Erfolg des Start-ups: Schüttflix boomt, weil es old und new economy verbindet

Gütersloh. Nein, das hier wird kein Corona-Kommentar. Nicht schon wieder, die Lage ist deprimierend genug. Gütersloh marschiert wieder stramm auf den Grenzwert zu, unsere Behörden rüsten sich an allen Fronten, der Krisenstab kommt zusammen, das ganze Malheur droht ein drittes Mal. Routine? Mitnichten! Routine hat einen zu positiven Beiklang, da schimmern liebgewonnenes Gewöhnen und ein eingespielter, verlässlicher Umgang durch, dabei möchten wir uns doch in Wirklichkeit mit nichts von alledem abfinden. Positiv an dieser Corona-Folter ist allein das Wissen um die Erfahrung, wo es uns besonders weh tut. Und wo es möglicherweise etwas weniger schmerzt. Blicken wir auf andere, erfreulichere Dinge. Auf Wandkalender zum Beispiel, um mal was Nostalgisches zu nehmen, etwas aus Vor-Corona- oder sogar Vor-Digitalisierungs-Zeiten. Die Gütersloher Firma Schüttflix hat dieser Tage einen herausgegeben, mit Motiven von Sophia Thomalla, wie sie auf Highheels eine Baustelle besucht und sich in allerlei reizenden Posen neben PS-starken Fahrzeugen ablichten lässt. Das ist nun wirklich von vorgestern – sollte man meinen. Drucken Aldi, Rewe oder Netto ihre Prospekte woanders, bekommt Mohn Media ein Renditeproblem Ist es aber nicht. Schüttflix ist im Gegenteil ein modernes, digitales Start-up, das Hoffnung macht. Die Firma hat eine App entwickelt, die das Baustellenmanagement vereinfacht, und die Idee scheint derart attraktiv, dass sich die Investoren, darunter Sophia Thomalla, darum reißen, Gesellschafteranteile kaufen zu dürfen. Schüttflix boomt, weil die Firma es schafft, old und new economy zu verbinden: die Baubranche mit einem Model, den Kalender mit PR, das langwierige Bauen mit einer hyperschnellen App. Was man daraus ablesen kann: Dass dieses Corona-Virus und die allumfassende Digitalisierung nicht zwingend dazu führen, dass Jobs wegbrechen, sondern vielmehr neue entstehen können. Ob das auch bei Miele und Bertelsmann, den beiden heimischen Weltfirmen, gelingt? Gewiss, nur ist fraglich, in welcher Weise sich das auf den Stammsitz auswirkt. Die Nachrichten aus der Heimat stimmten zuletzt eher trübe. Miele scheint zwar auf bestem Wege, die tiefe Corona-Delle aus dem Frühjahr auszubügeln und Absatzzahlen zu generieren, als wäre nie was gewesen, doch zur Wahrheit gehört dazu, dass Miele seine neue Digitaleinheit, den Ideenbrüter, in Amsterdam ansiedeln wird, weil junge Fachkräfte nun mal eher dort zu gewinnen sind. In Gütersloh hingegen fallen Stellen weg. Kaum anders sieht es bei Bertelsmann aus. 126.000 Mitarbeiter beschäftigt der Konzern weltweit, stetig mehr, aber in Gütersloh? Dort kündigte man vor gerade mal einem Monat an, 100 Stellen in der Hauptverwaltung zu streichen, hoch dotierte Jobs mit einem nicht zu unterschätzenden Unterbau an Qualifizierung. Auch bei Mohn Media, einst die Herzkammer des Unternehmens, fällt der Einschnitt schmerzlich tief aus. 470 Stellen, jede vierte, fallen weg, und man kann nur hoffen, dass es mittel- bis langfristig dabei bleibt. Entscheiden sich Aldi, Rewe oder Netto eines Tages, ihre Prospekte woanders drucken zu lassen, hat der Betrieb ein ernsthaftes Renditeproblem, dagegen wird auch der frische, mutmaßlich lukrative Druckauftrag für die Memoiren von Barack Obama wenig ausrichten können. Der erste Corona-Schock scheint überwunden zu sein Doch halt – Firmengeschichten wie die von Schüttflix sind nicht der einzige Lichtblick. Die Herbst-Konjunkturumfrage der IHK transportierte erst vorletzte Woche die Nachricht, dass weite Teile der Wirtschaft im Kreis Gütersloh wieder vorsichtig optimistisch in die Zukunft blicken. Der erste Corona-Schock, die Lähmung, scheint überwunden, die Unternehmen merken, dass das Wirtschaften weitergeht und die Nachfrage nicht gänzlich versiegt, wieso denn auch. Hoffnungsvoll stimmen auch die Bemühungen von Politik und Stadt, in Gütersloh eine Gründerszene zu etablieren. Auf dem Mansergh-Quartier, irgendwann Sitz der Fachhochschule mit bilingualen Studiengängen, soll sich mal ein Innovationszentrum etablieren, eine Keimzelle für junge Unternehmensgründer. Denen fällt bestimmt auch was anderes als Kalender ein.

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