Eine bedrohe Art? Gütersloher Tierschützerinnen sorgen sich um den Igel

Gütersloh. &bdquo;So schlimm wie in diesem Jahr war es noch nie", sagen die beiden Tierschützerinnen Gabi Kirchhoff und Regina Rottmann übereinstimmend. Täglich werden ihnen Tiere gemeldet, die entweder schwerst verletzt sind, oder wegen akutem Hunger und Durst zu verenden drohen. Die Gütersloherinnen engagieren sich bei der Privaten Igelhilfe Münsterland & OWL. Die Lage ist aus ihrer Sicht dramatisch. Igel sagen nichts, sie schreien nicht Im Winter werden regelmäßig verletzte Tiere in Obhut genommen und aufgepäppelt – bis sie nach dem Winterschlaf im April ausgewildert werden. &bdquo;Die Igelsaison hat in diesem Jahr gar nicht aufgehört", beklagt Kirchhof. Bereits im Mai klingelte pausenlos das Telefon. &bdquo;Wir beobachten in diesem Jahr ein interessantes Phänomen", so Kirchhof, &bdquo;unheimlich viele Igel wurden von Hunden zerbissen." Die Folge sind schlimmste Verletzungen oder auch abgetrennte Gliedmaßen. &bdquo;Fehlt dem Igel ein Vorderbein, bedeutet das für ihn den sicheren Tod", so Kirchhof. Einen Grund für die vielen Bissverletzungen sehen Tierschützer und Tierheime in der steigenden Zahl von (freilaufenden) Hunden. &bdquo;Viele Menschen haben sich in den ersten Wochen und Monaten nach dem Corona-Ausbruch einen Hund zugelegt. Viele davon ohne einen verantwortlichen Umgang mit dem Tier zu trainieren." Das Problem der kleinen stacheligen Opfer: &bdquo;Igel sagen nichts, sie schreien nicht", obgleich sie es könnten wie Regina Rottmann betont. Anders als Eichhörnchen etwa, die in Notlagen aktiv Hilfe suchen und dem Menschen dabei bis ans Hosenbein springen. &bdquo;Igel verkriechen sich und leiden still vor sich hin." Bis es oft zu spät ist. &bdquo;Die Zahl der Igel mit dem multiresistenten Erreger MRSA steigt." Besonders auffällig ist die Zahl der dehydrierten Tiere. Die Bachläufe sind vollständig leer und selbst Pfützen sind Mangelware. Viele zeigen einen auffälligen &bdquo;Hungerknick" im Nacken, sind zu mager, zu schwach. &bdquo;Eine Folge der letzten trockenen Sommer", so Rottmann, &bdquo;und unserem Umgang mit der Natur." Der Insektenschwund betrage inzwischen 80 Prozent, das wirke sich maßgeblich auf die Igel aus. Ihre hauptsächliche Nahrungsquelle – der Laufkäfer – komme nicht mehr so üppig vor. Regenwürmer und Schnecken stehen auch auf dem Speiseplan, aber die ziehen sich bei anhaltender Trockenheit tief ins Erdreich zurück. Die Igel haben Hunger. &bdquo;Das ganze Gefüge ist aus dem Gleichgewicht geraten", erklärt Rottmann.Der blausäurehaltige Panzer der Laufkäfer habe stets dafür gesorgt, dass Parasiten bereits im Magen des Igels abgetötet wurden. &bdquo;Weil das nun fehlt, beobachten wir eine Zunahme von stark verwurmten Tieren. Das führt zum Tod." Und noch etwas beobachtet die promovierte Ärztin für innere Medizin: &bdquo;Die Zahl der Igel mit dem multiresistenten Erreger MRSA steigt." Die zwei bis drei gängigen Antibiotika, die in der Tiermedizin zum Einsatz kämen, blieben in solchen Fällen wirkungslos. Diesen Igeln könne nicht mehr geholfen werden. &bdquo;Ganz klar eine Folge unseres Pestizid-Einsatzes in den Gärten und auf den Feldern", sagt Regina Rottmann. Es gibt keine Zählungen zur Igelpopulation Die Wurf-Zeit der Igel ist der August. Mit etwas Glück kann man jetzt Igel-Mütter mit ihren Kleinen entdecken. &bdquo;Im vergangenen Jahr hatten wir es wegen der anhaltenden Hitze zum ersten Mal mit einem zweiten Wurf im Oktober zu tun. Das ist vollkommen unnormal", die Mehrzahl dieser Igelkinder sei verendet, weil sie zu schmächtig für den Winter waren. Sind die Igel also in ihrer Art bedroht? &bdquo;Ja", sagen Regina Rottmann und Gabriele Kirchhof, &bdquo;aber es gibt keine verlässlichen Zahlen." Igel sind nachtaktiv, deshalb gibt es keine Zählungen zur Igelpopulation. Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) in Bayern hat aktuell ein Bürgerforschungsprojekt daraus gemacht. Unter dem Motto &bdquo;Jeder Igel zählt" können gesichtete Igel gemeldet werden – lebendig oder überfahren. Bitte Wassertränken in den Gärten aufstellen &bdquo;Igel brauchen unsere Hilfe. Bitte Wassertränken in den Gärten aufstellen, damit die Tiere trinken können", rät Gabi Kirchhof. Katzenfutter ohne Sauce oder Gelee oder einfach Trockenfutter hilft ebenfalls. Wer Angst hat, damit die Ratten anzulocken, kann ein Futterhaus mit Klappe nutzen, &bdquo;da gehen Ratten nicht rein." Auch freuen sich Igel über etwas Unordnung im Garten: hier mal ein Laubhaufen, dort mal ein Haufen mit trockenen Ästen. Schottergärten seien hingegen lebensfeindlich – für nahezu alle Tiere. &bdquo;Den Igel in seiner jetzigen Form gibt es seit 1,5 Millionen Jahren", erklärt Gabi Kirchhof. Sie ist manchmal fassungslos, denn &bdquo;wir Menschen machen das in Null Komma Nix kaputt." Die zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber Tieren erschreckt sie. Und bei ihren Stachelrittern ist sie der Meinung: &bdquo;Es muss einfach mehr Menschen geben, die ihn retten wollen!"

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