Juni will sie das erste Etappenziel erreichen, den U2-Halbmarathon. „Die Zeit ist realistisch", hat sie aufgrund ihrer bisherigen Trainingsleistungen ausgerechnet. Wobei, die Berechnung überlässt die Verlerin hauptsächlich einer Lauf-App, die ihr auch den ambitionierten Trainingsplan vorgibt. Fünf Einheiten pro Woche sieht der Plan vor, in Summe kommen da schon mal 50 Kilometer zusammen.

„Es sind aber ganz unterschiedliche Läufe", schildert sie die Abwechslung. Kurze Tempoläufe kommen in dem Programm ebenso vor wie so genannte Crescendoläufe mit kontinuierlicher Temposteigerung. Auch Dauerläufe über 100 Minuten in moderatem Tempo stehen im Plan. Tina Di Maria hält sich konsequent an die Vorgaben und zeigt dabei auch Härte gegen sich selbst: Dass letzten Samstag ein Gewitter mit Schnee- und Hagelschauern über Verl niederging, hielt sie nicht davon ab, den 45 Minuten-Lauf zu absolvieren. Das Tempo wurde allerdings mit 45:02 Minuten (6:16/km) schneller als programmiert. „Die App meckert mit mir, wenn die Pace zu hoch ist", stellt sie fest.

Verlerin wird von keinem Trainer betreut

Sich nicht nur von einem virtuellen Coach anleiten, sondern von einem richtigen Trainer betreuen lassen möchte die Verlerin nicht. Ratschläge nimmt sie gleichwohl entgegen: „Ich habe viele gute Freunde, die auch selbst laufen." Vor allem für kurze Läufe verabredet sie sich häufig mit einer Freundin. Gegen die feste Anbindung an eine Gruppe spricht für sie die Unkompliziertheit des Laufens („Ein Ründchen geht immer"), ihre hohe Eigenmotivation und ihre Neigung, auch mal gerne alleine unterwegs zu sein. Ihr „Heimatrevier" ist der Holter Wald, aber sie trainiert auch auf der 800-Meter-Finnbahn im Verler Sportzentrum oder („Ab und zu") im Teuto.

Die Effekte des Trainings spürt Tina Di Maria nicht nur an ihren Leistungsfortschritten. „Ich bin viel entspannter und ausgeglichener", hat die Mutter von zwei zehn und zwölf Jahre alten Söhnen festgestellt. „Ich bin ein unruhiger Geist, der sehr viel nachdenkt", lautet ihre eigene Typbeschreibung. Die positive Wirkung: „Laufen sortiert den Kopf und macht den Geist frei."

Einen konkreten Plan, wann und wo sie ihren ersten Lauf über die halbe und ihr Debüt über ganze Distanz geben will, hat Madame Marathoni noch nicht. Sie sagt nur: „Je früher, desto besser." Ohnehin gilt es abzuwarten, wann wieder Veranstaltungen stattfinden.

Abzuwarten gilt es vor allem aber auch, wie sich die Pandemie entwickelt und wie viel Zeit ihr künftig für das Lauftraining bleibt. „Ich liebe meinen Beruf", sagt die Hotelfachfrau, die im eigenen Betrieb, in dem ihr Ehemann als Koch tätig ist, den Service leitet. Der angeschlossene Onlineshop im „Kochwerk" laufe zwar recht gut, aber das wiege den Ausfall von Restaurant und Catering natürlich bei weitem nicht auf. „Der Sport ist deswegen definitiv auch so etwas wie Therapie gegen die Verzweiflung", sagt Madame Marathoni.