"Zurückrudern geht nicht mehr": FFF-Aktivist entschuldigt sich für Missverständnis

Gütersloh. In ganz Deutschland sind am 25. September viele tausend Menschen für mehr Klimaschutz auf die Straßen gegangen. Auch in Gütersloh fand nach langer, coronabedingter Pause wieder eine Demonstration der Fridays-For-Future-Bewegung (FFF) auf dem Berliner Platz statt - mit Abstand und mit Maske. Rund 250 Gütersloher hatten sich beteiligt. Das Motto: "Wir streiken, bis ihr handelt." Damals, unmittelbar vor der Stichwahl der Kommunalwahl, waren viele Statements der Redner vor Ort politisch angehaucht. Der Wahlkampf zwischen Henning Schulz (CDU) und Norbert Morkes (BfGT) war Thema, ebenso die angeblichen Verfehlungen der damals amtierenden Regierung. &bdquo;Wenn der Fraktionsvorsitzende einer Partei, der Herr Kollmeyer (CDU), die vegane Ernährung als Mangelernährung bezeichnet, dann sollte man eine solche Partei nicht wählen", formulierte Viron Lykopoulos beispielsweise in seinem Redebeitrag, der als eindeutige Empfehlung zu Gunsten des Herausforderers Morkes interpretiert werden konnte. "Die Bewegung hat einen massiv politischen Hintergrund" Wie politisch aber darf oder soll eine Klimabewegung wie FFF überhaupt sein? "Die Bewegung hat den Anspruch, ein deutliches politisches Programm durchzusetzen", sagt Ralph Rotte, Professor für Internationale Beziehungen an der RWTH Aachen. "Und sie hat einen massiv politischen Hintergrund." Klimapolitische Maßnahmen, die die Demonstranten umgesetzt wissen wollen und in der Regel mit herangezogenen wissenschaftlichen Studien untermauern, würden schließlich von Parlamenten, Regierungen oder dem Rat einer Stadt entschieden. "In sofern verwundert es mich nicht, wenn die Bewegung in Gütersloh eine konkrete Position bezieht", so Rotte weiter. Es sei legitim einen Bürgermeisterkandidaten zu empfehlen, der die Interessen der Bewegung vermeintlich stützt. Gleichzeitig sei das ein öffentlicher Denkzettel für den anderen Kandidaten. "Jetzt kann man natürlich sagen, dass es unfair ist. Warum wird eine Person öffentlich bestraft, wenn ihr womöglich sogar die Hände gebunden sind?", führt der Professor aus. "Das ist aber immer das Risiko, das eine solche Bewegung bei einer politischen Wahlempfehlung hat. Theoretisch könnte es aber auch eine Gegendemonstration geben, in der eine Wahlempfehlung für die amtierende Regierung ausgesprochen wird." "Zurückrudern geht nicht mehr, da muss ich mich entschuldigen" Viron Lykopoulos, welcher im September auch Teil des FFF-Planungsteams vor Ort war, hat sich nach eigenen Angaben damals nicht für einen der beiden anwesenden Kandidaten positioniert, sondern den Amtsinhaber Henning Schulz stark für seine Politik kritisiert. "Das wurde von der Presse als Pro-Morkes interpretiert", erklärt der Aktivist. Er habe dabei für sich und nicht für die Gruppe gesprochen. "Meine - zugegeben leicht zu missverstehende Rede - hatte sich auf die Ratswahl bezogen. Ich habe nicht über eine Person gesprochen, sondern über die Partei/Fraktion. Der Übergang war flüssig und das konnte man nicht herausfiltern. Das ist meine Schuld. Nichtsdestotrotz wurde Norbert Morkes nicht ausdrücklich gelobt." Stattdessen habe er Wünsche an die "neue" oder "neue und alte" Verwaltung gerichtet. "Zurückrudern geht nicht mehr, da muss ich mich entschuldigen. Es war aber definitiv nicht so gemeint", sagt Lykopoulos. Stefan Schneidt führte 2020 über 40 Gespräche mit Politikern Für Stefan Schneidt, Kopf der Gütersloher FFF-Bewegung, muss die Gruppe politisch sein "und auch bleiben." Er führt aus: "Dass ich sehr politisch bin, auch in anderen Bereichen, ist kein Geheimnis. Wie politisch FFF in Gütersloh am Ende sein darf oder soll ist keine alleinige Entscheidung von mir. Wir sind basisdemokratisch." Die Bewegung bringe sich stets politisch ein und führe viele Gespräche vor Ort mit Verbänden, Gewerkschaften, Politikern und NGO's. Auch Bürgeranträge werden von der FFF-Gruppe in Gütersloh ("Klimaneutral 2030") formuliert. "Immerhin geht es darum, Parteien und Politiker an ihren klimarelevanten Entscheidungen zu messen und gegebenenfalls dafür auch zu kritisieren", so Schneidt. Auch wirke Schneidt auf Bundesebenen bei einer Taskforce mit und führe regelmäßig Gespräche mit Bundestagsabgeordneten. "In diesem Jahr waren es über 40 Gespräche mit Politikern aus ganz Deutschland", erklärt er. So ist er nach eigenen Angaben beispielsweise am 17. September 2019 mit Ralph Brinkhaus in den Dialog über das Klimapaket getreten, welches am 20. September gleichen Jahres von der Bundesregierung entschieden wurde. "Und was an dem Tag auf der Straße dank FFF los war, ist ja kein Geheimnis." "Käme es zur Gründung einer Partei, würde das zu einem Bruch führen" Die Fridays-For-Future-Bewegung in Gütersloh ist also massiv politisch aktiv. Kann aus ihr womöglich sogar eine eigene Partei entspringen? Professor Ralph Rotte von der RWTH Aachen hält das für unrealistisch: "Wenn wäre das eine Ein-Programm-Partei." In der Gruppe der Klimademonstranten treffen aktuell bereits "verschiedene Bewegungen aufeinander, die durch ein gemeinsames Ziel - dem Klima - vereint sind. Man findet dort Linke aber auch Rechte. Käme es zur Gründung einer Partei, würde das schnell zu einem Bruch führen", ist sich der Experte sicher. Auch der Gütersloher Aktivist Stefan Schneidt kann sich nicht vorstellen, dass aus der FFF-Bewegung eine Partei hervortritt. "Einige Aktivisten sind bereits in Parteien aktiv. Luisa Neubauer zum Beispiel. Sie haben dort Ämter inne und kandidieren für diese. Dasselbe gilt auch für mich." Schneidt ist bei den Jusos, der Jugendorganisation der SPD, aktiv. "Hingegen gibt es auch Aktivisten wie Carla Reemtsma, die die Meinung vertreten, dass der Protest auf der Straße am effektivsten ist, ohne Parteien beizutreten."

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