81 Corona-Fälle bei Tönnies-Hof in Sögel - und wie läuft es in Rheda?

Kreis Gütersloh. Im emsländischen Sögel sind 81 Beschäftigte des Tönnies-Schlachthofes Weidemark positiv auf das Coronavirus getestet worden - überwiegend Beschäftigte von Subunternehmen. Doch wie sieht es im Stammwerk des Konzerns in Rheda-Wiedenbrück aus? Seit dem 1. September hat es 29 positive Befunde von Tönnies-Mitarbeitern im Kreis Gütersloh gegeben, wie die Kreisverwaltung bestätigt (Stand 30.9.). Nicht in der Statistik enthalten sind die "erneut positiv getestete Personen" aus der vergangenen Wochen und Monaten. Sie werden als Altinfektionen gewertet. Die Zahl der Altinfektionen wird nicht benannt. "In Quarantäne sind aktuel 14 Infizierte, die bei Tönnies arbeiten", so Pressesprecher Jan Focken von der Kreisverwaltung. Etwa 30 weitere Tönnies-Mitarbeiter seien als Kontaktperson in Quarantäne, da sie mit Infizierten zusammenwohnen oder Kontakt hatten. Schon 125.000 Corona-Tests bei Tönnies durchgeführt "Mit dem allgemein steigenden Infektionsdruck in unserer Region steigt auch das Risiko, dass sich Mitarbeiter von uns mit dem Virus anstecken", erklärt André Vielstädte, Unternehmenssprecher Tönnies. Die intensive Testung der Mitarbeiter und die Maßnahmen des Hygienekonzepts hätten aus seiner Sicht in den vergangenen Wochen ihre Wirksamkeit bewiesen. "Alle Produktionsmitarbeiter werden aktuell zwei Mal pro Woche getestet. Insgesamt sind seit dem 13. Juli rund 125.000 Tests bei uns durchgeführt worden. Testdurchführung und Laborauswertung sind dabei mit dem Gesundheitsamt des Kreises abgestimmt." In den vergangenen vier Wochen habe die Quote der positiv getesteten Mitarbeiter zwischen 0,04 und 0,1 Prozent der Gesamtbelegschaft gelegen. "Da es sich aktuell lediglich um wenige Fälle handelt, ist keine systematische Versorgung mit Lebensmitteln für die Mitarbeiter in häuslicher Quarantäne vorgesehen", so Vielstädte, "stattdessen stehen unsere Integrationsbeauftragten für Unterstützung bereit, wenn dies notwendig ist." Die Produktion bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück liegt nach konzerneigener Auskunft aktuell bei 75 bis 80 Prozent Auslastung. Die Lage hat sich nach dem Corona-Desaster im Juli scheinbar normalisiert. Der Lockdown für den Kreis Gütersloh gerät in Vergessenheit. Politik hat sich Akteneinsicht beim Kreis verschafft Nicht für alle. Ein paar Kilometer entfernt im Kreishaus Gütersloh brüten Mitglieder der SPD-Kreistagsfraktion über den Notizen rund um den Tönnies-Fall. Die Fraktion hatte sich mit anwaltlicher Hilfe Akteneinsicht verschafft. Hygienekonzept, Krisentagebuch und andere Aufzeichnungen, die der Krisenstab im Kreis Gütersloh seit Anfang März vorgenommen hat, werden seit Ende der Sommerpause nachgelesen. "Schade, dass wir nicht die Möglichkeit haben, einen Untersuchungsausschuss anzusetzen", kommentiert Fritz Spratte (SPD). Man stoße bei der Akteneinsicht an natürliche Grenzen und zwar immer dort, wo die Zuständigkeit bei der Ordnungsbehörde Rheda-Wiedenbrück oder aber der Bezirksregierung Detmold liege. Die Akteneinsicht erfolge intern unter Verwaltungsaufsicht und ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Smartphones bleiben draußen - außer Stift und Papier dürfen namentlich bestellte Politiker wie Spratte oder Liane Fülling (SPD) nichts zum mehrstündigen Termin mitbringen. Konzernsprecher Vielstädte soll sich schon verwundert darüber gezeigt haben, dass die Kreispolitiker nicht grundsätzlich die freie Möglichkeit hätten, der Verwaltung in die Akten zu schauen. "Bluttest wären sinnvoll" Es bleiben Fragen. Warum werden keine Antikörperbestimmungen durchgeführt, um Informationen zum Immunstatus der positiv getesteten Personen aber auch der Bevölkerung im Kreis Gütersloh zu erhalten? Eine repräsentative oder auch flächendeckende Testung könnte einen erheblichen Beitrag zur Gefährdungsbeurteilung von Covid-19 leisten. Dass die Maßnahme sinnvoll wäre, bestätigt die Kreisverwaltung. "Hierzu wäre in jedem Fall die Entnahme einer Blutprobe durch fachlich geschultes Personal erforderlich. Sowohl die zusätzliche Entnahme als auch die erweiterte Probenlogistik hätten das diagnostische Ausbruchsmanagement in der entscheidenden Phase im Juni/Juli über die Grenzen der Belastbarkeit beansprucht", so die Einschätzung des Kreisgesundheitsamtes. Vorgesehen ist in einer Ausbruchssituation nach derzeitigem Stand eine PCR-Diagnostik - umgangssprachlich der übliche Corona-Test mit Rachenabstrich. Der Gütersloher Mikrobiologe Andreas Bermpohl hatte zuletzt öffentlich Kritik an diesem Verfahren geäußert. Um valide Daten rund um das Ausbruchsgeschehen bei Tönnies zu gewinnen, hätte man zwingend Studien mit Bluttests und entsprechender Antikörpertestung anlegen müssen. Diese große Chance habe der Kreis verstreichen lassen. Andreas Bermpohl und Apothekerin Astrid Kipp haben einen Fragenkatalog rund um den Einsatz bei Tönnies erstellt, der über die SPD-Kreistagsfraktion schon im August zur Beantwortung an die Verwaltung gegangen ist. Es wird darum gebeten, folgende Angaben zur Verfügung zu stellen: Anzahl der durchgeführten Tests / Wiederholungstests aufgeschlüsselt nach Tönnies-Mitarbeitern und übriger Bevölkerung. Davon jeweils positiv/negativ unterteilt nach Tönnies-Mitarbeitern und übriger Bevölkerung. Anzahl positiv getesteter Personen mit Symptomen - und einiges mehr. "Gesundheitsamt ist keine wissenschaftliche Einrichtung" Es sind die bis heute fehlenden Zahlen, die die Kreisverwaltung in der Dokumentation der Gesamtmaßnahme schuldig geblieben ist. Die Abteilung Gesundheit schickte am 1. September dazu eine schriftliche Antwort an alle Kreistagsmitglieder: "Bei der Abteilung Gesundheit handelt es sich nicht um eine wissenschaftliche Einrichtung. Die Datenerfassung und die weitere Auswertung erfolgt im Hinblick auf die Ausbruchssituation gemäß den gesetzlichen Vorschriften des IfSG (Datenschutz, Meldepflicht und Meldewesen)." Dieses Schreiben blieb bislang von der Politik unwidersprochen. Das verwundert nicht. Der Kreistag ist nach den Kommunalwahlen im September mit sich selbst und seiner neuen Zusammensetzung beschäftigt. Die konstituierende Sitzung findet am 30. November statt.

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