Historisches Hochwasser: Vor 75 Jahren ergoss sich die Dalke über Gütersloh

Gütersloh. Mit Schaudern verfolgen wir dieser Tage die dramatischen Bilder aus den Hochwasser-Katastrophengebieten in NRW und Rheinland-Pfalz. Vor 75 Jahren, Anfang Februar, wurde Gütersloh tatsächlich auch von einem Hochwasser heimgesucht - wie es Vergleichbares weder vorher noch nachher gegeben hat. Die Pegel von Dalke, Schlangenbach und Lutter stiegen in jenem Februar 1946 so hoch, dass die Wassermassen weite Teile der Stadt überfluteten. Neuenkirchener Straße, Verler Straße, Westring, Stadtpark, Unter den Ulmen: Sie glichen einer Seenplatte. Die Fluten legten den Verkehr lahm und entwickelten eine solche Kraft, dass sie Brücken fortrissen. Rund um das St. Elisabeth-Hospital, damals noch in der Innenstadt, türmte man eilig Sandsäcke auf, die Privatklinik Dr. Murken war vom Wasser umschlossen. Was heute kaum vorstellbar ist – damals war es Realität: Das kriegsversehrte Gütersloh litt ein zweites Mal. Stadt Gütersloh war nicht auf Hochwasser vorbereitet &bdquo;Eine Naturkatastrophe von noch nicht übersehbaren Ausmaßen suchte unsere schöne Heidestadt heim", so beschrieb ein Bürger in der Gütersloher Zeitung die Flut, die Gütersloh am Freitagabend, 8. Februar 1946, heimsuchte. Im Stadtarchiv ist von dem Jahrhundertereignis überraschend wenig dokumentiert – Fotoapparate waren wenig verbreitet, und die meisten Gütersloher hatten kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs ganz andere Sorgen. Tatsache ist, dass die Stadt unvorbereitet war. Als in den Abendstunden des 8. Februar die Sirenen anschlugen, versammelten sich spontan Hilfstrupps, um das Schlimmste zu verhindern. Auch die als Besatzungsmacht stationierten Briten und die "Deutsche Arbeitshilfe” packten mit an. Die Helfer rissen Mauern nieder, schaufelten Abwassergräben und räumten die Keller besonders gefährdeter Häuser leer, um wenigstens das Wichtigste in Sicherheit zu bringen. Aber mit dem Tempo des schnell ansteigenden Wassers konnten die Kolonnen nicht mithalten. Das Wasser riss Dämme ein, drückte Mauern weg, ließ Brücken einstürzen. Lesen Sie auch: Rettungskräfte aus SHS suchen in Katastrophengebieten nach Überlebenden Innenstadt war schnell von restlichem Gebiet abgeschnitten Durch die weit über die Ufer getretene Dalke war die Innenstadt schnell vom restlichen Stadtgebiet abgeschnitten, heißt es in den Quellen des Stadtarchivs. Mit Hilfe eilig aus Holz und leeren Kanistern zusammengezimmerten Booten versuchten die Bewohner der überfluteten Häuser, sich in Sicherheit zu bringen. Offenbar gelang es ihnen – zumindest ist nirgends von Todesopfern die Rede. Manche waren jedoch in ihren Häusern eingeschlossen, harrten in den oberen Etagen aus. Wie sich alsbald herausstellte, war der durch die Wassermassen entstandene Schaden immens. Lebensmittel und wertvolles Saatgut waren vernichtet, Keller vollgelaufen, Häuser unbewohnbar. Die Schäden an Straßen, Brücken und Kanälen waren nahezu unüberschaubar – und das nur ein dreiviertel Jahr nach Ende des Krieges, der auch in Gütersloh Tod und Zerstörung gebracht hatte: Bahnhof und Blessenstätte lagen noch immer in Schutt und Asche. Doch nicht nur die Gegend rund um die Dalke wurde schwer vom Hochwasser getroffen. Auch die nördlichen Flächen rund um den Schlangenbach, überwiegend landwirtschaftlich genutzte Äcker, wurden nicht verschont. Vergeblich hatten die örtlichen Bauern seit Jahren gefordert, den Bach zu regulieren, um nicht immer wieder von Überschwemmungen betroffen zu sein; wer sich das schmale Bächlein heute ansieht, mag es kaum glauben. Lesen Sie auch: Feuerwehr-Retter aus dem Kreis Gütersloh im Hochwasser-Einsatz - "So stelle ich mir Krieg vor" Von der Dalkebrücke blieb kaum etwas übrig Besonders beeindruckend zeigte sich die Wucht des Wassers bei den eingestürzten Brücken. Von der Dalkebrücke an der Reichsstraße 61 nahe Westring und der Wapelbrücke an der Rhedaer Straße blieb kaum was übrig. &bdquo;Bei dem Einsturz der Brücke am Westring ist auch der unter der Dalke liegende gedükerter (unterirdischer) Schmutzwasserkanal beschädigt und zum Teil vom Hochwasser fortgerissen", so geht es aus einem Schreiben der Gütersloher Verwaltung an den Regierungspräsidenten in Minden hervor. Es folgt eine vorsichtig in Reichsmark ausgedrückte Aufstellung der bis März festgestellten Schäden. Die im Zentrum liegenden Straßenzüge standen nahezu komplett unter Wasser. Das Gebäude des Elisabeth-Hospitals wurde derart beschädigt, dass es für die Patienten &bdquo;Notspeisungen" vornahm. In den späteren Jahrzehnten kam es zu keiner weiteren Katastrophe. Rund um die Dalke wurden in den vergangenen Jahren Renaturierungs- und Retentionsflächen geschaffen, zum Beispiel am Ruhenstroths Weg oder im Westen der Stadt. Dort hat das Wasser Platz, sich auszubreiten.

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